Vorwort zur deutschen Übersetzung
Die Volkswirtschaftslehre kann zu der Lösung der großen Probleme der heutigen Zeit einen Beitrag leisten. Doch scheint dies der breiten Öffentlichkeit manchmal nicht bewusst zu sein. Das überrascht, weil ein Großteil unserer alltäglichen Interaktionen wirtschaftlicher Natur sind und die Hintergründe dieser Interaktionen in der Volkswirtschaftslehre beschrieben und erforscht werden. Warum ist das so?
Ich bin überzeugt, dass die Art und Weise, wie wir das Fach lehren, einer der Gründe ist. Meist lehren wir Grundlagenvorlesungen der Mikro- und Makroökonomie anhand theoretischer Modelle, die unsere Welt unter ganz speziellen Annahmen abbilden. Doch viele der Annahmen sind für Studierende nicht überzeugend und der Sprung zu realen Problemen ist weit. So werden Anwendungsbeispiele viel zu häufig nur am Rande diskutiert. Bis Studierende sich mit realen Problemen auseinandersetzen, müssen sie meist bis zum Master- oder Promotionsstudium warten.
Die Wirtschaft geht einen anderen Weg: Jedes Kapitel ist durch reale Probleme und Daten motiviert, die rationale Entscheidungsfindung wird früh um Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie ergänzt, Marktversagen spielt eine größere Rolle als das Modell des perfekten Wettbewerbs, ökonomische Effizienz wird mit Diskussionen zu Fairness und Ungleichheit reflektiert, Ungleichheit und Klimawandel sind wiederkehrende Themen, … Dieses Buch zeigt, dass die Volkswirtschaftslehre viele Antworten auf aktuelle Fragen bieten kann und eine vielfältige und sich wandelnde Disziplin ist.
Ich nutze The Economy seit dem Sommer 2019 in Grundlagenvorlesungen eines englischsprachigen Studiengang. Im Vergleich zu dem äquivalenten deutschsprachigen Studiengang, bei dem ich das Buch (bisher) noch nicht verwende, stelle ich mehr Partizipation, mehr (auch kritische) Diskussionen und bessere Transferleistungen der Studierenden fest. Natürlich ist dieser Effekt nur anekdotisch und nicht kausal, doch motivierte er mich das Buch zu übersetzen. Die Verwendung eines englischsprachigen Lehrbuchs kam für mich nicht in Frage, da ich befürchtete, die Studierenden mit dem größten Unterstützungsbedarf zu benachteiligen.
Hintergründe zu dieser Übersetzung
Diese Übersetzung von The Economy entstand über den Zeitraum von ungefähr 12 Monaten hauptsächlich an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Neun Studierende und ich erstellten unter Zuhilfenahme einer Übersetzungssoftware diese Texte. Viele Kolleginnen und Kollegen anderer Hochschulen haben die fertigen Kapitel anschließend gegengelesen und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Wir haben uns bemüht, mit unseren begrenzten Mitteln das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Details zum Team dieser Übersetzung finden Sie im Abschnitt Erstellung von Die Wirtschaft.
Wir haben uns große Mühe gegeben, die Übersetzung nah am Original zu halten. Das impliziert, dass sämtliche englischsprachigen Quellen und Verweise aus The Economy übernommen wurden. Nur in Einheit 2 haben wir den Originaltext um eine deutschsprachige Quelle ergänzt. Wir haben uns bewusst dafür entschieden bestimmte Begriffe auf Englisch zu belassen. Solche Ausnahmen sind manche Bezeichnungen für historische Ereignisse (zum Beispiel Great Depression) sowie in der Praxis gebräuchliche Anglizismen (zum Beispiel Commodity).
In dieser Übersetzung nutzen wir diskriminierungssensible und geschlechtergerechte Sprache. Für die diskriminierungssensible Sprache orientieren wir uns am „Glossar für diskriminierungssensible Sprache“ von Amnesty International.1 Für geschlechtergerechte Sprache meiden wir das generische Maskulinum. Mit dem Ziel den Lesefluss so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, haben wir auf unterschiedliche Ansätze zurückgegriffen: Neben der Doppelnennung nutzen wir auch geschlechtsneutrale Formulierungen (zum Beispiel nominalisierte Partizipien) sowie den Gender-Doppelpunkt. Manche Bezeichnungen mögen anfangs ungewöhnlich wirken, doch gewöhnt man sich schnell daran. Wir haben in zwei Fällen auf geschlechtsgerechte Sprache verzichtet: Erstens, wenn im historischen Kontext davon auszugehen ist, dass nur ein Geschlecht genannt werden muss (zum Beispiel waren Frauen auf den Schiffen von Bartholomew Roberts verboten). Zweitens, haben wir bei zusammengesetzten Wörtern mit dem generischen Maskulinum am Wortanfang auf geschlechtsgerechte Alternativen verzichtet (z.B. Verbraucherpreisindex oder Prinzipal-Agent-Beziehung).
Ich hoffe, dass Ihnen diese Übersetzung das Studium der Volkswirtschaftslehre vor allem interessanter, aber auch einfacher machen wird.
Christian Tode
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
(Projektleiter der Übersetzung)
Juli 2022
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Amnesty International, “Glossar für diskriminierungssensible Sprache”, Zuletzt aufgerufen am 2. Mai 2022. ↩