Einheit 11 Rent-Seeking, Preissetzung und Marktdynamik
Rent-Seeking erklärt, warum sich Preise ändern (und warum manchmal nicht) und wie Märkte funktionieren (manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten)
- Preise geben die aktuelle Situation auf einem Markt wieder und motivieren zum entsprechenden Handeln.
- Menschen nutzen die Möglichkeit des Rent-Seekings, wenn sich Märkte nicht im Gleichgewicht befinden, und profitieren oft davon, wenn sie einen anderen Preis als die anderen festlegen.
- Der Prozess des Rent-Seekings kann schließlich dazu führen, dass das Angebot der Nachfrage entspricht.
- Die Preise auf den Finanzmärkten werden durch Handelsmechanismen bestimmt und können sich durch neue Informationen oder veränderte Prognosen von Minute zu Minute ändern.
- Es können Preisblasen entstehen, zum Beispiel auf Märkten für finanzielle Vermögenswerte.
- Regierungen und Unternehmen legen manchmal Preise fest oder setzen andere politische Maßnahmen, wodurch in Folge keine Markträumung mehr stattfindet.
- Ökonomische Renten helfen zu erklären, wie Märkte funktionieren.
Fisch und Fischfang sind ein wichtiger Bestandteil des Lebens der Menschen in Kerala in Indien. Die meisten von ihnen essen mindestens einmal am Tag Fisch, und mehr als eine Million Menschen sind in der Fischerei tätig. Doch vor 1997 waren zwar die Preise hoch, doch die Gewinne des Fischfangs begrenzt, was auf eine Kombination aus Verschwendung und der Verhandlungsmacht der Fischhändler:innen zurückzuführen war, die den Fang der Fischer:innen kauften und ihn an Verbrauchende verkauften.
Nach der Rückkehr in den Hafen mussten viele Fischer:innen feststellen, dass die Fischhändler:innen, denen sie ihren Fang verkaufen wollten, bereits so viele Fische hatten, wie sie an diesem Tag benötigten. Die Fischer:innen waren dann gezwungen, ihren (dann wertlosen) Fang wieder ins Meer zu werfen. Einige wenige Glückliche kehrten zur richtigen Zeit in den richtigen Hafen zurück. Dort überstieg die Nachfrage das Angebot überstieg, und sie wurden mit außerordentlich hohen Preisen belohnt.
Zum Beispiel fanden am 14. Januar 1997 elf Bootsladungen Fisch, die zum Markt in der Stadt Badagara gebracht worden waren, ein Überangebot auf dem Markt vor. Die Fischer:innen dieser elf Bootsladungen warfen ihren Fang über Bord. Es bestand ein Angebotsüberhang von elf Bootsladungen. Auf den Fischmärkten im Umkreis von 15 km um Badagara herrschte jedoch ein Nachfrageüberhang: 15 Kaufende verließen den Markt in Chombala, weil sie—egal zu welchem Preis—keinen Fisch kaufen konnten. Abbildung 11.1 veranschaulicht das Glück beziehungsweise Pech der Fischer:innen, die in die Häfen entlang der Küste von Kerala zurückkehrten.
- Gesetz des einheitlichen Preises
- Trifft zu, wenn ein Gut bei allen Transaktionen zum gleichen Preis gehandelt wird. Würde ein Gut an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Preisen verkauft, könnten Unternehmen oder Personen es an einem Ort billig einkaufen und an einem anderen zu einem höheren Preis verkaufen. Siehe auch: Arbitrage.
Nur sieben der 15 Märkte litten weder unter einem Über- noch unter einem Unterangebot. In diesen sieben Dörfern (auf der vertikalen Linie) reichten die Preise von 4 INR pro kg bis zu mehr als 7 INR pro kg. Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Gesetz des einheitlichen Preises—ein Merkmal eines Marktgleichgewichts im Wettbewerb—manchmal ein schlechter Anhaltspunkt dafür ist, wie Märkte tatsächlich funktionieren.
Abbildung 11.1 Verhandlungsmacht und Preise auf dem Fischgroßhandelsmarkt in Kerala (14 Januar 1997). (Anmerkung: Zwei Märkte erzielten das gleiche Ergebnis mit einem Preis von 6,2 INR pro kg.)
Robert Jensen. 2007. ‘The Digital Provide: Information (Technology), Market Performance, and Welfare in the South Indian Fisheries Sector.’ The Quarterly Journal of Economics 122 (3) (August): pp. 879–924.
Wenn die Fischer:innen eine Verhandlungsmacht haben, weil es einen Nachfrageüberhang gibt, erzielen sie viel höhere Preise. Auf Märkten ohne Nachfrage- und Angebotsüberhang lag der Durchschnittspreis bei 5,9 INR pro Kilogramm, wie die gestrichelte Linie zeigt. Auf Märkten mit Nachfrageüberhang lag der Durchschnittspreis bei 9,3 INR pro Kilogramm. Die Fischer:innen, die das Glück hatten, auf diesen Märkten zu verkaufen, erzielten außerordentliche Gewinne (wenn man davon ausgeht, dass der Preis auf Märkten ohne Nachfrageüberhang oder Angebotsüberhang hoch genug war, um wirtschaftliche Gewinne zu erzielen). Natürlich kann es sein, dass sie am nächsten Tag zu den Pechvögeln gehörten, die überhaupt keine Kaufenden fanden und deshalb ihren Fang wieder ins Meer werfen mussten.
Das alles änderte sich, als die Fischer:innen Mobiltelefone bekamen. Noch auf See riefen sie die Fischmärkte am Strand an und suchten sich den Markt aus, auf dem die Preise an diesem Tag am höchsten waren. Kehrten sie zu einem hochpreisigen Markt zurück, erzielten sie eine ökonomische Rente (das heißt ein Einkommen, das über dem der nächstbesten Alternative lag—nämlich der Rückkehr zu einem Markt ohne Nachfrageüberhang oder gar einem Markt mit Angebotsüberhang).
Durch den Zugang zu Echtzeit-Marktinformationen über die relativen Fischpreise konnten die Fischer:innen ihre Produktions- (Fischfang) und Vertriebsmuster (der von ihnen aufgesuchte Markt) so anpassen, dass sie die höchsten Erträge erzielten.
Eine Studie über 15 Fischmärkte entlang der 225 km langen Nordküste von Kerala ergab, dass sich die täglichen Preisunterschiede zwischen den Märkten auf ein Viertel der früheren Werte reduzierten, sobald die Fischer:innen Mobiltelefone verwendeten. Kein Boot warf den Fang weg. Durch die geringere Verschwendung und den Wegfall der Verhandlungsmacht der Händler:innen stiegen die Gewinne der Fischer:innen um 8 %, während gleichzeitig die Verbraucherpreise um 4 % sanken.
Die Mobiltelefone ermöglichten es den Fischer:innen, Rent-Seeking sehr effektiv zu nutzen. Diese Aktivitäten veränderten die Funktionsweise der Fischmärkte in Kerala: Sie kamen dem Gesetz des einheitlichen Preises sehr nahe, indem sie Nachfrage- und Angebotsüberhang praktisch eliminierten, was den Fischer:innen, sowie den Verbrauchenden, zugute kam (nicht aber den Fischhändlerinnen und Fischhändlern, die als zwischenhandelnde Personen fungiert hatten).
Dies geschah, weil die Fischer:innen in Kerala auf die durch die Preise an den verschiedenen Stränden gegebenen Informationen reagieren konnten. Das heißt, es handelt sich um ein weiteres Beispiel für die Idee, die wir in Einheit 8 zur Erklärung der Auswirkungen des amerikanischen Bürgerkriegs auf die Baumwollmärkte eingeführt haben: dass Preise Botschaften sein können. Für den Ökonomen Friedrich Hayek war das der Schlüssel zum Verständnis der Märkte.
Große Ökonominnen und Ökonomen Friedrich Hayek
Die Great Depression der 1930er Jahre verwüstete die kapitalistischen Volkswirtschaften Europas und Nordamerikas und führte in den USA dazu, dass ein Viertel der Arbeitskräfte arbeitslos wurde. Im gleichen Zeitraum wuchs die zentrale Planwirtschaft der Sowjetunion im Rahmen einer Reihe von Fünfjahresplänen rasant weiter. Selbst der Erzfeind des Sozialismus, Joseph Schumpeter, hatte dies eingeräumt:
„Kann der Sozialismus funktionieren? Natürlich kann er … An der reinen Theorie des Sozialismus ist nichts auszusetzen.“
Friedrich Hayek (1899–1992) war anderer Meinung. Der in Wien geborene österreichische (später britische) Ökonom und Philosoph vertrat die Ansicht, dass die Regierung nur eine minimale Rolle in der Verwaltung der Gesellschaft spielen sollte. Er war gegen jegliche Bemühungen, Einkommen im Namen der sozialen Gerechtigkeit umzuverteilen. Er war auch ein Gegner der von John Maynard Keynes vertretenen Politik, die darauf abzielte, die Instabilität der Wirtschaft und die Unsicherheit von Arbeitsplätzen abzufedern.
Hayeks Buch The Road to Serfdom entstand vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs, als die Wirtschaftsplanung sowohl von der deutschen und der japanischen Regierung, der kommunistischen Sowjetregierung, als auch von der britischen und amerikanischen Regierung genutzt wurde. Er argumentierte, dass gut gemeinte Planung unweigerlich zu einem totalitären Ergebnis führen müsste.1
Seine Schlüsselidee der Volkswirtschaftslehre revolutionierte die Denkweise der Ökonominnen und Ökonomen über Märkte. Sie besagt, dass Preise Botschaften sind. Sie vermitteln wertvolle Informationen darüber, wie knapp ein Gut ist. Aber diese Informationen sind nur verfügbar, wenn die Preise durch Angebot und Nachfrage und nicht durch die Entscheidungen von zentralen Planer:innern bestimmt werden. Hayek schrieb sogar einen Comic, der von General Motors herausgegeben wurde, um zu erklären, warum dieser Mechanismus der Planung überlegen ist.
Von der in Einheit 8 erläuterten Theorie des Marktgleichgewichts, in der alle Kaufenden und Verkaufenden preisnehmende Personen sind, hielt Hayek jedoch nicht viel. „Die moderne Theorie des Marktgleichgewichts“, schrieb er, „nimmt an, dass eine Situation existiert, die eine wahre Erklärung als Ergebnis des Wettbewerbsprozesses darstellen sollte.“
Die Annahme eines Gleichgewichtszustandes (wie sie Walras bei der Entwicklung der allgemeinen Gleichgewichtstheorie vorgenommen hatte) hindert uns nach Hayeks Auffassung daran, den Wettbewerb ernsthaft zu analysieren. Hayek definierte Wettbewerb als „das Bestreben, das zu erlangen, was ein anderer zur gleichen Zeit zu erreichen versucht.“ Hayek erklärte:
Wie viele der im normalen Leben zu diesem Zweck eingesetzten Mittel stünden einem verkaufenden Unternehmen auf einem Markt mit so genanntem „perfektem Wettbewerb“ noch zur Verfügung? Ich glaube, die exakte Antwort heißt: gar keine. Werbung, Preisunterbietung und die Verbesserung („Differenzierung“) der produzierten Waren oder Dienstleistungen sind per Definition ausgeschlossen—„perfekter“ Wettbewerb bedeutet in der Tat das Fehlen jeglicher Wettbewerbsaktivitäten. (The Meaning of Competition, 1946)
Der Vorteil des Kapitalismus lag für Hayek darin, dass er die richtigen Informationen an die richtigen Leute weitergibt. Im Jahr 1945 schrieb er:
Welches der beiden Systeme [zentrale Planung oder Wettbewerb] wahrscheinlich effizienter ist, hängt hauptsächlich von der Frage ab, unter welchem System wir erwarten können, das vorhandene Wissen besser zu nutzen. Dies wiederum hängt davon ab, ob es eher gelingt, das gesamte Wissen, das genutzt werden soll und das zunächst auf viele verschiedene Individuen verteilt ist, einer einzigen zentralen Instanz zur Verfügung zu stellen, oder den Individuen das zusätzliche Wissen zu vermitteln, das sie benötigen, um ihre Pläne mit denen anderer zu verzahnen. (The Use of Knowledge in Society, 1945)
Hayeks herausfordernde Ideen und ihre Anwendung werden auch heute noch heftig diskutiert.2
- exogen
- Von außerhalb des Modells kommend und nicht durch die Funktionsweise des Modells selbst erzeugt. Siehe auch: endogen.
- endogen
- Wird durch die Funktionsweise eines Modells erzeugt und kommt nicht von außerhalb des Modells. Siehe auch: exogen.
In Einheit 8 wurde das Konzept des Marktgleichgewichts eingeführt, das heißt eine Situation, in der die Handlungen der Kaufenden und Verkaufenden einer Ware keine Tendenz zur Änderung ihres Preises oder der gehandelten Menge haben und es zur Markträumung kommt. Wir haben gesehen, dass Veränderungen von außen, so genannte exogene Schocks, wie ein Anstieg der Nachfrage nach Brot oder eine neue Steuer, das Gleichgewicht von Preis und Menge verändern.
Das Gegenteil von exogen ist endogen, das heißt „von innen kommend“ und durch die Funktionsweise des Modells selbst bedingt. In dieser Einheit werden wir untersuchen, wie sich Preise und Mengen durch endogene Reaktionen auf exogene Schocks und den realen Wettbewerb verändern, den Hayek im Modell des Marktgleichgewichts vermisste. Wir werden sehen, dass das Rent-Seeking-Verhalten von Marktteilnehmenden zur Markträumung führen kann, Märkte auf lange Frist in unterschiedliche Gleichgewichte verschieben kann, Blasen und Crashs verursacht oder zur Entwicklung von Sekundärmärkten als Reaktion auf Preisbindungen führt.
Frage 11.1 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 11.1 zeigt, wie die Verhandlungsmacht die Preise auf den Märkten in Kerala am 14. Januar 1997 beeinflusste. Was können wir aus diesen Informationen schließen?
- Der Fischpreis ist auf allen Märkten mit Angebotsüberhang gleich Null.
- Der Durchschnittspreis auf den Märkten mit Nachfrageüberhang beträgt 9,3, dabei gilt: je höher der Nachfrageüberhang, desto höher der Preis.
- Das Gesetz des einheitlichen Preises ist nicht erfüllt, da der Fisch an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Preisen verkauft wird.
- Bei einem Angebotsüberhang ist der Preis gleich Null. Die Kaufenden haben die gesamte Verhandlungsmacht, während die Verkaufenden keine haben.
11.1 Um Renten zu erzielen ändern Menschen die Preise und führen so zu einem Marktgleichgewicht
Als Lincolns Entscheidung, die Häfen im Süden zu blockieren, zu einer drastischen Verknappung des Baumwollangebots auf dem Weltmarkt führte (Einheit 8), erkannten einige Menschen die Möglichkeit, von Preisänderungen zu profitieren. Diese Preisänderungen wiederum signalisierten an die Produzierenden und Verbrauchenden in aller Welt, ihr Verhalten zu ändern.
Die Blockade war ein exogener Schock, der das Gleichgewicht auf dem Markt veränderte. In einem Marktgleichgewicht finden alle Geschäfte zum gleichen Preis (dem Gleichgewichtspreis) statt, wobei die Kaufenden und Verkaufenden preisnehmend sind. Eine exogene Verschiebung von Angebot oder Nachfrage bedeutet, dass sich der Preis ändern muss, damit der Markt das neue Gleichgewicht erreicht. Das folgende Beispiel zeigt, wie dies geschehen kann.
Abbildung 11.2 zeigt das Marktgleichgewicht auf einem Markt für Hüte. Bei Punkt A gleicht der Gleichgewichtspreis die Anzahl der von den Verbrauchenden nachgefragten Hüte mit der Anzahl der von den Verkaufenden produzierten und verkauften Hüte aus. Bei diesem Punkt kann niemand einen Vorteil daraus ziehen, einen anderen Preis anzubieten oder zu verlangen, da alle anderen einen anderen Preis anbieten oder verlangen—es handelt sich um ein Nash-Gleichgewicht. Folgen Sie den Schritten in Abbildung 11.2, um zu sehen, wie ein Anstieg der Nachfrage nach Hüten den Verkaufenden die Möglichkeit gibt, zu profitieren.
Bei dem ursprünglichen Punkt des Marktgleichgewichts (A) betrug der Preis 8 USD, und alle Kaufenden und Verkaufenden verhielten sich als preisnehmende Personen. Wenn die Nachfrage steigt, wissen die Kaufenden oder Verkaufenden nicht sofort, dass der Gleichgewichtspreis auf 10 USD gestiegen ist. Wenn alle preisnehmende Personen blieben, würde sich der Preis nicht ändern. Aber wenn sich die Nachfrage ändert, werden einige der Kaufenden oder Verkaufenden erkennen, dass sie davon profitieren können, wenn sie preissetzende Personen sind, und beschließen, einen anderen Preis zu verlangen als die anderen.
Zum Beispiel, wenn eine verkaufende Person feststellt, dass die Kundschaft jeden Tag Hüte kaufen will, aber keine mehr im Regal stehen, erkennt sie, dass einige der Kundinnen und Kunden gerne mehr als den üblichen Preis bezahlt hätten, und dass einige, die den üblichen Preis für ihren Hut bezahlt haben, bereit gewesen wären, mehr zu zahlen. Die verkaufende Person wird also am nächsten Tag ihren Preis erhöhen (sie wird zur preissetzenden Person)—den Preis zu übernehmen ist nicht mehr die beste Strategie. Sie weiß nicht genau, wo die neue Nachfragekurve verläuft, aber sie kann nicht übersehen, dass die Leute, die Hüte kaufen wollen, enttäuscht nach Hause gehen.
Indem sie den Preis erhöht, steigert sie ihre Gewinnrate und erzielt (zumindest vorübergehend) eine ökonomische Rente—das heißt, sie erzielt höhere Gewinne, als für die Aufrechterhaltung ihres Hutgeschäfts erforderlich sind. Da ihr Preis nun ihre Grenzkosten übersteigt, wird sie außerdem mehr Hüte produzieren und verkaufen. Das Gleiche gilt für andere Verkaufende, die mit höheren Preisen und Produktionsergebnissen experimentieren werden.
Infolge des Rent-Seeking-Verhaltens der Verkaufenden passt sich die Industrie an das neue Gleichgewicht bei Punkt C in Abbildung 11.2 an. Bei diesem Punkt kommt es wieder zur Markträumung, das Angebot entspricht der Nachfrage, und niemand der Verkaufenden oder Kaufenden kann davon profitieren, einen anderen Preis als 10 USD zu verlangen. Alle werden wieder preisnehmend, bis die nächste Änderung des Angebots oder der Nachfrage eintritt.
Wenn sich ein Markt nicht im Gleichgewicht befindet, können sowohl die Kaufenden als auch die Verkaufenden als preissetzende Personen auftreten und zu einem anderen Preis als dem bisherigen Gleichgewichtspreis handeln. Gehen wir vom ursprünglichen Gleichgewicht aus und nehmen wir den umgekehrten Fall eines Rückgangs der Nachfrage nach Hüten an, so entsteht ein Angebotsüberhang zum aktuellen Preis von 8 USD. Die Kundschaft bei A könnte zu der verkaufenden Person sagen: „Wie ich sehe, stapeln sich in ihrem Regal noch einige unverkaufte Hüte. Ich würde gerne einen davon für 7 USD kaufen.“ Für die kaufende Person wäre das ein Schnäppchen. Aber auch für die verkaufende Person ist es ein gutes Geschäft, denn bei dem geringeren Verkäufen sind 7 USD immer noch höher als ihre Grenzkosten für die Produktion des Hutes.
Marktgleichgewicht durch Rent-Seeking
- Ungleichgewichtsrente
- Die ökonomische Rente, die entsteht, wenn sich ein Markt nicht im Gleichgewicht befindet, zum Beispiel bei Nachfrageüberhang oder Angebotsüberhang auf einem Markt für eine Ware oder Dienstleistung. Im Gegensatz dazu werden Renten, die im Gleichgewicht entstehen, Gleichgewichtsrenten genannt.
Das Beispiel der Hüte veranschaulicht, wie sich Märkte durch das Streben nach ökonomischen Renten im Ungleichgewicht an das Gleichgewicht anpassen:
- Wenn sich ein Markt im Marktgleichgewicht befindet: Bei einer exogenen Änderung der Nachfrage oder des Angebots kommt es entweder zu einem Nachfrage- oder einem Angebotsüberhang bei dem ursprünglichen Preis.
- Dann gibt es potenzielle Renten: Einige Kaufende sind bereit, Preise zu zahlen, die vom ursprünglichen Preis abweichen, aber über den Grenzkosten für die verkaufende Person liegen.
- Während der Markt im Ungleichgewicht ist: Die Kaufenden und Verkaufenden können diese Renten erzielen, indem sie zu unterschiedlichen Preisen handeln. Sie werden preissetzend.
- Dieser Prozess setzt sich fort, bis sich ein neues Marktgleichgewicht einstellt: An diesem Punkt gibt es keinen Nachfrage- oder Angebotsüberhang, und die Kaufenden und Verkaufenden sind wieder preisnehmend.
- Innovationsrenten
- Gewinne, die über die Opportunitätskosten des Kapitals hinausgehen, die ein:e Innovator:in durch die Einführung einer neuen Technologie, Organisationsform oder Marketingstrategie erzielt. Auch bekannt als: Schumpetersche Renten.
Man beachte, dass das Marktgleichgewicht durch Rent-Seeking dem Prozess der technologischen Verbesserung durch Rent-Seeking ähnelt, der in Einheit 2 modelliert wurde. Dort bestand die exogene Veränderung in der Möglichkeit, eine neue Technologie einzuführen. Das erste Unternehmen, das dies tat, erzielte Innovationsrenten: Gewinne, die über die normale Gewinnrate hinausgingen. Dieser Prozess ging so lange weiter, bis die Innovation in der Industrie weit verbreitet war und sich die Preise so angepasst hatten, dass keine Innovationsrenten mehr zu erzielen waren.
Einstein Gleichgewicht durch Rent-Seeking in einem experimentellen Markt
Um festzustellen, ob sich Preise tatsächlich anpassen, damit Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht sind, haben Ökonominnen und Ökonomen haben das Verhalten von Kaufenden und Verkaufenden in Laborexperimenten untersucht. Im ersten Experiment dieser Art, das 1948 durchgeführt wurde, gab Edward Chamberlin jedem Mitglied einer Gruppe von Studierenden in Harvard eine Karte, auf der sie als „Kaufende“ oder „Verkaufende“ gekennzeichnet wurden und auf der ihre Zahlungsbereitschaft oder ihr Reservationspreis in Dollar angegeben war. Sie konnten dann untereinander verhandeln, und Chamberlin zeichnete die stattgefundenen Transaktionen auf. Er stellte fest, dass die Preise tendenziell niedriger und die Zahl der Abschlüsse höher waren als die Werte im theoretischen Gleichgewicht. Chamberlin wiederholte das Experiment jedes Jahr. Einer der Studierenden, die 1952 an dem Experiment teilnahmen, Vernon Smith, führte später seine eigenen Experimente durch und erhielt dafür den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften.
Smith änderte die Spielregeln, sodass die Teilnehmenden mehr Informationen über das Geschehen hatten: Die Kaufenden und Verkaufenden riefen Preise aus, die sie bereit waren, anzubieten oder zu akzeptieren. Wenn jemand einem vorgeschlagenen Geschäft zustimmte, kam eine Transaktion zustande und die beiden Teilnehmenden schieden aus dem Markt aus. Seine zweite Modifikation bestand darin, das Spiel mehrmals zu wiederholen, wobei die Teilnehmenden in jeder Runde die gleiche Karte behielten.
Abbildung 11.3 zeigt seine Ergebnisse. Es gab 11 Verkaufende mit Reservationspreisen zwischen 0,75 USD und 3,25 USD und 11 Kaufende mit einer Zahlungsbereitschaft im gleichen Bereich. Das Diagramm zeigt die entsprechenden Angebots- und Nachfragefunktionen. Sie sehen, dass im Gleichgewicht sechs Transaktionen zu einem Preis von 2 USD stattfinden werden. Aber das wussten die Teilnehmenden nicht, da sie den Preis auf der Karte der anderen nicht kannten. Auf der rechten Seite des Diagramms sehen Sie den Preis für jede Transaktion, die stattgefunden hat. In der ersten Periode gab es fünf Transaktionen, alle zu Preisen unter 2 USD. Aber in der fünften Periode lagen die meisten Preise sehr nahe bei 2 USD, und die Anzahl der Transaktionen entsprach der Gleichgewichtsmenge.
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Abbildung 11.3 Die experimentellen Ergebnisse von Vernon Smith.
Vernon L. Smith. 1962. ‘An Experimental Study of Competitive Market Behavior’. Journal of Political Economy 70 (3) (January): p. 322.
Smiths Experiment liefert eine gewisse Unterstützung für die Anwendung des Modells des Marktgleichgewichts zur Beschreibung von Märkten, in denen die Waren identisch sind–es gibt genügend Kaufende und Verkaufende, und sie sind gut über die Transaktionen der Anderen informiert. Das Ergebnis lag schon in der ersten Periode nahe am Gleichgewicht und näherte sich diesem in den folgenden Perioden schnell an, da die Teilnehmenden mehr über Angebot und Nachfrage erfuhren. Das Modell des Wettbewerbs erfasst nicht das Rent-Seeking-Verhalten während der Anpassungsperioden des Experiments, aber es sagt das letztendliche Ergebnis, das Gleichgewicht bei dem die Marktteilnehmenden preisnehmend sind, korrekt voraus.
Übung 11.1 Ein Angebotsschock und die Anpassung an einen neuen Markt
Betrachten Sie einen Markt, auf dem Bäckereien Brot an die Gastronomie liefern. Für die Bäckerein wird eine neue Technologie verfügbar, wodurch sich die Angebotskurve, wie in der Abbildung dargestellt, verschiebt.
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- Erklären Sie, warum die Bäckereien ihren Absatz steigern wollen. Warum können sie dies nicht zu dem ursprünglichen Preis tun?
- Beschreiben Sie, wie die Maßnahmen der Bäckereien die Industrie auf ein neues Gleichgewicht einstellen könnten.
- Ist es immer die verkaufende Person, die von den ökonomischen Renten profitiert, die entstehen, wenn sich der Markt im Ungleichgewicht befindet?
- Welche Maßnahmen könnte die Gastronomie ergreifen, wenn sich der Markt nicht im Gleichgewicht befindet?
Übung 11.2 Baumwollpreise und der amerikanische Bürgerkrieg
Lesen Sie die Einleitung zu Einheit 8 und den Kasten „Große Ökonominnen und Ökonomen“ über Friedrich Hayek in dieser Einheit. Verwenden Sie das Modell von Angebot und Nachfrage, um Folgendes darzustellen:
- Den Anstieg des Preises für US-Rohbaumwolle (zeigen Sie den Markt für US-Rohbaumwolle, einen Markt mit vielen Produzierenden und Kaufenden.)
- Der Anstieg des Preises für indische Baumwolle (zeigen Sie den Markt für indische Rohbaumwolle, einen Markt mit vielen Produzierenden und Kaufenden.)
- Die Verringerung des Produktionsergebnisses in einer englischen Textilfabrik (zeigen Sie ein einzelnes Unternehmen auf einem Wettbewerbsmarkt).
Geben Sie in jedem Fall an, welche Kurve(n) sich verschieben und erklären Sie das Ergebnis.
Frage 11.2 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 11.2 zeigt den Markt für Hüte vor und nach einer Nachfrageverschiebung. Welche der folgenden Aussagen sind auf der Grundlage dieser Informationen richtig?
- Die Verkaufenden würden ihre Verkäufe nicht über A bei 8 USD hinaus steigern, da ihre Grenzkosten höher als 8 USD wären.
- Die Anpassung erfordert die Änderung von Preisen und Mengen. Rent-Seeking schafft Anreize für die Kaufenden und Verkaufenden, diese Änderungen vorzunehmen.
- Bis das neue Gleichgewicht erreicht ist, können die Kaufenden und Verkaufenden Gelegenheiten finden, von Transaktionen zu unterschiedlichen Preisen zu profitieren.
- Im neuen Gleichgewicht gilt das Gesetz des einheitlichen Preises, und das Angebot ist gleich der Nachfrage (an der neuen Nachfragekurve). Der Preis wird 10 USD betragen.
11.2 Wie die Organisation des Marktes die Preise beeinflussen kann
Sowohl soziale Interaktionen als auch die Organisation des Marktes können einen starken Einfluss auf die Preise haben. Daten von Fischmärkten (die sich gut zum Vergleich eignen, weil Fische relativ homogen sind) zeigen, wie einflussreich beide Faktoren sein können.
An der Ostküste Italiens verwendet der Fischmarkt von Ancona eine sogenannte niederländische Auktion. Wenn eine Fischkiste über ein Förderband läuft, zeigt ein Bildschirm den Anfangspreis der Kiste an. Dieser Preis sinkt schrittweise, bis jemand auf einen Knopf drückt, um die Kiste zu kaufen. Auf drei aktiven Bändern finden alle vier Sekunden Transaktionen statt, und jährlich wird Fisch im Wert von 25 Millionen Euro verkauft. Eine Auktionärin oder ein Auktionär legt die Anfangspreise fest, und die kaufenden Personen, die Supermärkte und Restaurants vertreten, wetteifern um den Endpreis.
Auf dem Fischmarkt von Marseille wird ein anderes System angewandt. Die Verkaufenden vereinbaren mit jeder kaufenden Person, die sich ihrem Stand nähert, einen Preis. Dies wird als paarweiser Handel bezeichnet. Wenn Paul ein Verkäufer ist und der Käufer George an seinen Stand kommt, um eine Kiste Sardinen zu kaufen, bietet Paul ihm einen Preis an. Dieser Preis kann sich von dem Preis unterscheiden, den Paul der nächsten kaufenden Person anbietet. Es wird nur minimal gefeilscht, aber George steht es frei, den Preis abzulehnen und eine andere verkaufende Person zu suchen.
Auf dem Markt von Marseille variieren die Preise für denselben Fisch für verschiedene kaufende Personen um bis zu 30 %. Eine einzelne kaufende Person kann für ein und denselben Fisch sehr unterschiedliche Beträge zahlen. Trotzdem ergibt sich auf dem gesamten Markt das typische, abwärts gerichtete Verhältnis zwischen Preis und Menge.
- Preisdiskriminierung
- Eine Verkaufsstrategie, bei der für verschiedene Personen oder Personengruppen unterschiedliche Preise festgesetzt werden oder die Preise in Abhängigkeit von der Anzahl der gekauften Einheiten variieren.
Alan Kirman hat Daten zur Loyalität der Kaufenden verwendet, um diese Art der Preisdiskriminierung zu erklären. Der Markt von Marseille besteht aus etwa 45 Verkaufenden und 500 Kaufenden, von denen viele, wie in Ancona, Einzelhändler:innen sind. Einige Kaufende sind bestimmten Fischhändler:innen sehr treu, während andere auf dem Markt zirkulieren. Die treuere Kundschaft zahlt etwas höhere Preise als die weniger treue. Kirmans Daten zeigen, dass diese Regelung zu höheren Gewinnen für die Verkaufenden und zu höheren Zahlungen für 90 % der treuen Kundschaft geführt hat.
Wie ist das zu verstehen? Der Erfolg der Kaufenden ergibt sich sowohl aus dem Preis als auch aus der Deckung der Nachfrage. Stellen Sie sich vor, Sie sind eine kaufende Person. An Ihrem ersten Tag auf dem Markt von Marseille kaufen Sie mit gleicher Wahrscheinlichkeit bei jeder oder jedem der Fischhändler:innen. Sie kaufen Kabeljau bei Sarah und Ihr Supermarkt macht einen Gewinn, sodass Sie am nächsten Tag mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder zu Sarah gehen. Auf diese Weise beeinflussen Ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit Ihre aktuellen Entscheidungen.
Nachdem Sie einige Zeit bei Sarah eingekauft haben, fängt sie an, Ihnen den Kabeljau vor ihrer anderen Kundschaft zu servieren, um Sie für Ihre Treue zu belohnen. Sie kaufen also weiterhin bei Sarah, weil Sie mit größerer Wahrscheinlichkeit die ganzen Fische bekommen, die Sie haben möchten. Die Vorteile einer treuen Kundschaft werden besonders deutlich, wenn das Wetter die Menge des verfügbaren Fisches begrenzt.
Stellen Sie sich nun vor, Sie wären die Fischhändlerin oder der Fischhändler. Der Erfolg für Verkaufende ergibt sich aus den Gewinnen und dem vollständigen Verkauf ihres Angebots. Je größer Ihre treue Kundschaft ist, desto zuverlässiger sind Ihre Einnahmen und desto genauer sind Ihre Vorhersagen für die Nachfrage.
Wenn Sie der treuen Kundschaft den Vorzug vor anderen geben—vielleicht, indem Sie sie zuerst bedienen—, verbessern Sie deren Kauferfahrung, sodass sie mit größerer Wahrscheinlichkeit wiederkommen werden. Mit der Zeit wird diese Kundschaft so treu, dass sie trotz einer kleinen Preiserhöhung bei Ihnen bleibt.
Auf diese Weise beeinflussen individuelle Beziehungen und frühere Erfahrungen die Preise. Das paarweise Handeln ermöglicht es, dass die Loyalität der Kundschaft einen starken Einfluss auf die Preise des Marktes von Marseille hat.
Bemerkenswerterweise geschieht etwas sehr Ähnliches im Markt von Ancona, der von Mauro Gallegati und seinen Co-Autor:innen untersucht worden ist. Abbildung 11.4 zeigt, dass einige einzelne Kaufende auf diesem Markt ein sehr atypisches Preis-Mengen-Verhältnis aufweisen. Wie aus Abbildung 11.5 hervorgeht, ist die aggregierte Preis-Mengen-Beziehung erwartungsgemäß fallend. Auch ohne persönliche Interaktion gibt es eine Loyalität der Kaufenden, wobei einige eher den Fisch von bestimmten Schiffen kaufen. Anders als auf dem Markt von Marseille zahlen viele dieser treuen Kundschaft jedoch niedrigere Preise als die der weniger treuen. Das ist rätselhaft, da es keinen persönlichen Kontakt zwischen den Kaufenden und Verkaufenden gibt. Die Forscher:innen glauben, dass dies auf einen komplexen Lernprozess zurückzuführen ist.
Eine weitere bemerkenswerte Tatsache auf dem Markt von Ancona ist, dass die Preise tagsüber fallen. Warum warten die Kaufenden in diesem Fall nicht einfach auf bessere Preise? Auch hier müssen wir in Betracht ziehen, dass wenn die Kaufenden bis zum späten Abend warten, es wahrscheinlicher ist, dass sie den gewünschten Fisch nicht kaufen können. Viele Kaufende sind möglicherweise nicht bereit, dieses Risiko einzugehen, und zahlen höhere Preise, um sicherzustellen, dass sie ihren Fisch bekommen. Entsprechend dieser Überlegung steigen die Preise am Ende des Tages stark an, wenn das Gesamtangebot gering ist.
Die Preise ergeben sich letztlich aus den Interessen und Beziehungen zwischen den Kaufenden und Verkaufenden. Die Organisation des Marktes bestimmt genau, wie diese Beziehungen die Preise beeinflussen.
Abbildung 11.4 Der Preis-Mengen-Zusammenhang für eine einzelne kaufende Person auf dem Fischmarkt von Ancona.
Mauro Gallegati, Gianfranco Giulioni, Alan Kirman, und Antonio Palestrini. 2011. ‘What’s that got to do with the price of fish? Buyers behavior on the Ancona fish market’. Journal of Economic Behavior & Organization 80 (1) (September): pp. 20–33.
Abbildung 11.5 Der aggregierte Preis-Mengen-Zusammenhang auf dem Markt von Ancona.
Mauro Gallegati, Gianfranco Giulioni, Alan Kirman, und Antonio Palestrini. 2011. ‘What’s that got to do with the price of fish? Buyers behavior on the Ancona fish market’. Journal of Economic Behavior & Organization 80 (1) (September): pp. 20–33.
11.3 Kurzfristige und langfristige Gleichgewichte
Bei der Modellierung des Gleichgewichts auf dem Markt für Brot in Einheit 8 haben wir angenommen, dass es in der Stadt eine feste Anzahl von Bäckereien (50) gibt. Wir berechneten die Angebotskurve der Industrie, indem wir die Brotmengen addierten, die jede Bäckerei zu einem jeweiligen Preis liefern würde, und ermittelten dann den Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge.
Wir haben aber auch gesehen, dass die Bäckereien bei diesem Gleichgewichtspreis Renten erwirtschafteten (ihre wirtschaftlichen Gewinne waren größer als Null), was anderen Unternehmen die Möglichkeit bot, von einem Markteintritt zu profitieren. Durch den Eintritt neuer Unternehmen würde sich das Angebot auf dem Markt verschieben, was zu einem neuen Gleichgewicht führen würde. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Rent-Seeking einen Markt auf lange Frist in ein anderes Gleichgewicht bringen kann.
- kurzfristiges Gleichgewicht
- Ein Gleichgewicht, das herrscht, solange bestimmte Variablen (zum Beispiel die Anzahl der Unternehmen auf einem Markt) konstant bleiben. Bei dem wir aber erwarten, dass sich diese Variablen ändern, wenn die Menschen Zeit haben, auf die Situation zu reagieren.
- langfristiges Gleichgewicht
- Ein Gleichgewicht, das erreicht wird, wenn Variablen, die kurzfristig konstant gehalten wurden (zum Beispiel die Anzahl der Unternehmen auf einem Markt), sich anpassen können, da die Menschen Zeit haben, auf die Situation zu reagieren.
Abbildung 11.6 zeigt das Gleichgewicht des Brotmarktes mit 50 Bäckereien bei Punkt A im rechten Bild: 5000 Brote werden für je 2 EUR verkauft. Das linke Feld zeigt die Isogewinnkurve und die Grenzkostenkurve für jede Bäckerei (unter der Annahme, dass alle Bäckereien identisch sind) und den Punkt, an dem sie produziert, wenn der Preis 2 EUR beträgt: Sie produziert 100 Brote (wobei der Preis den Grenzkosten entspricht). Bei A liegt sie über der Kurve der Durchschnittskosten und erwirtschaftet einen positiven wirtschaftlichen Gewinn.
Das Gleichgewicht des Marktes bei Punkt A wird als kurzfristiges Gleichgewicht bezeichnet. Der Ausdruck „kurzfristig“ wird verwendet, um darauf hinzuweisen, dass wir momentan etwas konstant halten, obwohl es sich zukünftig ändern könnte. In diesem Fall heißt das, dass Punkt A das Gleichgewicht ist, während die Anzahl der Unternehmen auf dem Markt konstant bleibt. Da die Unternehmen jedoch Renten erzielen, ist nicht zu erwarten, dass diese Situation von Dauer ist. Folgen Sie den Schritten, um zu sehen, was auf längere Frist passiert.
Wenn das langfristige Gleichgewicht bei Punkt C erreicht ist, entspricht der Brotpreis sowohl den Grenz- als auch den Durchschnittskosten (P = GK = TDK), und der wirtschaftliche Gewinn jeder Bäckerei ist gleich Null.
Auf lange Frist sind die auf dem Brotmarkt zu erzielenden Gewinne nicht höher als die Gewinne, die potenzielle Eigentümer:innen von Bäckereien erzielen könnten, wenn sie ihr Vermögen anderweitig einsetzen würden. Und wenn Eigentümer:innen durch eine anderweitige Nutzung ihrer Geschäftsräume (oder durch deren Verkauf und Investitionen in ein anderes Unternehmen) bessere Ergebnisse erzielen könnten, würden wir erwarten, dass sie dies tun. Zwar würde niemand mehr als normale Gewinne erzielen, aber es sollte auch niemand weniger als normale Gewinne erwirtschaften.
Anhand der Abbildung 11.6 können wir berechnen, wie viele Bäckereien es im langfristigen Gleichgewicht geben wird. Das linke Feld zeigt, dass der Preis 1,52 EUR betragen muss, denn das ist der Punkt auf der Angebotskurve des Unternehmens, an dem das Unternehmen normale Gewinne erzielt (P = GK = TDK), und jede Bäckerei produziert 66 Brote. Aus der Nachfragekurve auf der rechten Seite lässt sich ableiten, dass bei diesem Preis 6500 Brote verkauft werden. Die Anzahl der Bäckereien auf dem Markt muss also 6500/66 = 98 betragen.
Beachten Sie, dass sich das kurzfristige und das langfristige Gleichgewicht unterscheiden. Auf kurze Frist ist die Zahl der Unternehmen exogen—das heißt sie bleibt konstant bei 50. Auf lange Frist kann sich die Zahl der Bäckereien durch das endogene Rent-Seeking der Unternehmen ändern. Die Anzahl der Unternehmen im langfristigen Gleichgewicht ist endogen— sie wird durch das Modell bestimmt.
Die Konzepte der kurz- und langfristigen Gleichgewichte haben nicht viel mit bestimmten Zeiträumen zu tun, außer dass sich einige Variablen (zum Beispiel der Marktpreis und die von einzelnen Unternehmen produzierte Menge) schneller anpassen können als andere (zum Beispiel die Zahl der an einem Markt teilnehmenden Unternehmen). Was wir also unter kurz- und langfristig verstehen, hängt vom jeweiligen Modell ab. Das kurzfristige Gleichgewicht ist erreicht, wenn alle das Bestmögliche aus der Anpassung der leicht anpassbaren Variablen herausgeholt haben, während die anderen konstant bleiben. Das langfristige Gleichgewicht ist erreicht, wenn sich auch die anderen Variablen angepasst haben.
Kurzfristige und langfristige Elastizitäten
Erinnern Sie sich an Einheit 8: Wenn die Nachfrage nach einem Gut steigt, hängt der Anstieg der verkauften Menge von der Elastizität der Angebotskurve (das heißt, der Grenzkostenkurve) ab. Wenn also die Nachfrage nach Brot steigt, bedeutet eine steile (unelastische) Angebotskurve, dass der Brotpreis kurzfristig stark ansteigt, während die Anzahl der Bäckereien konstant bleibt und die Menge relativ wenig steigt. Längerfristig führt dies jedoch dazu, dass mehr Bäckereien hinzukommen, sodass der Preis fällt und die Menge deutlicher steigt. Das heißt, dass aufgrund der Möglichkeit des Ein- und Austritts von Unternehmen das Angebot an Brot auf lange Frist elastischer ist.
Die Unterscheidung zwischen der kurzen und langen Frist findet in vielen ökonomischen Modellen Anwendung. Neben der Anzahl der Unternehmen in einer Industrie gibt es viele andere wirtschaftliche Variablen, die sich langsam anpassen, und es ist sinnvoll, zwischen dem zu unterscheiden, was vor und nach der Anpassung geschieht.
Im nächsten Abschnitt werden wir ein weiteres Beispiel sehen: Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Öl sind auf lange Frist elastischer, weil die Produzierenden neue Ölquellen erschließen können und die Verbrauchenden auf andere Kraftstoffe für Autos oder Heizungen umsteigen können. Auf kurze Frist ist in diesem Fall der Zeitraum gemeint, in dem die Unternehmen durch ihre vorhandenen Produktionskapazitäten und die Verbrauchenden durch die Autos und Heizgeräte, die sie derzeit besitzen, begrenzt sind.
Frage 11.3 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 11.6 zeigt den Markt für Brot auf kurze Frist mit 50 Bäckereien und auf lange Frist, wenn weitere Bäckereien hinzukommen können. Alle Bäckereien sind identisch. Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Die Angebotskurve der einzelnen Bäckereien bleibt gleich. Das heißt, die Angebotskurve des Marktes verschiebt sich.
- A und B können nur kurzfristige Gleichgewichte für eine bestimmte Anzahl von Bäckereien sein. Die ökonomische Rente wird weitere Bäckereien zum Markteintritt motivieren.
- Es werden nicht mehr Bäckereien einsteigen, weil der Preis dann unter die Durchschnittskosten fallen würde und sie einen Verlust machen würden.
- Bei C erwirtschaften die Bäckereien normale Gewinne, sodass es keinen Grund gibt, den Markt zu verlassen.
11.4 Preise, Rent-Seeking und Marktdynamiken in der Praxis: Ölpreise
Abbildung 11.7 zeigt den realen Ölpreis auf dem Weltmarkt (in konstanten US-Dollar von 2014) und die weltweit verbrauchte Gesamtmenge von 1861 bis 2021. Um zu verstehen, was die großen Schwankungen des Ölpreises antreibt, können wir unser Angebots- und Nachfragemodell verwenden, wobei wir zwischen kurzer und langer Frist unterscheiden.
Abbildung 11.7 Weltölpreise zu konstanten Preisen (1861–2021) und der weltweite Ölverbrauch (1965–2020).
BP. (2021) BP Statistical Review of World Energy 2021.
Wir wissen, dass Preise Knappheit widerspiegeln. Wenn ein Gut knapper wird oder teurer zu produzieren ist, sinkt das Angebot und tendenziell steigt der Preis. Seit mehr als 60 Jahren sagen Analystinnen und Analysten der Ölindustrie voraus, dass die Nachfrage bald das Angebot übersteigen wird: Die Produktion würde einen Höchststand erreichen und die Preise würden dann steigen, da die weltweiten Reserven abnehmen. Das „globale Ölfördermaximum“ ist in Abbildung 11.7 nicht zu erkennen. Ein Grund dafür ist, dass steigende Preise Anreize für weitere Explorationen bieten. Zwischen 1981 und 2014 wurden mehr als 1000 Milliarden Barrel gefördert und verbraucht, doch die weltweiten Reserven an Öl haben sich von rund 680 Milliarden Barrel auf 1700 Milliarden Barrel mehr als verdoppelt.
Im 21. Jahrhundert sind die Preise stark gestiegen, und aufgrund der abnehmenden Preise nach 2010, gehen immer mehr Analystinnen und Analysten davon aus, dass zumindest das konventionelle Öl seinen Höhepunkt bereits erreicht hat. Jedoch werden jetzt auch unkonventionelle Ressourcen wie Schieferöl genutzt. Vielleicht wird es eher die Klimapolitik als die Erschöpfung der Ressourcen sein, die den Konsum von Erdöl letztlich eindämmen wird.3 4
Was die Preisaussagen in Abbildung 11.7 schwer lesbar macht, sind die starken Ausschläge von Hoch zu Tief und wieder zurück innerhalb kurzer Zeiträume. Diese Schwankungen lassen sich nicht durch einen Blick auf die Reserven erklären, denn sie spiegeln eine kurzfristige Knappheit wider. Sowohl Angebot als auch Nachfrage sind kurzfristig unelastisch.
Kurzfristiges Angebot und kurzfristige Nachfrage
Auf der Nachfrageseite werden Erdölerzeugnisse vor allem im Transportwesen (Luft-, Straßen- und Seeverkehr) eingesetzt. Auf kurze Frist ist die Nachfrage wegen der begrenzten Substitutionsmöglichkeiten unelastisch. Selbst wenn beispielsweise die Benzinpreise erheblich steigen, werden die meisten Pendler:innen aufgrund mangelnder Alternativen, die ihnen unmittelbar zur Verfügung stehen, kurzfristig weiterhin ihr vorhandenes Auto für die Fahrt zur Arbeit nutzen. Die kurzfristige Nachfragekurve ist also steil.
- Oligopol
- Ein Markt mit einer kleinen Anzahl von Unternehmen, der jedem Unternehmen eine gewisse Marktmacht verleiht.
Herkömmliche Technologien zur Ölförderung zeichnen sich durch hohe Vorausinvestitionen in teure Ölbohrungen aus, deren Bau viele Monate oder sogar länger dauern kann, und die so lange pumpen können (wenn sie einmal in Betrieb sind), bis die Bohrung erschöpft ist oder das Öl nicht mehr gewinnbringend gefördert werden kann. Sobald die Bohrung gemacht ist, sind die Kosten für die Ölförderung relativ gering, aber die Ölmenge ist begrenzt—die Produzierenden können nur eine bestimmte Anzahl von Barrel pro Tag aus einem Bohrloch gewinnen. Das bedeutet, dass wir, wenn wir die vorhandenen Kapazitäten als kurzfristig fix betrachten, eine kurzfristige Angebotskurve zeichnen sollten, die zunächst niedrig und flach ist und dann sehr steil nach oben geht, wenn Kapazitätsbeschränkungen erreicht werden. Wir müssen auch die oligopolistische Struktur des Weltmarktes für Rohöl berücksichtigen. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ist ein Kartell mit einem Dutzend Mitgliedsländern, auf das derzeit etwa 40 % der Weltölproduktion entfallen. Die OPEC legt für ihre Mitglieder Produktionsmengen in Form von Quoten fest. In unserem Angebots- und Nachfragediagramm können wir dies durch eine flache Grenzkostenkurve darstellen, die bei der gesamten OPEC-Förderquote endet. An diesem Punkt wird die Linie vertikal. Das liegt nicht an Kapazitätsengpässen, sondern daran, dass die erdölproduzierenden Mitglieder der OPEC kein weiteres Öl mehr verkaufen werden.
Abbildung 11.8 setzt die Angebotskurve des Marktes zusammen, indem die Produktionsquoten der OPEC zu den Angebotskurven der Nicht-OPEC-Länder addiert werden (zur Erinnerung: Wir erhalten die Angebotskurven des Marktes, indem wir die von den einzelnen produzierenden Organisationen zu jedem Preis gelieferten Mengen addieren) und sie mit der Nachfragekurve kombinieren, um den Weltölpreis zu bestimmen.
Die Ölpreisschocks der 1970er Jahre
In den Jahren 1973 und 1974 verhängten die OPEC-Länder ein teilweises Ölembargo als Reaktion auf den Krieg im Nahen Osten von 1973 bis 1974. Außerdem sank in den Jahren 1979 und 1980 die Ölproduktion des Irans und des Iraks aufgrund der Versorgungsunterbrechungen nach der iranischen Revolution und dem Ausbruch des iranisch-irakischen Krieges. Dies wird in Abbildung 11.9 durch eine Linksverschiebung der weltweiten Angebotskurve SWelt dargestellt, die durch einen Rückgang der OPEC-Produktion auf Q′OPEC bedingt ist. Die Gesamtproduktion und der Konsum gehen zurück, aber da die Nachfrage sehr preisunelastisch ist, ist der prozentuale Anstieg des Preises viel größer als der prozentuale Rückgang der Menge. Das geht aus den Daten in Abbildung 11.7 hervor. Der Ölpreis (in US-Dollar 2014) steigt von 18 USD pro Barrel im Jahr 1973 auf 56 USD im Jahr 1974 und dann auf 106 USD im Jahr 1980, aber der Rückgang des weltweiten Ölverbrauchs nach diesen Schocks ist im Vergleich dazu gering (–2 % zwischen 1973 und 1975 und –10 % zwischen 1979 und 1983).
Abbildung 11.9 Die OPEC-Ölpreisschocks in den 1970er Jahren: Die OPEC senkt das Produktionsergebnis.
Der Ölpreisschock 2000–2008
- Einkommenselastizität der Nachfrage
- Die prozentuale Veränderung der Nachfrage, die bei einer Erhöhung des Einkommens um 1 % eintreten würde.
Die Jahre 2000 bis 2008 waren eine Zeit des raschen Wirtschaftswachstums in den Schwellenländern, insbesondere in China und Indien. Die Einkommenselastizität der Nachfrage nach Öl und Ölprodukten ist in diesen Ländern höher als in den entwickelten Volkswirtschaften, und die Nachfrage nach Autoeigentum und touristischen Flugreisen steigt mit zunehmendem Wohlstand relativ schnell an. Dieser Anstieg des Einkommens verschiebt die Nachfragekurve nach rechts, wie in Abbildung 11.10 dargestellt. In diesem Fall ist es die unelastische kurzfristige Angebotskurve für Öl, die für den starken Preisanstieg und den nur bescheidenen Anstieg des weltweiten Ölkonsums verantwortlich ist. Für den starken Preisrückgang im Jahr 2009 gibt es dieselbe Erklärung, allerdings in umgekehrter Richtung: Die Finanzkrise von 2008–9 führte zu einem negativen Nachfrageschock, der die Nachfragekurve nach links verschob, sodass der weltweite Konsum um etwa 3 % zurückging und der Rohölpreis von über 100 USD pro Barrel im Sommer 2008 auf 40–50 USD Anfang 2009 sank.
Abbildung 11.10 Die Ölpreisschocks von 2000–2008: Wirtschaftswachstum steigert die weltweite Nachfrage.
Übung 11.3 Der Weltmarkt für Öl
Verwenden Sie Abbildung 11.10:
- Erläutern Sie, was passiert, wenn das Wirtschaftswachstum die weltweite Nachfrage ansteigen lässt:
- kurzfristig
- langfristig, wenn produzierende Organisationen in neue Ölquellen investieren
- langfristig, wenn die Verbrauchenden Substitute für Öl finden
- Beschreiben Sie in ähnlicher Weise die kurz- und langfristigen Folgen eines negativen Angebotsschocks, der mit dem Schock der 1970er Jahre vergleichbar ist.
- Wenn Sie einen Ölpreisanstieg beobachten, woran könnten Sie grundsätzlich erkennen, ob er durch Entwicklungen auf der Angebotsseite oder auf der Nachfrageseite bedingt ist?
- Wie würden sich das Diagramm und die Reaktion auf die Schocks verändern, wenn es:
- ein Wettbewerbsmarkt mit vielen produzierenden Organisationen ist?
- eine einzelne produzierende Organisation mit Monopolstellung ist?
- ein OPEC-Kartell ist, das 100 % der weltweiten Ölproduktion kontrolliert und versucht, die gemeinsamen Gewinne seiner Mitglieder zu maximieren?
- Warum haben einzelne OPEC-Mitgliedsländer einen Anreiz, mehr als die ihnen zugewiesene Quote zu produzieren?
- Lässt sich diese Logik auf die Situation in der realen Welt übertragen, in der es auch Nicht-OPEC Produzierende gibt?
Übung 11.4 Die Schieferöl-Revolution
Eine wichtige Entwicklung in den letzten zehn Jahren war der Wiedereintritt der USA als wichtiger Ölproduzent, der durch die „Schieferöl-Revolution“ geschah. Schieferöl wird mit der Technologie des Hydraulic Fracturing oder durch das „Fracking“ gewonnen: Dabei wird eine Flüssigkeit mit hohem Druck in den Boden gepresst, um das Gestein aufzubrechen und das Öl zu gewinnen. In einer Rede mit dem Titel ‘The New Economics of Oil’ im Oktober 2015 erläuterte Spencer Dale, leitender Ökonom des Ölproduzenten BP plc, wie sich die Schieferölgewinnung von der herkömmlichen Gewinnung unterscheidet.
- Wie hat sich laut Dale die Schieferöl-Revolution auf den weltweiten Markt für Öl ausgewirkt?
- Wie wird sich der Weltmarkt für Öl in Zukunft verändern?
- Erklären Sie, wie sich unser Angebots- und Nachfragediagramm ändern müsste, wenn seine Analyse richtig ist.
11.5 Der Wert eines Vermögenswertes: Grundlagen
- Vermögenswert
- Alles, was einen Wert hat und sich im Besitz befindet. Siehe auch: Bilanz, Verbindlichkeit.
Menschen kaufen Fisch, Hüte und Brennstoffe wegen ihres Konsumwerts: um sie zu essen, zu tragen oder zu verbrennen. Märkte für Vermögenswerte können anders funktionieren, weil die Kaufenden ein zweites Motiv haben: nicht nur, in irgendeiner Weise zu profitieren, während sie den Vermögenswert besitzen, sondern auch, um ihn später verkaufen zu können. Was bestimmt also den Wert eines Vermögenswertes, sei es eine Immobilie, ein Kunstwerk oder finanzielle Vermögenswerte wie Aktien eines Unternehmens?
Erinnern Sie sich an Einheit 6: Die Gewinne eines Unternehmens gehören den Aktienhabenden im direktem Verhältnis zu den Aktien, die sie halten. Diese Gewinne werden in der Regel aufgeteilt in Dividenden, die direkt an die Aktienhabenden ausgeschüttet werden. Das restliche einbehaltene Einkommen wird dazu verwendet, die Fähigkeit des Unternehmens auszubauen, weitere Erträge zu erwirtschaften. Aber wie sollen Aktien bewertet werden, wenn die Zukunft unsicher ist?
Zwei wichtige Faktoren, die den Wert eines finanziellen Vermögenswertes bestimmen, sind die Höhe der zu erwartenden Cashflows und die Ungewissheit der Prognosen für diese Cashflows.
Anleihen
- Staatsanleihe
- Ein von Regierungen ausgegebenes Finanzinstrument, das die Zahlung von Geldströmen in bestimmten Zeitabständen verspricht.
Am einfachsten ist es, mit einem Vermögenswert zu beginnen, der konstante Zahlungen zu bestimmten Zeitpunkten über einen begrenzten Zeitraum zusichert. Nehmen wir an, die Investierenden sind vollkommen zuversichtlich, dass die versprochenen Zahlungen erfolgen werden. Das beste Beispiel hierfür ist eine Staatsanleihe, die von einem Land mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit für eine Zahlungsunfähigkeit, wie den USA oder der Schweiz, ausgegeben wird (dieser Fall wurde im Einstein in Einheit 10 analysiert).
- Anleihe
- Eine Art von finanziellem Vermögenswert, bei dem das emitierende Unternehmen oder Land verspricht, der Person, die die Anleihe hält, im Laufe der Zeit einen bestimmten Betrag zu zahlen. Auch bekannt als: Anleihen von Unternehmen.
Investierende sind nur dann bereit, den Vermögenswert zu kaufen und zu halten, wenn die Rendite des Vermögenswerts—das heißt die zukünftigen Zahlungen im Verhältnis zum Preis, zu dem der Vermögenswert gekauft oder verkauft werden kann—im Hinblick auf die Zinssätze für ähnliche Vermögenswerte in anderen Teilen der Wirtschaft attraktiv ist. Der versprochene Zahlungsstrom ist festgelegt, das heißt je niedriger der Preis des Vermögenswertes ist, desto höher ist der Zinssatz, den er einer kaufenden Person einbringt. Mit anderen Worten: Der Preis des Vermögenswertes steht in umgekehrter Beziehung zu dem Zinssatz, den der Vermögenswert einbringt. Wenn andere Zinssätze in der Wirtschaft steigen, muss auch der Zinssatz für Anleihen steigen—der Preis für Anleihen wird also fallen.
Betrachten wir nun Unternehmensanleihen, die nicht risikofrei sind. Je größer das Ausfallrisiko ist, desto höher ist der Zinssatz, den investierende Personen verlangen, um den Vermögenswert zu halten. Wenn zwei Anleihen genau die gleichen Auszahlungen versprechen, wird die risikoreichere Anleihe einen niedrigeren Preis haben. Investierende erhalten einen höheren Zinssatz, wenn sie die risikoreichere Anleihe kaufen und diese nicht ausfällt, sind aber einem größeren Risiko ausgesetzt, dass die versprochenen Zahlungen nicht alle eintreffen.
Wertpapiere
- Aktie
- Ein Teil des Vermögens eines Unternehmens, der gehandelt werden kann. Er gibt der Person, die die Aktie besitzt, das Recht, einen Teil des Gewinns eines Unternehmens zu erhalten und davon zu profitieren, wenn das Vermögen des Unternehmens an Wert gewinnt. Auch bekannt als: Stammaktie.
Wertpapiere (auch Aktien genannt) unterscheiden sich von Anleihen in zwei wichtigen Punkten: Es gibt keine bestimmten versprochenen Auszahlungen, und der Zeitraum, über den die Zahlungen erfolgen, ist nicht festgelegt. Unternehmen, von denen höhere Nettoeinkünfte erwartet werden, werden höher bewertet, und wenn sich die Erwartungen ändern, ändert sich auch der Wert der Aktien. Aber wie bei Anleihen hängt ihr Wert auch von den Zinssätzen in anderen Bereichen der Wirtschaft und davon ab, wie riskant die zukünftigten Einkommen eingeschätzt werden.
Risiko
- systematisches Risiko
- Ein Risiko, das alle Vermögen auf dem Markt betrifft, so dass es den anlegenden Personen nicht möglich ist, ihr Risiko durch eine Kombination verschiedener Vermögenswerte zu verringern. Auch bekannt als: nicht diversifizierbares Risiko.
- unsystematisches Risiko
- Ein Risiko, das nur eine kleine Anzahl von Vermögenswerten auf einmal betrifft. Anleger:innen können ihre Anfälligkeit für solche Risiken nahezu ausschalten, indem sie ein diversifiziertes Portfolio von Vermögenswerten halten, die von unterschiedlichen Risiken betroffen sind. Auch bekannt als: diversifizierbares Risiko.
Wie aber ist das Risiko eines Vermögenswerts zu bewerten? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den Unterschied zwischen einem systematischen Risiko und einem unsystematischen Risiko verstehen. Die Einkommen eines Unternehmens können aus verschiedenen Gründen über oder unter den Erwartungen liegen. Einige Ereignisse—wie zum Beispiel Veränderungen in der Handelspolitik, bei den Zinssätzen oder der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen—wirken sich gleichzeitig auf viele Arten von Vermögenswerten aus. Andere Ereignisse—wie zum Beispiel ein erfolgreicher Medikamentenversuch oder eine Klage wegen angeblicher Sicherheitsprobleme bei einem Fahrzeug—betreffen nur bestimmte Unternehmen, die davon profitieren oder Schaden nehmen könnten. Die erste Risikoquelle wird als systematisch oder undiversifizierbar bezeichnet, die zweite als unsystematisch oder diversifizierbar.
- systemisches Risiko
- Ein Risiko, das das Finanzsystem selbst bedroht.
Eine dritte Art von Risiko, das systemische Risiko, bezieht sich gewöhnlich auf Risiken, die das Finanzsystem selbst bedrohen. Beispiele für systemische Risiken, wie die Finanzkrise 2008, werden wir in Einheit 17 untersuchen.
Diese Erkenntnis wurde von William Sharpe, John Lintner und anderen in den 1960er Jahren gewonnen, aufbauend auf früheren Arbeiten von Harry Markowitz.
Eine wichtige Erkenntnis in der Finanzwirtschaft ist, dass das diversifizierbare Risiko bei der Bewertung von Wertpapieren im Wesentlichen irrelevant ist, da Investierende es durch die Zusammenstellung von Portfolios mit einer großen Anzahl von Vermögenswerten, von denen jeder ein sehr geringes Gewicht hat, nahezu eliminieren können. In jedem beliebigen Zeitraum werden einige der Unternehmen im Portfolio positive und einige negative Schocks erleben, aber solange die Schocks wirklich unsystematisch sind, werden sie sich in der Regel gegenseitig aufheben, und das Portfolio selbst wird weitgehend unberührt bleiben.
Anders verhält es sich mit dem systematischen Risiko. Es entsteht durch Schocks, die große Wertpapierklassen gleichzeitig betreffen und nicht wegdiversifiziert werden können. Je nachdem, wie stark ihre Einkommen mit denen des Marktes insgesamt korreliert sind, sind verschiedene Unternehmen unterschiedlich hohen systematischen Risiken ausgesetzt. So sind beispielsweise die Einkommen von Ford oder Chrysler stark von den Konditionen der Gesamtwirtschaft abhängig, da die Menschen während Rezessionen ihre Autokäufe zurückstellen. Im Gegensatz dazu sind Versorgungsunternehmen, die ihre Kundschaft mit Gas und Strom versorgen, vor solchen Risiken geschützt, da der Konsum von Energie nicht so stark von der Wirtschaft abhängt.
- Kapitalisierungszins
- Die Rendite, die gerade hoch genug ist, um investierende Personen zu veranlassen, Aktien eines bestimmten Unternehmens zu halten. Sie ist hoch, wenn das Unternehmen mit einem hohen systematischen Risiko behaftet ist.
Investierende werden für Aktien von Unternehmen mit hohem systematischem Risiko höhere Durchschnittsrenditen verlangen, da deren Einkommen tendenziell in einer Weise schwanken, die sich nicht ohne weiteres wegdiversifizieren lässt. Die Rendite, die Investierende dazu veranlasst, Aktien eines Unternehmens zu kaufen, wird manchmal als geforderte Rendite oder Kapitalisierungszins bezeichnet. Ceteris paribus ist dieser Zins bei Unternehmen, die einem größeren systematischen Risiko ausgesetzt sind, höher. Wenn man also von den erwarteten zukünftigen Einkommen ausgeht, sind die Aktien von Unternehmen mit einem niedrigeren Kapitalisierungszins teurer.
Handelsstrategien
- Fundamentalwert einer Aktie
- Der Aktienkurs basiert auf den erwarteten zukünftigen Einkünften und Risikoniveau.
Der Aktienkurs, der sich aus solchen Überlegungen—erwartete zukünftige Einkommen und die Höhe des systematischen Risikos—errechnet, wird manchmal als Fundamentalwert einer Aktie oder eines Wertpapiers bezeichnet. Viele Investierende, einschließlich aktiv verwalteter Investmentfonds und einiger Hedge-Fonds, verfolgen Strategien, Vermögenswerte zu kaufen, deren Preis ihrer Meinung nach unter ihrem Fundamentalwert liegt, und dann diejenigen zu verkaufen, die im Vergleich zu den Fundamentalwerten zu teuer sind.
Es gibt jedoch auch Strategien, die überhaupt nicht auf einer Bewertung des Fundamentalwerts beruhen. Einige Händler:innen suchen beispielsweise nach Anzeichen für ein Momentum in den Preisen von Vermögenswerten und kaufen, weil sie einen weiteren Anstieg der Preise erwarten, oder sie verkaufen, weil sie einen Rückgang der Preise erwarten. Eine investierende Person könnte bereit sein, mehr als den Fundamentalwert eines Wertpapiers zu zahlen, wenn sie glaubt, dass der Preis noch weiter über diesen Wert steigen wird. In diesem Fall könnte die kaufende Person einen Gewinn erzielen, indem sie zu einem niedrigen Preis kauft und zu einem höheren Preis verkauft, auch wenn sich der Fundamentalwert des Wertpapiers nicht verändert hat.
- Spekulationen
- Kauf und Verkauf von Vermögenswerten mit dem Ziel, von einer erwarteten Preisänderung zu profitieren.
Der Kauf und Verkauf von Vermögenswerten auf der Grundlage einer Bewertung ihrer Fundamentalwerte heißt Spekulation, die durch die Annahme funktioniert, dass die Preise bald zu ihren Fundamentalwerten zurückkehren werden. Käufe und Verkäufe auf der Grundlage eines wahrgenommenen Momentums sind ebenfalls ein Beispiel für Spekulationen, die durch die Annahme funktionieren, dass kurzfristige Trends einen gewissen Grad an Persistenz aufweisen. Diese und viele andere Strategien werden auf den modernen Finanzmärkten praktiziert. Sie bestimmen das Verhalten der Preise und die Möglichkeit von Preisblasen und Crashs (wie wir in späteren Abschnitten sehen werden).
Wie Ökonominnen und Ökonomen aus Fakten lernen Die Weisheit der Menge: Das Gewicht von Vieh (Ochsen) und der Wert von Wertpapieren
Was ist der richtige Preis für, sagen wir, eine Aktie von Facebook? Wäre es besser, wenn der Preis von Wirtschaftsexpertinnen und Wirtschaftsexperten festgelegt würde, statt auf dem Markt durch die Handlungen von Millionen von Menschen, von denen nur wenige über Expertenwissen zur Wirtschaft oder zu den Aussichten des Unternehmens verfügen, bestimmt zu werden?
Die Ökonominnen und Ökonomen sind weit davon entfernt, die Funktionsweise dieses Mechanismus im Detail zu verstehen. Eine wichtige Erkenntnis stammt jedoch aus einer ungewöhnlichen Quelle: einem Ratespiel, das 1907 auf einer Landwirtschaftsmesse in Plymouth, England, gespielt wurde. Den Gäste der Messe wurde ein lebender Ochse präsentiert. Für zwei Pence (2,5 Pence) sollten sie das Gewicht des Ochsen erraten, das heißt, wie viel verkaufsfähiges Fleisch gewonnen werden konnte. Die teilnehmende Person, deren auf einen Zettel geschriebene Antwort dem echten Gewicht am nächsten kam, gewann den Preis.
Der Universalgelehrte Francis Galton besorgte sich Eintrittskarten für diesen Wettbewerb. Er fand heraus, dass eine nach dem Zufallsprinzip ausgewählte teilnehmende Person das richtige Gewicht um durchschnittlich 40 Pfund verfehlte. Aber das, was er die „vox populi“ oder „Stimme des Volkes“ nannte—der mittlere Wert aller Schätzungen—lag mit einer Abweichung von nur 9 Pfund (weniger als 1 %) bemerkenswert nahe am wahren Wert.
Die für die Volkswirtschaft relevante Erkenntnis ist, dass der Durchschnitt einer großen Zahl von nicht sehr gut informierten Personen oft sehr genau ist. Er ist möglicherweise genauer als die Schätzung einer erfahrenen Tierärztin oder eines Ochsenzüchters.
Galtons Verwendung des Medians zur Aggregation der Schätzungen bedeutete, dass vox populi die Stimme der (vermutlich) am besten informierten teilnehmenden Person war, aber es waren die Schätzungen aller anderen, die diese am besten informierte Person auswählten. Die Vox populi ergab sich aus allen verfügbaren Informationen, einschließlich der Vermutungen und Fantasien, die zu Ausreißern nach oben oder unten führten.
Das Ergebnis von Galton ist ein Beispiel für die „Weisheit der Menge“. Dieses Konzept ist für Ökonominnen und Ökonomen besonders interessant, weil es in stilisierter Form viele Bestandteile enthält, die einen guten Preismechanismus ausmachen.
Wie Galton selbst feststellte, hatte das Spiel eine Reihe von Merkmalen, die zum Erfolg von vox populi beitrugen. Die Teilnahmegebühr war gering, aber nicht gleich Null, sodass viele Teilnehmende mitmachen konnten, aber Spaßvögel abgeschreckt wurden. Annahmen wurden geheim verfasst und abgegeben, und die Urteile waren unbeeinflusst von „Redekunst und Leidenschaft“. Die Aussicht auf eine Belohnung weckte die Aufmerksamkeit.
Obwohl viele Teilnehmende gut informiert waren, waren auch viele weniger gut informiert und ließen sich, wie Galton feststellte, von anderen auf der Messe und ihrer Fantasie leiten. Galtons Wahl des Medianwerts würde den Einfluss dieser weniger informierten Personen verringern (aber nicht ausschalten) und verhindern, dass einzelne verrückte Schätzungen (zum Beispiel solche, die das Zehnfache des wahren Werts betrugen) die vox populi verzerren.
Der Aktienmarkt ist ein weiterer Ausdruck der vox populi, bei dem die Menschen den Wert eines Unternehmens schätzen, wobei sie oft, aber nicht immer, Veränderungen in der Qualität des Managements, der Technologien oder der Marktchancen genau verfolgen.
Die Weisheit der Menge erklärt auch den Erfolg von Prognosemärkten. Die Iowa Electronic Markets, die von der Universität von Iowa betrieben werden, ermöglichen es Einzelpersonen, Verträge zu kaufen und zu verkaufen, die je nach Wahlsieg ausgezahlt werden. Die Preise dieser Vermögenswerte bündeln die Informationen, das Wissen und die Vermutungen einer großen Zahl teilnehmender Personen. Solche Prognosemärkte–oft auch als politische Börsen bezeichnet—können Monate im Voraus unheimlich genaue Vorhersagen von Wahlergebnissen liefern, manchmal besser als Umfragen und sogar Webseiten, die Umfragen zusammenfassen. Andere Märkte ermöglichen es Tausenden von Menschen, auf Ereignisse zu wetten, zum Beispiel darauf, wer den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gewinnen wird. Es wurde sogar vorgeschlagen, einen Markt für die Prognose des nächsten großen Terroranschlags in den USA zu schaffen.
Frage 11.4 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Die erwarteten zukünftigen Gewinne und das systematische Risiko bestimmen die Einkommensströme, die eine investierende Person erwarten kann. Das verstehen wir unter dem Fundamentalwert.
- Ohne neue Informationen über die Rentabilität oder das Risiko, hat sich der Fundamentalwert nicht verändert, sodass ein steigender Kurs auf Spekulationen hindeutet.
- Es ist möglich, von dieser Strategie zu profitieren, wenn Sie verkaufen, bevor der Preis fällt.
- Investierende sind nicht unbedingt einer Meinung, da sie unterschiedliche Information über die zukünftige Rentabilität haben können.
11.6 Veränderungen in Angebot und Nachfrage für finanzielles Vermögen
- Sekundär- und Primärmärkte
- Der Primärmarkt ist der Markt, auf dem Waren oder finanzielles Vermögen zum ersten Mal verkauft werden. Der erste Verkauf von Aktien durch ein Unternehmen an Personen oder Unternehmen (bekannt als Börsengang oder IPO) findet auf dem Primärmarkt statt. Der anschließende Handel mit diesen Aktien an der Börse ist der Sekundärmarkt. Die Begriffe werden auch verwendet, um den Erstverkauf von Eintrittskarten (Primärmarkt) und den Sekundärmarkt, auf dem sie gehandelt werden, zu beschreiben.
- Börse
- Ein Finanzmarktplatz, auf dem Aktien (oder Wertpapiere) und andere finanzielle Vermögenswerte gehandelt werden. Er verfügt über eine Liste von Unternehmen, deren Aktien dort gehandelt werden.
Wenn ein Unternehmen zum ersten Mal neue Aktien (oder Wertpapiere) an die Öffentlichkeit verkauft, spricht man von einem Börsengang (Initial Public Offering, IPO). Danach werden die Aktien an der Börse gehandelt. Der Handel an der Börse wird als Transaktion auf dem Sekundärmarkt bezeichnet.
Die Preise beim Handel auf den sekundären Märkten ändern sich ständig. Die Grafik in Abbildung 11.11 zeigt, wie der Aktienkurs von News Corp (NWS) an der Nasdaq Börse an einem Tag im Mai 2014 schwankte. Im unteren Feld ist die Anzahl der bei jedem Punkt gehandelten Aktien zu sehen. Kurz nach der Eröffnung des Marktes um 9:30 Uhr lag der Kurs bei 16,66 USD pro Aktie. Da Investierende im Laufe des Tages Aktien kauften und verkauften, erreichte der Kurs sowohl um 10:00 Uhr als auch um 14:00 Uhr einen Tiefststand von 16,45 USD. Als der Markt mit einem Kurs von 16,54 USD schloss, wurden fast 556 000 Aktien gehandelt.
Abbildung 11.11 Aktienkurs und gehandeltes Volumen der News Corp (7. Mai 2014).
Bloomberg L.P., abgerufen am 28. Mai 2014.
Zu jedem Zeitpunkt, an dem der Markt für Aktien von News Corp geöffnet ist, haben alle der bestehenden Aktienhabenden einen Reservationspreis, nämlich den Mindestpreis, zu dem eine aktienhabende Person bereit wäre, zu verkaufen. Andere sind auf dem Markt, um zu kaufen, solange sie einen akzeptablen Preis finden können. Wenn sich die Überzeugungen der Händler:innen über die Rentabilität von News Corp ändern, ändert sich auch ihre Bereitschaft zu kaufen und zu verkaufen. Um zu sehen, wie die Preise von finanziellen Vermögenswerten durch solche Verschiebungen bei Angebot und Nachfrage beeinflusst werden, folgen Sie den Schritten in Abbildung 11.12. Die Kurven zeigen das stündliche Volumen der Aktien, die zu jedem Preis nachgefragt und angeboten werden.
In der Praxis funktionieren die Märkte nicht in festgelegten Zeiträumen wie zum Beispiel in einer Stunde. Die Transaktionen findet kontinuierlich statt, und die Preise ändern sich ständig, und zwar durch einen Handelsmechanismus, der als kontinuierliche Doppelauktion bekannt ist.
- Limit Order
- Eine angekündigte Preis- und Mengenkombination für einen Vermögenswert, die entweder verkauft oder gekauft werden soll.
- Orderbuch
- Eine Aufzeichnung der von Käufer:innen und Verkäufer:innen gemachten, aber noch nicht erfüllten Limit Orders.
Jede Person, die kaufen möchte, kann eine Preis- und Mengenkombination einreichen, die als Limit Order bekannt ist. Eine Limit Order zum Kauf von 100 Aktien der News Corp zu einem Preis von 16,50 USD pro Aktie bedeutet beispielsweise, dass sich die kaufende Person zum Kauf von 100 Aktien verpflichtet, sofern diese zu einem Preis von höchstens 16,50 USD pro Aktie erhältlich sind. Dies ist der Reservationspreis der kaufenden Person. In ähnlicher Weise gibt eine Limit Order zum Verkauf an, dass man sich verpflichtet, eine bestimmte Menge Aktien zu verkaufen, solange der Preis nicht unter dem angegebenen Betrag liegt (Reservationspreis der verkaufenden Person).
Bei der Erteilung einer Limit Order zum Kauf von Aktien kann eine von zwei Möglichkeiten eintreten. Liegt eine zuvor erteilte Limit Order zum Verkauf vor, die noch nicht ausgeführt wurde, und bietet sie die erforderliche Anzahl von Aktien zu einem Preis an, der bei oder unter dem von der kaufenden Person angegebenen Betrag liegt, kommt eine Transaktion zustande. Liegt kein solcher Auftrag vor, wird die Limit Order in einem so genannten Orderbuch (das eigentlich nur ein elektronischer Datensatz ist) eingetragen und steht für Transaktionen mit neu eingehenden Verkaufsaufträgen zur Verfügung.
Kaufaufträge werden als Bids (oder auch Geld) bezeichnet, Verkaufsaufträge als Asks (oder auch Brief). Im Orderbuch werden die Bids in absteigender Reihenfolge des Preises und die Asks in aufsteigender Reihenfolge aufgeführt. Der obere Teil des Orderbuchs für Aktien der NWS sah am 8. Mai 2014 um die Mittagszeit wie in Abbildung 11.13 dargestellt aus.
Bid | Ask | ||
---|---|---|---|
Preis (USD) | Menge | Preis (USD) | Menge |
16,56 | 400 | 16,59 | 500 |
16,55 | 400 | 16,60 | 700 |
16,54 | 400 | 16,61 | 800 |
16,53 | 600 | 16,62 | 500 |
16,52 | 200 | 16,63 | 500 |
Abbildung 11.13 Ein fortlaufendes Orderbuch mit Doppelauktion: Bids und Asks für die Aktien von News Corp (NWS).
Yahoo Finance, abgerufen am 8. Mai 2014.
In dieser Situation bliebe ein Kaufauftrag für 100 Aktien zu 16,57 USD unausgeführt und würde in das Buch am oberen Ende der Geldspalte eingetragen werden. Ein Gebot für 600 Aktien zu 16,60 USD würde jedoch sofort ausgeführt werden, da es mit bestehenden Limit-Verkaufsaufträgen abgeglichen werden kann. 500 Aktien würden zu 16,59 USD pro Stück gehandelt, und 100 Aktien würden zu 16,60 USD gehandelt. Wenn ein Kaufauftrag sofort ausgeführt wird, erfolgt die Transaktion zum bestmöglichen Preis für die kaufende Person (dem Ask). Wird ein Verkaufsauftrag erteilt und sofort aus den vorhandenen Aufträgen ausgeführt, erfolgt die Transaktion zum bestmöglichen Preis für die verkaufende Person (dem Bid).
Wir können nun sehen, wie sich die Preise auf einem solchen Markt im Laufe der Zeit verändern. Eine Person, die negative Nachrichten über News Corp erhält, zum Beispiel das Gerücht, dass ein Vorstandsmitglied zurücktreten wird, und glaubt, dass diese Information noch nicht in den Kurs eingeflossen ist, kann einen großen Verkaufsauftrag zu einem Preis unter 16,56 USD erteilen, der sofort gegen bestehende Bids gehandelt wird. Wenn diese Transaktionen stattfinden, werden die Bids aus dem Orderbuch entfernt und der Kurs des Wertpapiers sinkt. Ähnlich verhält es sich bei positiven Nachrichten: Kaufaufträge, die über dem niedrigsten Ask liegen, werden mit bestehenden Verkaufsaufträgen gehandelt, und es kommt zu Transaktionen bei sukzessiven steigenden Preisen.
Da der Preis schwankt, ist es nicht einfach, diesen Markt als im Gleichgewicht zu betrachten. Dennoch ist es so, dass sich der Preis ständig anpasst, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen und es somit zu einer Markträumung kommt.
Finanzvermögen ist ein weiteres Beispiel für Märkte, die sich durch ökonomisches Rent-Seeking im Gleichgewicht befinden:
- Diejenigen, die glauben, dass sie vom Kauf der Aktien von News Corp zu einem bestimmten Preis profitieren werden, geben ein Bid zu diesem Preis ab.
- Diejenigen, die glauben, dass sie von einem Verkauf profitieren würden, geben ein Ask zu einem bestimmten Preis auf.
- Der Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt spiegelt das Gesamtergebnis des Rent-Seeking-Verhaltens aller Aktienhabenden auf dem Markt wider—einschließlich derjenigen, die ihre Aktien einfach nur halten.
Übung 11.5 Angebots- und Nachfragekurven
- Verwenden Sie die Daten aus dem Orderbuch der NWS in Abbildung 11.13, um Angebots- und Nachfragekurven für Aktien darzustellen.
- Erklären Sie, warum sich die beiden Kurven nicht schneiden.
Frage 11.5 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Die Abbildung zeigt ein Orderbuch für die Aktien der News Corp. Welche der folgenden Aussagen über dieses Orderbuch ist richtig?
Bid | Ask | ||
---|---|---|---|
Preis (USD) | Menge | Preis (USD) | Menge |
16,56 | 400 | 16,59 | 500 |
16,55 | 400 | 16,60 | 700 |
16,54 | 400 | 16,61 | 800 |
16,53 | 600 | 16,62 | 500 |
16,52 | 200 | 16,63 | 500 |
- 16,59 USD liegt auf der Ask-Seite. Daher möchte jemand 500 Aktien zu diesem Preis verkaufen.
- Der Preis gibt den Reservationspreis der kaufenden oder verkaufenden Person an. In diesem Fall würde die kaufende Person also höchstens 16,56 USD zahlen.
- Der Auftrag kann nicht ausgeführt werden, da es keine Kaufaufträge zu einem Preis von 16,58 USD gibt.
- Die kaufende Person wird nicht mehr als 16,59 USD zahlen, also werden 500 Aktien gekauft, und der Auftrag für die restlichen 100 Aktien bleibt unausgeführt.
11.7 Preisblasen auf Vermögensmärkten
- Commodities
- Physische Güte, die ähnlich wie Aktien gehandelt werden. Dazu gehören Metalle wie Gold und Silber, landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Kaffee und Zucker, Öl und Gas. Manchmal wird der Begriff auch allgemeiner für alles verwendet, was zum Verkauf produziert wird.
Die Flexibilität, die die Kurse der News Corp-Aktien gezeigt haben, ist auf den Märkten für andere finanzielle Vermögenswerte wie Staatsanleihen, Währungen mit schwankendem Wechselkurs, Rohstoffe (auch Commodities genannt) wie Gold, Rohöl und Mais sowie Sachwerten wie Häuser und Kunstwerke üblich.
- Vermögenswertpreisblase
- Anhaltender und signifikanter Anstieg des Preises eines Vermögenswerts, der durch die Erwartung künftiger Preissteigerungen genährt wird.
Die Aktienkurse schwanken jedoch nicht nur von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag. Sie können auch große Schwankungen aufweisen, die oft als Preisblasen bezeichnet werden. Abbildung 11.14 zeigt den Wert des Nasdaq Composite Index zwischen 1995 und 2004. Dieser Index ist ein Durchschnitt der Preise für eine Reihe von Wertpapieren, wobei die Unternehmen im Verhältnis zu ihrer Marktkapitalisierung gewichtet werden. Der Nasdaq Composite Index enthielt zu dieser Zeit viele schnell wachsende und schwer zu bewertende Unternehmen aus dem Technologiesektor.
Abbildung 11.14 Die Technologieblase: Nasdaq Composite Index (1995–2004).
Yahoo Finance, abgerufen am 14. Januar 2014.
Der Index begann in diesem Zeitraum bei weniger als 750 und stieg innerhalb von fünf Jahren auf mehr als 5000 mit einer bemerkenswerten jährlichen Rendite von rund 45 %. Dann verlor er in weniger als einem Jahr zwei Drittel seines Wertes und erreichte schließlich seinen Tiefpunkt bei etwa 1100, fast 80 % unter seinem Höchststand. Dieser Zeitraum wird heute als Tech-Blase bezeichnet.
Information, Unsicherheit und Überzeugungen
Der Begriff Preisblase bezieht sich auf eine anhaltende und bedeutende Abweichung des Preises eines Vermögenswerts (finanziell oder anderweitig) von seinem Fundamentalwert.
Manchmal kommen neue Informationen über den Fundamentalwert eines Vermögenswertes auf den Märkten schnell und zuverlässig zum Ausdruck. Änderungen in der Einschätzung des zukünftigen Wachstums des Einkommens eines Unternehmens führen zu sofortigen Anpassungen des Aktienkurses. Sowohl gute als auch schlechte Nachrichten über Patente oder Rechtsstreitigkeiten, die Erkrankung oder das Ausscheiden wichtigen Personals, überraschende Einkommen oder Fusionen und Übernahmen können zu aktiven Transaktionen und raschen Kursbewegungen führen.
Da die Kursbewegungen von Wertpapieren oft wichtige Informationen über die finanzielle Gesundheit eines Unternehmens widerspiegeln, können Händler:innen, denen diese Informationen fehlen, versuchen, sie aus den Kursbewegungen abzuleiten. Um es mit Hayeks Worten auszudrücken: Preisänderungen sind Botschaften, die Informationen enthalten. Wenn die Märkte gut funktionieren sollen, müssen die Händler:innen auf diese Botschaften reagieren. Wenn sie jedoch einen Preisanstieg als Zeichen für weitere Preissteigerungen interpretieren (Momentum Handel), kann es zu sich selbst verstärkenden Zyklen von Preissteigerungen kommen, die zu Vermögenspreisblasen führen, gefolgt von plötzlichen Preisrückgängen, den so genannten Crashs.
- Momentum Handel
- Strategie für den Aktienhandel, die darauf beruht, dass neue Informationen nicht sofort in die Kurse einfließen, so dass die Kurse über kurze Zeiträume eine positive Korrelation aufweisen.
Drei charakteristische und miteinander verbundene Marktmerkmale können zu Preisblasen führen:
- Wiederverkaufswert: Die Nachfrage nach dem Vermögenswert ergibt sich zum einen aus dem Nutzen für die Eigentümer:innen (zum Beispiel die Auszahlungen von Dividenden einer Aktie oder die Freude, ein Gemälde einer bekannten kunstschaffenden Person im Wohnzimmer zu haben) und zum anderen aus der Möglichkeit, auf eine Preisänderung zu spekulieren. In ähnlicher Weise kann eine vermietende Person ein Haus sowohl wegen der Mieteinnahmen als auch zur Erzielung eines Kapitalgewinns kaufen, indem sie den Vermögenswert eine Zeit lang hält und es dann verkauft. Die Annahmen der Menschen über die Entwicklung der Preise von Vermögenswerten sind unterschiedlich und ändern sich, wenn sie neue Informationen erhalten oder glauben, dass andere auf neue Informationen reagieren.
- Einfaches Handeln: Auf den Finanzmärkten bedeutet das einfache Handeln, dass man zwischen der Rolle der kaufenden und der verkaufenden Person wechseln kann, wenn man die Meinung darüber ändert, ob der Preis steigen oder fallen wird. Auf Märkten für gewöhnliche Waren und Dienstleistungen ist ein Wechsel zwischen Kauf und Verkauf nicht möglich, da die verkaufenden Unternehmen mit spezialisierten Investitionsgütern und ausgebildeten Arbeitskräften ausgestattet sind, während die Kaufenden andere Unternehmen oder Haushalte sind.
- Einfache Kreditaufnahme zur Finanzierung von Käufen: Wenn die Marktteilnehmenden Kredite aufnehmen können, um ihre Nachfrage nach einem Vermögenswert zu erhöhen, von dem sie glauben, dass es im Preis steigt, kann sich der Preisanstieg fortsetzen, was die Möglichkeit einer Preisblase und eines anschließenden Crashs schafft.
Wenn Ökonominnen und Ökonomen sich uneinig sind Gibt es Preisblasen?
Die Preisbewegungen in Abbildung 11.14 (und Abbildung 11.20 im nächsten Abschnitt) vermitteln den Eindruck, dass die Preise von Vermögenswerten stark schwanken können und in keinem Verhältnis zu den Einnahmen stehen, die realistisch von dem Besitz erwartet werden können.
Aber gibt es Preisblasen wirklich, oder sind sie eine Illusion, die nur im Nachhinein entsteht? Mit anderen Worten: Kann man wissen, dass ein Markt sich in einer Preisblase befindet, bevor er zusammenbricht? Es mag überraschen, dass einige prominente Ökonominnen und Ökonomen, die mit Finanzmarktdaten arbeiten, diese Frage verneinen. Zu ihnen gehören Eugene Fama und Robert Shiller, zwei der drei Nobelpreisträger des Jahres 2013.
Fama bestreitet, dass der Begriff „Preisblase“ überhaupt eine sinnvolle Bedeutung hat:5
Diese Begriffe sind populär geworden. Ich glaube nicht, dass sie irgendeine Bedeutung haben … Im Nachhinein ist es leicht zu sagen, dass die Preise gesunken sind und es daher eine Blase gewesen sein muss. Ich denke, die meisten Blasen entstehen im Nachhinein. Rückblickend findet man immer Leute, die vorher gesagt haben, dass die Preise zu hoch sind. Die Leute sagen immer, dass die Preise zu hoch sind. Wenn sie sich als richtig erweisen, werden sie von uns gelobt. Wenn sie sich als falsch herausstellen, ignorieren wir sie. In der Regel haben sie etwa die Hälfte der Zeit recht und die andere Zeit unrecht.
Das ist ein Ausdruck dessen, was Ökonominnen und Ökonomen die effiziente Markthypothese nennen, die behauptet, dass alle allgemein verfügbaren Informationen über Fundamentalwerte praktisch sofort in die Preise einfließen.6 Robert Lucas—ein weiterer Nobelpreisträger, der Famas Meinung ist—erklärte die Logik dieses Arguments 2009, mitten in der Finanzkrise:7
Eine Sache, die wir weder jetzt noch jemals haben werden, ist eine Reihe von Modellen, die plötzliche Wertverluste von Finanzvermögen vorhersagen, wie die Verluste, die auf den Zusammenbruch von Lehman Brothers im September folgten. Das ist nichts Neues. Es ist seit mehr als 40 Jahren bekannt und eine der wichtigsten Schlussfolgerungen der Hypothese des effizienten Marktes von Eugene Fama … Wenn eine Ökonomin oder ein Ökonom eine Formel hätte, die Krisen zuverlässig, sagen wir eine Woche im Voraus, vorhersagen könnte, dann würde diese Formel Teil der allgemein verfügbaren Informationen werden und die Preise würden eine Woche früher fallen.
In seiner Antwort auf Lucas erklärt Markus Brunnermeier, warum dieses Argument nicht stichhaltig ist:8
Natürlich, so Bob Lucas, werden Investierende, wenn es allgemein bekannt ist, dass eine Preisblase nächste Woche platzen wird, diese schon heute platzen lassen. In der Praxis weiß jedoch keine investierende Person, wann andere Investierende beginnen werden, gegen die Preisblase zu handeln. Diese Ungewissheit macht jede einzelne investierende Person nervös, ob sie sich lange genug aus dem Markt heraushalten (oder verkaufen) kann, bis die Preisblase schließlich platzt. Folglich zögert jede investierende Person, gegen den Strom zu schwimmen. Tatsächlich kann es sein, dass Investierende es vorziehen, eine Preisblase lange Zeit zu halten, sodass Kurskorrekturen erst mit großer Verzögerung und oft abrupt eintreten. Empirische Untersuchungen zur Prognose von Aktienkursen unterstützen diese Ansicht. Da die Finanzierungsbeschränkungen die Arbitrage-Aktivitäten begrenzen, bedeutet die Tatsache, dass man kein Geld verdienen kann, nicht, dass der „Preis stimmt“.
Diese Denkweise stellt einen anderen, radikalen Ansatz für die zukünftige Finanzarchitektur da. Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden müssen wachsam sein und nach Preisblasen Ausschau halten. Außerdem sollten sie Investierende dabei unterstützen, ihre Bemühungen zur Vermeidung von Vermögenspreisblasen zu koordinieren. Wie die aktuelle Episode gezeigt hat, reicht es nicht aus, nach dem Platzen der Blase aufzuräumen, sondern es ist von entscheidender Bedeutung, die Entstehung der Blase von vornherein zu verhindern.
Shiller argumentierte, dass relativ einfache und öffentlich zu beobachtende Statistiken, zum Beispiel das Verhältnis zwischen Aktienkursen und Einkünften pro Aktie, dazu verwendet werden können, Preisblasen zu erkennen, sobald sie entstehen. Zwar würde gegen den Strom zu schwimmen, also nach diesem Kriterium billige Vermögenswerte kaufen und teure verkaufen, kurzfristige Verluste generieren, jedoch langfristig zu Gewinnen führen, die nach Schillers Ansicht, die Renditen übersteigen, welche man durch eine Investition in einen diversifizierten Korb von Wertpapieren mit ähnlichen Risikoeigenschaften erzielen kann.
In Zusammenarbeit mit der Barclays Bank hat Shiller ein Produkt namens Exchange Traded Note (ETN) auf den Markt gebracht, mit dem Investitionen gemäß seiner Theorie getätigt werden können. Dieses Vermögen ist an den Wert des zyklisch bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnisses (CAPE) gekoppelt, das nach Shillers Ansicht über lange Zeiträume hinweg die zukünftigen Preise vorhersagt. Er ist also ein Ökonom, der sein Geld in die Hand genommen hat: Sie können die Schwankungen von Shillers Index auf der Website der Barclays Bank verfolgen.9
Es gibt also zwei recht unterschiedliche Interpretationen der „Tech-Blase“, die in Abbildung 11.14 zu sehen sind:
- Famas Ansicht: Die Vermögenspreise basierten während der gesamten Episode auf der besten zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen und schwankten, weil sich die Information über die Aussichten der Unternehmen stark veränderten. In einem Interview, das John Cassidy 2010 in The New Yorker mit Fama führte, bezeichnet er viele der Argumente für die Existenz von Preisblasen als „völlig schwammig“.10
- Shillers Ansicht: Die Preise seien in den späten 1990er Jahren einfach durch die Erwartung, dass der Preis noch weiter steigen würde, in die Höhe getrieben worden. Er bezeichnete dies als „irrationalen Überschwang“ der Investierenden. Das erste Kapitel seines Buches Irrational Exuberance erklärt die Idee.11
- irrationaler Überschwang
- Ein Prozess, durch den Vermögen überbewertet wird. Der Ausdruck wurde erstmals 1996 von Alan Greenspan, dem damaligen Präsidenten der US Federal Reserve (Zentralbank-System der Vereinigten Staaten), verwendet. Als wirtschaftliches Konzept wurde er von dem Ökonomen Robert Shiller populär gemacht.
Übung 11.6 Märkte für Edelsteine
Ein Artikel der New York Times, beschreibt, wie die weltweiten Märkte für Opale, Saphire und Smaragde durch die Entdeckung neuer Edelsteinquellen beeinflusst werden.
- Erklären Sie anhand einer Analyse von Angebot und Nachfrage, warum australische Händler:innen über die Entdeckung von Opalen in Äthiopien unglücklich waren.
- Wodurch wird die Zahlungsbereitschaft für Edelsteine bestimmt? Warum werden für Saphire aus Madagaskar niedrigere Preise verlangt als für asiatische?
- Erklären Sie, warum die Reputation von Edelsteinen aus bestimmten Quellen für eine verbrauchende Person von Bedeutung sein kann. Sollten Sie den Preis, den Sie für einen Stein zu zahlen bereit sind, nicht danach beurteilen, wie sehr er Ihnen selbst gefällt?
- Sind Sie der Meinung, dass der gute Ruf von Edelsteinen aus bestimmten Herkunftsländern zwangsläufig echte Qualitätsunterschiede widerspiegelt?
- Könnte es auf den Märkten für Edelsteine zu Preisblasen kommen?
Frage 11.6 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Welche der folgenden Aussagen über Blasen sind richtig?
- Eine Blase entsteht, wenn der Marktpreis dauerhaft und erheblich vom Fundamentalwert abweicht.
- Blasen sind unter diesen Umständen wahrscheinlicher.
- Momentum-Händler:innen kaufen oder verkaufen, je nachdem, ob die Kurse steigen oder fallen, und nicht aufgrund von Fundamentalwerten. So können sie zur Bildung einer Blase beitragen.
- Eine Blase kann auf einem Markt für jedes Vermögen entstehen, das weiterverkauft werden kann, zum Beispiel auf dem Immobilienmarkt.
11.8 Modellierung von Preisblasen und Crashs
Wir haben gesehen, dass es auf Märkten für finanzielle Vermögenswerte zu Preisblasen kommen kann, weil die Nachfrage zum Teil von den Preiserwartungen abhängt, zu denen sie zukünftig wieder verkauft werden können. Dieses Argument könnte auch für langlebige Güter gelten—zum Beispiel für Häuser, Gemälde und „Sammlerstücke“ wie Oldtimer oder Briefmarken. Können wir unser Modell der preisnehmenden Kaufenden und Verkaufenden auf solche Märkte anwenden?
Abbildung 11.15 veranschaulicht das Angebot und die Nachfrage nach Aktien eines (bisher) hypothetischen Unternehmens namens Flying Car Corporation (FCC). Zu Beginn liegt der Kurs der Aktie bei 50 USD auf der untersten Nachfragekurve. Wenn potenzielle Händler:innen sowie Investierende positive Nachrichten über die erwartete zukünftige Rentabilität erhalten, verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts, und der Preis steigt auf 60 USD (der Einfachheit halber nehmen wir an, dass sich die Angebotskurve nicht bewegt).
Der exogene Nachfrageanstieg hat zunächst die gleichen Auswirkungen wie auf den Märkten für Brot und Hüte. Folgen Sie den Schritten in Abbildung 11.15, um zu sehen, was dann passiert.
- positive Rückkopplung (Prozess)
- Ein Prozess, bei dem eine anfängliche Veränderung einen Prozess in Gang setzt, der die anfängliche Veränderung vergrößert. Siehe auch: negative Rückkopplung (Prozess).
Die Abfolge der Ereignisse in Abbildung 11.15 kann eintreten, wenn Individuen einen Preisanstieg dahingehend interpretieren, dass andere Menschen Nachrichten erhalten haben, die sie selbst nicht gehört haben, und deshalb ihre eigenen Erwartungen nach oben korrigieren. Oder sie sehen eine Gelegenheit zum Spekulieren: Sie kaufen Wertpapiere jetzt und verkaufen sie später mit Gewinn an andere Kaufende. In jedem Fall erzeugt der anfängliche Nachfrageanstieg ein positives Feedback, das zu einem weiteren Anstieg der Nachfrage führt.
Auf dem Brotmarkt ist dies nicht der Fall. Die Menschen reagieren nicht auf einen Anstieg des Brotpreises, indem sie mehr Brot kaufen und ihre Kühltruhe füllen. Um den Markt für Vermögen wie Aktien, Gemälde oder Häuser zu modellieren, müssen wir die zusätzlichen Auswirkungen von erwarteten Preisveränderungen berücksichtigen. Abbildung 11.16 stellt zwei alternative Szenarien gegenüber, die auf einen exogenen Schock mit positiven Nachrichten über zukünftige Gewinne von FCC folgen, der den Preis wie in Abbildung 11.15 von 50 USD auf 60 USD ansteigen lässt.
Im linken Feld wird der Preisanstieg durch Erwartungen gebremst: Einige Marktteilnehmende reagieren auf den anfänglichen Preisanstieg mit Skepsis, ob der Fundamentalwert einer Aktie von FCC wirklich 60 USD beträgt und verkaufen daher ihre Aktien, um einen Gewinn aus dem höheren Preis zu ziehen. Durch dieses Verhalten sinkt der Preis und fällt auf einen Wert, der etwas über dem Ausgangswert liegt, wo er sich stabilisiert. Die Nachricht resultierte in einen Preis zwischen 50 und 60 USD, der die Gesamteinschätzung des Marktes über den neuen Fundamentalwert von FCC widerspiegelt.
Abbildung 11.16 Positives vs. negatives Feedback.
Im Gegensatz dazu wird im rechten Feld der Preisanstieg durch Vermutungen bestärkt. Wenn die Nachfrage steigt, glauben andere, dass der anfängliche Preisanstieg einen weiteren Anstieg in der Zukunft signalisiert. Diese Vermutungen bewirken einen Anstieg der Nachfrage nach FCC-Aktien. Andere Händler:innen sehen, dass diejenigen, die mehr FCC-Aktien gekauft haben, von dem Preisanstieg profitiert haben, und folgen diesem Beispiel. Ein sich selbst verstärkender Kreislauf aus höheren Preisen und steigender Nachfrage setzt sich in Gang.
- stabiles Gleichgewicht
- Ein Gleichgewicht, bei dem eine Tendenz zur Wiederherstellung des Gleichgewichts besteht, nachdem es durch einen kleinen Schock gestört wurde.
Wenn Vermutungen Preisänderungen bremsen und den Markt nach einem Preisschock wieder ins Gleichgewicht bringen, heißt das, dass das Gleichgewicht stabil ist. Abbildung 11.17 zeigt, wie wir den Prozess der Preisanpassung im Falle eines stabilen Gleichgewichts modellieren können. Das linke Feld zeigt die Angebots- und Nachfragekurven für FCC-Aktien, wobei der Gleichgewichtspreis P₀ dem Fundamentalwert entspricht. Das rechte Feld zeigt die Beziehung zwischen den Preisen in aufeinanderfolgenden Zeiträumen, die sogenannte Preisdynamikkurve (PDK). Wenn Pt, der Preis in der Periode t, gleich P₀ ist, dann wird der Preis in der nächsten Periode, Pt+1, gleich sein, weil es im Gleichgewicht keine Tendenz zur Veränderung gibt. Befindet sich der aktuelle Preis Pt jedoch nicht im Gleichgewicht, zeigt die PDK, wie der Preis in der nächsten Periode sein wird. Folgen Sie den Schritten in Abbildung 11.7, um zu sehen, wie der Markt mit einer PDK, wie der hier gezeigten, nach einem Schock zum Gleichgewicht zurückkehrt.
In Abbildung 11.17 ist die PDK flacher als die 45°-Linie, das heißt, wenn der Preis über dem Gleichgewicht liegt, wird er sich wieder nach unten anpassen, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt ist. Diese PDK stellt den Fall dar, in dem die Fundamentalwertvermutungen des Vermögenswerts jede Tendenz überwiegen, den Preisanstieg als Signal für weitere Preissteigerungen zu interpretieren.
Nehmen wir nun an, dass nach dem anfänglichen Anstieg des Aktienkurses P₁ die Nachfrage erhöht wird: Aktien von FCC werden nun als bessere Investitionen angesehen. Auch wenn alle wissen, dass der Fundamentalwert einer Aktie immer noch P₀ ist, glauben einige, dass der Kurs noch eine Zeit lang weiter steigen wird. Wenn sich die Vermutung durchsetzt, dass der Kurs weiter steigen wird, dann ist der Besitz weiterer Aktien eine gute Strategie. Das Halten dieser Aktien bringt einen Gewinn, da sie später zu einem höheren Preis, als zum ursprüngliche Erwerbspreis, verkauft werden können.
- instabiles Gleichgewicht
- Ein Gleichgewicht, bei dem, wenn ein Schock das Gleichgewicht stört, die Tendenz besteht, sich anschließend noch weiter vom Gleichgewicht zu entfernen.
In diesem Fall verschiebt der höhere Preis die Nachfragekurve nach rechts, wie in Abbildung 11.18 auf der linken Seite zu sehen ist. Im rechten Feld ist die PDK steiler als die 45°-Linie. Das bedeutet, dass der Preis in der nächsten Periode weiter vom Gleichgewicht bei P₀ entfernt ist, als der Preis in dieser Periode. Diese PDK repräsentiert den Fall eines instabilen Gleichgewichts.
Abbildung 11.18 Ein instabiles Gleichgewicht.
In der nächsten Periode steigt der Preis wieder an. In einer sich selbst verstärkenden Preisblase kann sich dieser Prozess unbegrenzt fortsetzen—zumindest solange, bis etwas geschieht, das die Erwartung kontinuierlich steigender Preise (und einer zunehmenden Abweichung des Preises von seinem Fundamentalwert) verändert.
Instabilität durch sich selbst verstärkende Preiserwartungen kann nur auf Märkten für Güter auftreten, die weiterverkauft werden können, wie Finanzvermögen oder langlebige Güter. Es macht keinen Sinn, mehr Gemüse, Fisch oder Modeartikel zu kaufen, in der Hoffnung, einen Kapitalgewinn zu erzielen, denn der Fisch und das Gemüse werden verfaulen, und die Mode wird sich ändern. Auf den Märkten für Tulpenzwiebeln im siebten Jahrhundert, für Büroräume in Tokio in den späten 1980er Jahren und für Häuser in Las Vegas in den 2000er Jahren (siehe Übung 11.10) kauften die Menschen jedoch weiter, als die Preise stiegen, und trieben so die Preise weiter in die Höhe, weil sie davon ausgingen, dass sie beim Wiederverkauf profitieren würden.
In Einheit 17 werden wir ein Modell mit einer Preisdynamikkurve verwenden, um die Rolle des Immobilienmarktes in der Finanzkrise von 2008 zu untersuchen. In Einheit 20 hilft ein ähnliches Modell zu erklären, wie der Mensch mit der natürlichen Umwelt interagiert und warum wir in manchen Situationen sowohl stabilisierende Prozesse als auch Teufelskreise mit unkontrollierten Zusammenbrüchen beobachten können.
Leibniz: Preisblasen
Wie enden Preisblasen?
Eine Preisblase platzt, wenn einige Marktteilnehmende die Gefahr eines Preisrückgangs wahrnehmen. Dann halten sich die Kaufenden zurück, und diejenigen, die den Vermögenswert halten, versuchen es loszuwerden. Der in Abbildung 11.15 dargestellte Prozess wird umgedreht. Abbildung 11.19 veranschaulicht die Vorgänge anhand des Modells von Angebot und Nachfrage. Auf dem Höhepunkt der Preisblase werden die Aktien mit 80 USD gehandelt. Sowohl die Angebots- als auch die Nachfragekurve verschieben sich, wenn die Preisblase platzt, und der Preis bricht von 80 USD auf 54 USD ein—was große Verluste für diejenigen bedeutet, die die Aktien kauften, als der Preis 80 USD betrug.
Abbildung 11.19 Der Zusammenbruch des Aktienkurses von FCC.
Wenn der Preis eines Vermögenswerts ausschließlich durch die Erwartung zukünftiger Preissteigerungen in die Höhe getrieben wurde, sollte es für diejenigen, die über den Wert gut informiert sind, Möglichkeiten geben, von ihrem Informationsvorsprung zu profitieren. Wenn also der Anstieg des Nasdaq-Index in Abbildung 11.14 tatsächlich eine Preisblase war, warum haben dann diejenigen, die ihn als Preisblase erkannten, nicht davon profitiert, indem sie gigantische Wetten auf einen größeren Preisrückgang abschlossen?
- Leerverkauf
- Der Verkauf eines geliehenen Vermögenswerts mit der Absicht, es zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen. Diese Strategie wird von Anleger:innen angewandt, die eine Wertminderung des Vermögenswerts erwarten. Auch bekannt als: Shorting.
Tatsächlich sind viele Investierende „gegen den Strom geschwommen“, indem sie auf das Platzen der Preisblase wetteten. Darunter auch einige bekannte Personen an der Wall Street. Sie setzten dabei auf Leerverkäufe: Sie liehen sich Aktien zum aktuellen Höchstkurs und verkauften sie sofort mit der Absicht, sie nach dem Kurseinbruch billig zurückzukaufen (um sie den Eigentümer:innen zurückzugeben). Das ist jedoch eine äußerst riskante Strategie, da sie ein genaues Timing des Einbruchs erfordert—denn wenn die Preise weiter steigen, können die Verluste untragbar werden. Sie können mit der Preisblase richtig liegen, aber wenn die Investierenden das Timing falsch wählen, ist der Preis, wenn sie die Aktien kaufen und an die Eigentümer:innen zurückgeben müssen, höher als zum Zeitpunkt des Verkaufs. Sie machen dann einen Verlust und sind möglicherweise nicht in der Lage, ihr Darlehen zurückzuzahlen.
Viele, die einen Vermögenswert kaufen, sind zwar von einem möglichen Einbruch überzeugt, hoffen aber, den Markt vorher zu verlassen. Dies war während der Preisblase im Technologiesektor der Fall, als Stanley Druckenmiller, Manager des Quantum Fund mit einem Vermögen von 8 Milliarden USD, Aktien von Technologieunternehmen hielt, von denen er wusste, dass sie überbewertet waren. Nachdem die Kurse eingebrochen waren und der Fond erhebliche Verluste erlitten hatte, beschrieb er seinen Fehler mit einer Baseball-Metapher. „Wir dachten, es sei das achte Inning, aber es war das neunte“, erklärte er, „ich habe meine Chance überschätzt.“
Übung 11.7 Was ist der Fundamentalwert eines Bitcoins?
Auf dem Markt für die virtuelle Währung Bitcoin könnte eine Preisblase entstanden sein. Bitcoin wurde im Jahr 2009 von einer anonymen Gruppe eingeführt. Wo Bitcoin akzeptiert wird, kann er von einer Person zur anderen als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen übertragen werden.
Im Gegensatz zu anderen Währungen wird der Bitcoin nicht von einer einzigen Stelle, zum Beispiel einer Zentralbank, kontrolliert. Stattdessen wird er von Einzelpersonen „geschürft“, die dabei ihre Rechenleistung zur Verfügung stellen, um Bitcoin-Transaktionen zu überprüfen und im „öffentlichen Hauptbuch“ zu speichern. Zu Beginn des Jahres 2013 konnte ein Bitcoin für etwa 13 USD erworben werden. Am 4. Dezember 2013 wurde er für 1147 USD gehandelt. Danach verlor er innerhalb von zwei Wochen mehr als die Hälfte des Wertes. Diese und die nachfolgenden Kursschwankungen sind in Abbildung 11.20 dargestellt.
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Abbildung 11.20 Der Wert von Bitcoin (2013–2021).
Coindesk.com. 2021. Bitcoin News, Prices, Charts, Guides & Analysis und Bitcoincharts. Beide abgerufen im Oktober 2021.
Verwenden Sie die Modelle in diesem Abschnitt sowie die Argumente für und gegen die Existenz von Preisblasen, um die Daten in Abbildung 11.20 zu erklären.
Übung 11.8 Die zehn größten Preisblasen bei Vermögenswerten der letzten 400 Jahre
Laut Charles Kindleberger, einem Wirtschaftshistoriker, sind Preisblasen bei Vermögenswerten in einer Vielzahl von Ländern und Zeiträumen aufgetreten. Die Preisblasen der letzten 100 Jahre konzentrierten sich vor allem auf Immobilien, Wertpapiere und ausländische Investitionen.12
- 1636: Die niederländische Tulpenblase
- 1720: Die Südseeblase
- 1720: Die Mississippi-Blase
- 1927–29: Die 1920er Börsenblase
- 1970s: Die Zunahme der Darlehen an Mexiko und andere Entwicklungsländer
- 1985–89: Die japanische Aktien- und Immobilienblase
- 1985–89: Die Wertpapier- und Immobilienblase in Finnland, Norwegen und Schweden
- 1990s: Die Wertpapier- und Immobilienblase in Thailand, Malaysia, Indonesien und mehreren anderen asiatischen Ländern zwischen 1992 und 1997 sowie der Anstieg ausländischer Investitionen in Mexiko 1990–99
- 1995–2000: Die Preisblase bei außerbörslichen Wertpapieren in den USA
- 2002–07: Die Immobilienblase in den USA, England, Spanien, Irland und Island
Suchen Sie sich eine dieser Preisblasen aus, erfahren Sie mehr darüber, und dann:
- Erzählen Sie die Geschichte dieser Preisblase anhand der Modelle in diesem Abschnitt.
- Erläutern Sie, inwieweit die Argumente im Kasten „Gibt es Preisblasen?“ in Abschnitt 11.7 über die Existenz von Preisblasen für Ihre Geschichte relevant sind.
Frage 11.7 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Welche der folgenden Aussagen über Preise für Vermögenswerte sind richtig?
- Wenn Erwartungen einen Preisanstieg verstärken, entfernt sich der Preis weiter vom Fundamentalwert und verursacht eine Blase.
- Positive Rückkopplung heißt, dass eine anfängliche Preisänderung einen Prozess in Gang setzt, der die anfängliche Veränderung vergrößert, so dass sich der Markt weiter vom Gleichgewicht entfernt.
- Eine negative Rückkopplung liegt vor, wenn eine anfängliche Preisänderung dadurch gebremst wird, dass andere Marktteilnehmende das Vermögen in dem Glauben verkaufen, dass der Preis nun über dem Fundamentalwert liegt.
- Wenn die Erwartungen des Fundamentalwertes einen Preisanstieg bremsen, bewegt sich der Markt zurück zum Gleichgewicht.
Frage 11.8 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Welche der folgenden Aussagen über Leerverkäufe sind richtig?
- Leerverkäufe ermöglichen es einer handelnden Person, durch den Verkauf von geliehenen Aktien zu profitieren, während der Kurs hoch ist, und sie zurückzukaufen (um sie den Eigentümer:innen), wenn der Kurs gefallen ist.
- Beim Leerverkauf verkaufen Sie Aktien, die Sie sich geliehen haben.
- Sobald Sie die Aktien zu einem bestimmten Preis verkauft haben, können Sie unbegrenzt Verluste machen, da der Preis weiter steigen kann.
- Leerverkäufe funktionieren nur dann, wenn der Zeitpunkt richtig gewählt ist (genau dann, wenn die Blase platzt). Andernfalls kann die Strategie zu einem großen Verlust führen.
11.9 Märkte ohne Markträumung: Rationierung, Warteschlangen und Sekundärmärkte
Für Beyoncés Welt-Tournee 2013 waren die Tickets für die Show in Auckland (Neuseeland) in 15 Minuten, für drei Veranstaltungsorte in England in 12 Minuten, und für Washington DC (USA) in weniger als einer Minute ausverkauft. Als der amerikanische Sänger Billy Joel im Oktober 2013 ein Überraschungskonzert in seiner Heimat Long Island, New York, ankündigte, waren alle verfügbaren Karten innerhalb weniger Minuten vergriffen. In beiden Fällen kann man mit Sicherheit sagen, dass es viele enttäuschte Kaufende gab, die Preise weit über den Ticketpreis gezahlt hätten. Bei dem von den Konzertveranstaltenden gewählten Preis überstieg die Nachfrage das Angebot.
Auch bei Sportereignissen gibt es oft einen Nachfrageüberhang nach Tickets. Das Londoner Organisationskomitee für die Olympischen Spiele 2012 erhielt 22 Millionen Anträge für 7 Millionen Eintrittskarten. Abbildung 11.21 ist eine stilisierte Darstellung der Situation für eine olympische Veranstaltung.
Die Anzahl der verfügbaren Eintrittskarten, 40 000, ist durch die Kapazität des Stadions festgelegt. Der Kartenpreis, bei dem Angebot und Nachfrage gleich ist, beträgt 225 GBP. Das Organisationskomitee entscheidet sich nicht für diesen Preis, sondern für einen niedrigeren Preis von 100 GBP; zu diesem Preis liegt die Nachfrage bei 70 000 Eintrittskarten. Es besteht ein Nachfrageüberhang von 30 000 Karten.
Abbildung 11.21 Nachfrageüberhang nach Eintrittskarten.
Einige derjenigen, die Eintrittskarten für eine beliebte Veranstaltung erwerben, könnten versucht sein, diese zu verkaufen, anstatt sie zu nutzen. In Abbildung 11.21 könnten alle, die eine Eintrittskarte für 100 GBP mit der Absicht des Weiterverkaufs kaufen, sie für mindestens 225 GBP verkaufen und damit eine Rente von 125 GBP erzielen (im Vergleich zur nächstbesten Alternative, keine Eintrittskarte zu kaufen).
Durch die potenziellen Renten kann ein Parallel- oder Sekundärmarkt entstehen. Bei Eintrittskarten für Konzerte und Sportveranstaltungen stammt ein Teil der anfänglichen Nachfrage von Schwarzhändler:innen, also Menschen, die durch den Weiterverkauf Gewinne erzielen wollen. Tickets erscheinen fast sofort auf Peer-to-Peer-Handelsplattformen wie StubHub oder Ticketmaster und werden zu Preisen angeboten, die ein Vielfaches des ursprünglich gezahlten Preises betragen können. In den letzten Tagen der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi wurden außerhalb des Parks die Eintrittskarten für den Olympischen Park mit einem Nennwert von 200 RUB für bis zu 4000 RUB verkauft.
Die Preise auf dem Sekundärmarkt gleichen Angebot und Nachfrage aus, und die Allokation erfolgt dementsprechend an diejenigen mit der größten Zahlungsbereitschaft. Die Annahme, dass dieser Markträumungspreis weit über dem Listenpreis liegt, ist zum Teil für die anfängliche rasante Nachfrage nach Eintrittskarten verantwortlich. Dennoch behalten einige Personen, die zu den niedrigeren Preisen kaufen, ihre Karten und besuchen eine Veranstaltung, die sie sich sonst nicht leisten könnten.
Die Veranstaltungsorganisierenden können versuchen, den Schwarzmarkt zu verhindern. In Sotschi sollten die Sicherheitsbeamten eingreifen. Es wird jedoch immer schwieriger, dies zu verhindern, da der Online-Verkauf mit Hilfe von „Ticket-Bots“ (Software, die automatisch Tickets innerhalb weniger Augenblicke nach ihrer Veröffentlichung kauft) neue Möglichkeiten für einen Schwarzhandel in großem Maßstab bietet. Die New York Times schätzt, dass der Schwarzhandel im Sommer 2016 mit nur 100 Aufführungen des Broadway-Musicals Hamilton 15,5 Millionen USD verdient hat.
- rationierte Güter
- Güter, die den kaufenden Personen durch einen anderen Prozess als den Preis zugeteilt werden (zum Beispiel durch Warteschlangen oder eine Lotterie).
Im Falle der Olympischen Spiele in London legte das Organisationskomitee den Preis fest, und die Tickets wurden per Lotterie zugeteilt. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Güter rationiert werden und nicht nach dem Preis zugeteilt zu werden. Die Organisierenden hätten einen viel höheren Preis wählen können (225 GBP für die Veranstaltung in Abbildung 11.21), welcher der Markträumung entsprochen hätte. Dies hätte jedoch bedeutet, dass Personen, die nicht mehr als 100 GBP gezahlt hätten, die Veranstaltung nicht gesehen hätten. Durch die Allokation der Eintrittskarten im Rahmen einer Lotterie haben auch Menschen mit einer geringeren Zahlungsbereitschaft (vielleicht weil sie über ein begrenztes Einkommen verfügen) die Spiele sehen.
Das Verfahren wurde in der Öffentlichkeit heftig diskutiert und sorgte für Verärgerung, doch IOC-Präsident Jacques Rogge verteidigte es als „offen, transparent und fair“.
Es gibt auch andere Fälle, in denen sich produzierende Unternehmen für einen anhaltenden Nachfrageüberhang entscheiden. Das New Yorker Restaurant Momofuku Ko bietet mittags ein 16-gängiges Degustationsmenü für 175 USD an und hat nur 12 Plätze. Online-Reservierungen können eine Woche im Voraus vorgenommen werden. Das Restaurant öffnet täglich um 10 Uhr und ist in der Regel innerhalb von drei Sekunden ausverkauft. Im Jahr 2008 verkaufte der Inhaber David Chang eine Reservierung bei einer Wohltätigkeitsauktion für 2870 USD. Selbst wenn man berücksichtigt, dass Menschen bereit sind, mehr für einen Gegenstand zu zahlen, wenn der Erlös an einen wohltätigen Zweck geht, deutet dies auf einen beträchtlichen Nachfrageüberhang nach Reservierungen hin—allerdings hat Chang den Preis nicht erhöht.
Übung 11.9 IOC-Politik
- Halten Sie die Politik des IOC, eine Lotterie durchzuführen, für fair?
- Ist sie Pareto-effizient? Erklären Sie, warum oder warum nicht.
- Wie beurteilen Sie anhand der Kriterien der Fairness und der Pareto-Effizienz die weithin kritisierte Praxis des „Schwarzhandels“ von Eintrittskarten?
- Fallen Ihnen noch andere Argumente für oder gegen den Schwarzhandel ein?
Übung 11.10 Der Preis einer Eintrittskarte
Erläutern Sie, warum die verkaufende Person eines Gutes mit festem Angebot (zum Beispiel Konzertkarten oder Restaurantreservierungen) einen Preis festsetzt, von dem sie weiß, dass er für eine Markträumung zu niedrig ist.
Frage 11.9 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 11.21 ist eine stilisierte Darstellung des Marktes für ein Ereignis bei den Olympischen Spielen 2012 in London. 40 000 Eintrittskarten wurden per Lotterie zum Preis von je 100 GBP vergeben.
Nehmen wir an, dass die Kaufenden ihre Eintrittskarten auf dem Sekundärmarkt weiterverkaufen können. Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Bei einem Angebot von 40 000 Losen hätte sich der Markt bei 225 GBP stabilisiert.
- 70 000 Personen wollten Karten haben, aber nur 40 000 wurden nach dem Zufallsprinzip zugeordnet.
- Auf dem sekundären Markt könnte die Eintrittskarte für 225 GBP verkauft werden, so dass die ökonomische Rente 125 GBP beträgt.
- Da das Angebot auf 40 000 Karten begrenzt ist, hätte der Verkauf aller Karten zu einem Preis von 225 GBP den Gewinn der Veranstaltenden erhöht. Sie zogen es jedoch vor, einen Preis festzulegen, der für mehr Menschen erschwinglich ist.
11.10 Märkte mit kontrollierten Preisen
Im Dezember 2013, an einem ungewöhnlich kalten und verschneiten Samstag in New York City, stieg die Nachfrage nach Taxidienstleistungen spürbar an. Die vertrauten gelben und grünen Taxis mit Taxameter, die zu einem festen Tarif (mit geringfügigen Anpassungen für die Spitzen- und Nachtstunden) fahren, waren schwer zu finden. Wer ein Taxi suchte, war entsprechend rationiert oder musste lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
Doch es gab eine Alternative—ein weiteres Beispiel für einen sekundären Markt: den App-basierten Taxidienst Uber, der im März 2017 in 81 Ländern tätig war. Dieses neue Unternehmen im Nahverkehr nutzt einen geheimen Algorithmus, der schnell auf veränderte Nachfrage- und Angebotsbedingungen reagiert.
Normale Taxitarife ändern sich nicht mit dem Wetter, aber die Preise von Uber können sich erheblich ändern. In dieser Dezembernacht führte der Uber-Algorithmus zu Preisen, die mehr als das Siebenfache des Standardtarifs von Uber betrugen. Diese Preisspitze dämpfte einen Teil der Nachfrage, führte aber auch zu einem erhöhten Angebot, da Fahrer:innen, die eigentlich Feierabend gemacht hätten, auf der Straße blieben.
Die Stadtverwaltungen regulieren die Taxitarife oft als Teil ihrer Verkehrspolitik, zum Beispiel um Sicherheitsstandards aufrechtzuerhalten und Verkehrsstaus zu minimieren. In einigen Ländern kontrolliert die lokale oder nationale Regierung auch die Wohnungsmiete. Manchmal geschieht dies zum Schutz der Mietenden, die in ihren Beziehungen zu den Vermietenden wenig Verhandlungsmacht haben, oder weil die städtischen Mietkosten für wichtige Gruppen von Arbeitskräften zu hoch sind.
Abbildung 11.22 zeigt eine Situation, in der die lokale Regierung beschließen könnte, die Wohnungsmiete in einer Stadt zu kontrollieren. Zu Beginn befindet sich der Markt im Gleichgewicht, mit 8000 Mietverhältnissen zu einer Miete von 500 EUR—wir haben eine Markträumung. Nehmen wir nun an, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen steigt. Die Mieten werden steigen, da das Angebot an Mietwohnungen zumindest kurzfristig unelastisch ist: Der Bau neuer Wohnungen würde Zeit in Anspruch nehmen, sodass nur dann sofort mehr Wohnungen angeboten werden können, wenn einige Eigentümer:innen beschließen, woanders zu wohnen und ihr Eigenheim zu vermieten.
- Mietobergrenze
- Der gesetzliche Höchstpreis, den eine vermietende Person für eine Miete verlangen kann.
Angenommen, die Stadtverwaltung befürchtet, dass diese Mieterhöhung für viele Familien unerschwinglich wäre, und legt daher eine Mietobergrenze von 500 EUR fest. Folgen Sie den Schritten in Abbildung 11.22, um zu sehen, was passiert.
- Short Side (eines Marktes)
- Die Seite (entweder Angebotsseite oder Nachfrageseite), auf der die Zahl der gewünschten Transaktionen am geringsten ist (zum Beispiel befinden sich die Unternehmen auf der short side des Arbeitsmarktes, da in der Regel mehr Arbeitskräfte Arbeit suchen, als Stellen angeboten werden). Das Gegenteil der Short Side ist die Long Side. Siehe auch: Angebotsseite, Nachfrageseite.
Bei einem kontrollierten Preis von 500 EUR gibt es einen Nachfrageüberhang. Im Allgemeinen führt ein kontrollierter Preis nicht zu einer Markträumung, und die Transaktion findet dann auf der Short Side des Marktes statt: Das heißt, es wird die Menge gehandelt, die unter den angebotenen und nachgefragten Mengen, die geringere ist. In Abbildung 11.22 ist der Preis niedrig und die Anbietenden befinden sich auf der Short Side. Wäre der Preis hoch (über dem Gleichgewichtspreis), würden die Nachfragenden auf der Short Side stehen.
Bei einer Miete von 500 EUR gibt es 8000 Mietverhältnisse. Von den 12 000 Personen, die auf der Long Side des Marktes stehen, würden 8000 Personen 1100 EUR oder mehr zahlen. Allerdings erfolgt die Allokation nicht an diejenigen mit der höchsten Zahlungsbereitschaft. Diejenigen, die das Glück haben, eine Wohnung zu bekommen, können irgendwo auf der neuen Nachfragekurve über 500 EUR liegen.
Diese kurze volkswirtschaftliche Analyse der Pariser Mietpreisbindung zeigt die kontraproduktiven Auswirkungen auf: Jean Bosvieux und Oliver Waine. 2012. ‘Rent Control: A Miracle Solution to the Housing Crisis?’. Metropolitics. Aktualisiert am 21. November 2012.
Richard Arnott hingegen plädiert dafür, dass Ökonominnen und Ökonomen ihre traditionelle Ablehnung der Mietpreisbindung überdenken sollten: Richard Arnott. 1995. ‘Time for Revisionism on Rent Control?’. Journal of Economic Perspectives 9 (1) (February): pp. 99–120.
Die Politik der Mietpreisbindung legt mehr Gewicht auf die Aufrechterhaltung einer Miete, die als fair und für die bestehenden Mietenden, die andernfalls zum Auszug gezwungen wären, als erschwinglich angesehen wird, als auf die Pareto-Effizienz. Die Knappheit von Mietwohnungen führt zu einer potenziellen ökonomischen Rente: Wäre die Untervermietung legal (was in der Regel nicht der Fall ist), könnten einige Mietende ihre Wohnung untervermieten und so eine ökonomische Rente von 600 EUR erzielen (die Differenz zwischen 1100 EUR und 500 EUR).
Wenn sich der Anstieg der Nachfrage als dauerhaft erweist, könnte die langfristige Lösung für die Stadtverwaltung darin bestehen, den Wohnungsbau zu fördern und die Angebotskurve so zu verschieben, dass mehr Wohnungen zu einer angemessenen Miete zur Verfügung stehen.
Übung 11.11 Warum nicht den Preis anheben?
Diskutieren Sie die folgende Aussage: „Der starke Anstieg der Taxipreise an einem verschneiten Tag in New York führte zu heftiger Kritik der sozialen Medien an Uber, aber ein starker Anstieg des Goldpreises hat keine solche Wirkung.“
Frage 11.10 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 11.22 veranschaulicht den Markt für Mietwohnungen. Zu Beginn ist der Markt bei einer Miete von 500 EUR mit 8000 Mietverhältnissen ausgeglichen. Dann verschiebt sich die Nachfragekurve nach außen, wie in der Abbildung dargestellt. Daraufhin führt die Stadtverwaltung eine Mietobergrenze von 500 EUR ein und verbietet die Untervermietung. Welche der folgenden Aussagen sind auf der Grundlage dieser Informationen richtig?
- Bei einem Preis von 500 EUR wollen 12 000 Personen eine Wohnung mieten, aber es sind nur 8000 verfügbar.
- Der Markt würde bei 830 EUR geräumt.
- Diejenigen, die untervermieten, könnten unter der neuen Nachfragekurve eine Miete von 1100 EUR verlangen, was eine ökonomische Rente von 600 EUR ergibt.
- Wenn genügend Häuser gebaut werden, würde sich die Angebotskurve nach außen verschieben und der Markt würde sich wieder bei 500 EUR einpendeln.
11.11 Die Rolle der ökonomischen Rente
Eine ökonomische Rente ist eine Zahlung oder ein anderer Vorteil, den eine Person erhält, die besser ist als ihre nächstbeste Alternative. In dieser Einheit haben wir gesehen, wie ökonomische Renten bei Veränderungen der Wirtschaft eine Rolle spielen.
- Im realen Fall der Fischer:innen aus Kerala und im hypothetischen Markt für Hüte führte das Rent-Seeking der Kaufenden oder Verkaufenden als Reaktion auf einen Angebots- oder Nachfrageüberhang zu einem markträumenden Gleichgewicht.
- Im Modell des Brotmarktes können in einem kurzfristigen Gleichgewicht, in dem die Anzahl der Unternehmen festgelegt ist, Renten (wirtschaftliche Gewinne) entstehen. Auf lange Frist treten weitere Bäckereien in den Markt ein, um diese Renten zu erzielen.
- Auf dem Weltmarkt für Erdöl entstehen Renten für die Produzierenden und Verbrauchenden durch Beschränkungen, die die Angebots- und Nachfragekurven kurzfristig unelastisch machen. Sie bieten aber wiederum Anreize für eue Bohrlöcher für die Exploration.
- Auf Märkten für Vermögenswerte entstehen Renten, wenn der Preis vom Fundamentalwert des Vermögens abweicht, was Möglichkeiten für Spekulationen bietet und das Potenzial für Preisblasen schafft.
- Auf Märkten, auf denen keine Markträumung stattfindet, weil die Preise kontrolliert werden, führt ein Nachfrageüberhang zu einer potenziellen ökonomischen Rente, die (sofern sie nicht durch Regulierung verhindert wird) zur Entwicklung eines Sekundärmarktes mit Markträumung führt.
- Ein weiteres Beispiel aus Einheit 2 ist die von frühen Innovatorinnen und Innovatoren erzielte Innovationsrente, die einen Anreiz zur Übernahme einer neuen Technologie bietet.
- Ungleichgewichtsrente
- Die ökonomische Rente, die entsteht, wenn sich ein Markt nicht im Gleichgewicht befindet, zum Beispiel bei Nachfrageüberhang oder Angebotsüberhang auf einem Markt für eine Ware oder Dienstleistung. Im Gegensatz dazu werden Renten, die im Gleichgewicht entstehen, Gleichgewichtsrenten genannt.
- Gleichgewichtsrente
- Ökonomische Rente in einem Markt, der sich im Gleichgewicht befindet. Auch bekannt als: stationäre oder persistente Renten.
In jedem dieser Beispiele entstehen die Renten aufgrund eines Ungleichgewichts oder einer kurzfristigen Beschränkung—wir nennen sie dynamische Renten oder Ungleichgewichtsrenten. Sie setzen einen Prozess in Gang—Rent-Seeking—, der letztlich ein Gleichgewicht schafft, in dem diese Art von Renten nicht mehr existiert. Im Gegensatz dazu haben wir auch Beispiele für persistente oder stationäre Renten gesehen. Die wichtigsten Beispiele sind in der Tabelle in Abbildung 11.23 dargestellt.
Typ | Beschreibung | Einheit |
---|---|---|
Verhandlung | Um wie viel übersteigt das Ergebnis in einer Verhandlungssituation die Reservationsoption (nächstbeste Alternative) | 4.5 |
Beschäftigung | Löhne und Bedingungen, die über der Reservationsoption einer beschäftigten Person liegen und einen Anreiz für harte Arbeit bieten | 6.9 |
Monopol | Gewinne, die—als Folge von begrenztem Wettbewerb—über den Gewinnen bei perfektem Wettbewerb liegen | 7 |
Staatlich induziert | Zahlungen oberhalb der nächstbesten Alternative der Agierenden, die aufgrund staatlicher Regulierung (zum Beispiel Mietpreisbindung, Rechte an geistigem Eigentum) nicht durch Wettbewerb reduziert werden können | 9 |
Abbildung 11.23 Beispiele stationärer Renten.
In den in dieser Einheit untersuchten Modellen haben wir gesehen, dass es Ungleichgewichtsrenten gibt, die Anreize für die Menschen schaffen, die von ihnen gehandelten Preise oder Mengen zu ändern und so die Markträumung herbeizuführen (falls das noch nicht der Fall ist). Auf dem Arbeitsmarkt (siehe Einheit 9) ist das anders: Hier gibt es keine Markträumung im Gleichgewicht. Die Beschäftigten erhalten daher eine Rente—die Differenz zwischen dem Lohn und ihrer Reservationsoption. In diesem Fall handelt es sich jedoch um eine dauerhafte Rente oder Gleichgewichtsrente: Da ein Vertrag über harte Arbeit nicht einklagbar ist, können keine kaufende Person (das arbeitgebende Unternehmen) oder verkaufende Person (die Arbeitskraft) davon profitieren, indem sie ihre Preise oder ihre Mengen ändern.
Ökonomische Renten und Rent-Seeking haben in der Wirtschaft oft einen schlechten Ruf. Die Menschen lehnen sie ab, weil sie unter Renten solche verstehen, die durch private oder von der Regierung geschaffene Monopole (Taxilizenzen, Rechte an geistigem Eigentum) entstehen. Diese Renten deuten darauf hin, dass das Gut oder die Dienstleistung zu einem Preis verkauft wird, der über den Grenzkosten liegt, sodass die Märkte für diese Güter nicht Pareto-effizient sind.
Aber wir haben jetzt gesehen, wie nützlich einige ökonomische Renten sind. Sie fördern Innovationen, bieten Anreize für Beschäftigte, sich anzustrengen, ermutigen den Markteinstieg neuer Unternehmen und senken dadurch die Preise für die Verbrauchenden. Zusätzlich können sie einen aus dem Gleichgewicht geratenen Markt in ein Pareto-effizientes Gleichgewicht bringen.
Frage 11.11 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Welche der folgenden sind stationäre Renten?
- Die Innovationsrente ist nur vorübergehend, bis andere Unternehmen aufholen—es handelt sich um eine dynamische Rente.
- Die arbeitgebenden Unternehmen werden weiterhin Löhne über dem Reservationslohn zahlen, da die Beschäftigten sonst ihre Arbeitsleistung reduzieren würden.
- Wenn der Wettbewerb begrenzt ist, werden die Unternehmen weiterhin dort produzieren, wo der Preis über den Grenzkosten liegt.
- Das ist eindeutig nicht dauerhaft!
11.12 Schlussfolgerung
Preise sind Botschaften über die Bedingungen in einer Wirtschaft. In Situationen des Marktungleichgewichts oder des kurzfristigen Gleichgewichts (aufgrund vorübergehender Beschränkungen) handeln die Menschen, wenn sie dazu in der Lage sind, auf der Grundlage von Preisbotschaften, um ökonomische Renten zu erzielen. Auf den Gütermärkten führt dies häufig zu einer langfristigen Markträumung und dem letztendlichen Verschwinden der Renten.
Vermögenswerte werden teilweise wegen ihres Wiederverkaufswerts gekauft. Auf den Märkten für finanzielle Vermögenswerte ändern sich Angebot und Nachfrage rasch, wenn die Händler:innen neue Informationen erhalten. Der Preis passt sich in einer kontinuierlichen Doppelauktion an, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Die Preise auf den Märkten für Vermögenswerte senden den Händler:innen Botschaften über zukünftige Preise, was dazu führen kann, dass der Preis vom Fundamentalwert des Vermögens abweicht; in diesem Fall kann Rent-Seeking zu einer Preisblase oder einem Crash führen.
Manchmal setzen sich Anbietende oder Regulierungsbehörden über die Preisbotschaften hinweg, was zu einem Angebot- oder Nachfrageüberhang führt, zum Beispiel bei Konzertkarten, Taxis oder Mietverträgen. Ökonomische Renten können dann fortbestehen—es sei denn, es wird zugelassen, dass sich ein Sekundärmarkt entwickelt.
In Einheit 11 eingeführte Konzepte
Bevor Sie fortfahren, sollten Sie die folgenden Definitionen durchgehen:
- Marktgleichgewicht durch Rent-Seeking
- Langfristiges und kurzfristiges Gleichgewicht
- Fundamentalwert eines Vermögens
- Kontinuierliche Doppelauktion
- Orderbuch
- Preisblase
- Stabiles und instabiles Gleichgewicht
- Sekundär- und Primärmärkte
- Dynamische und stationäre ökonomische Renten
11.13 Quellen
- Arnott, Richard. 1995. ‘Time for Revisionism on Rent Control?’. Journal of Economic Perspectives 9 (1) (February): pp. 99–120.
- Bosvieux, Jean, und Oliver Waine. 2012. ‘Rent Control: A Miracle Solution to the Housing Crisis?’. Metropolitics. Aktualisiert am 21. November 2012.
- Brunnermeier, Markus. 2009. ‘Lucas Roundtable: Mind the frictions’. The Economist. Aktualisiert am 6. August 2009.
- Cassidy, John. 2010. ‘Interview with Eugene Fama’. The New Yorker. Aktualisiert am 13. Januar 2010.
- Harford, Tim. 2012. ‘Still Think You Can Beat the Market?’. The Undercover Economist. Aktualisiert am 24. November 2012.
- Hayek, Friedrich A. 1994. The Road to Serfdom. Chicago, Il: University of Chicago Press.
- Keynes, John Maynard. 1936. The General Theory of Employment, Interest and Money. London: Palgrave Macmillan.
- Kindleberger, Charles P. 2005. Manias, Panics, and Crashes: A History of Financial Crises (Wiley Investment Classics). Hoboken, NJ: Wiley, John & Sons.
- Lucas, Robert. 2009. ‘In defence of the dismal science’. The Economist. Aktualisiert am 6. August 2009.
- Malkiel, Burton G. 2003. ‘The Efficient Market Hypothesis and Its Critics’. Journal of Economic Perspectives 17 (1) (March): pp. 59–82.
- Miller, R. G., und S. R. Sorrell. 2013. ‘The Future of Oil Supply’. Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences 372 (2006) (December).
- Owen, Nick A., Oliver R. Inderwildi, und David A. King. 2010. ‘The Status of Conventional World Oil Reserves—Hype or Cause for Concern?’. Energy Policy 38 (8) (August): pp. 4743–4749.
- Shiller, Robert J. 2003. ‘From Efficient Markets Theory to Behavioral Finance’. Journal of Economic Perspectives 17 (1) (March): pp. 83–104.
- Shiller, Robert J. 2015. ‘The Stock Market in Historical Perspective’. In Irrational Exuberance. Princeton, NJ: Princeton University Press.
- The Economist. 2014. ‘Keynes and Hayek: Prophets for Today’. Aktualisiert am 14. März 2014.
-
Friedrich A. Hayek. 1994. The Road to Serfdom. Chicago, Il: University of Chicago Press. ↩
-
‘Keynes and Hayek: Prophets for Today’. The Economist. Aktualisiert am 14. März 2014. ↩
-
R. G. Miller und S. R. Sorrell. 2013. ‘The Future of Oil Supply’. Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences 372 (2006) (December). ↩
-
Nick A. Owen, Oliver R. Inderwildi, und David A. King. 2010. ‘The status of conventional world oil Reserves—Hype or cause for concern?’ Energy Policy 38 (8) (August): pp. 4743–4749. ↩
-
Eugene Fama, zitiert aus ‘Interview with Eugene Fama’, The New Yorker. (2010). ↩
-
Tim Harford. 2012. ‘Still Think You Can Beat the Market?’. The Undercover Economist. Aktualisiert am 24. November 2012. ↩
-
Wenn die Hypothese des effizienten Marktes richtig ist, wie konnte es dann zur Finanzkrise 2008 kommen? Robert Lucas über die Hypothese des effizienten Marktes von Fama: Robert Lucas. 2009. ‘In Defence of the Dismal Science’. The Economist. Aktualisiert am 6. August 2009. ↩
-
Brunnermeier argumentiert, Lucas habe zu Recht betont, dass Finanzmarktfriktionen ein Gegenargument zur Hypothese des effizienten Marktes sind: Markus Brunnermeier. 2009. ‘Lucas Roundtable: Mind the Frictions’. The Economist. Aktualisiert am 6. August 2009.
Robert J. Shiller. 2003. ‘From Efficient Markets Theory to Behavioral Finance’. Journal of Economic Perspectives 17 (1) (March): pp. 83–104.
Burton G. Malkiel. 2003. ‘The Efficient Market Hypothesis and Its Critics’. Journal of Economic Perspectives 17 (1) (March): pp. 59–82. ↩
-
Die klassische Untersuchung von Preisblasen wurde von John Maynard Keynes in Kapitel 12 seiner ‚Allgemeinen Theorie‘ vorgenommen. John Maynard Keynes. 1936. The General Theory of Employment, Interest and Money. London: Palgrave Macmillan. ↩
-
John Cassidy. 2010. ‘Interview with Eugene Fama’. The New Yorker. Aktualisiert am 13. Januar 2010. ↩
-
Robert J. Shiller. 2015. Irrational Exuberance, Chapter 1 1. Princeton, NJ: Princeton University Press. ↩
-
Charles P. Kindleberger. 2005. Manias, Panics, and Crashes: A History of Financial Crises (Wiley Investment Classics). Hoboken, NJ: Wiley, John & Sons. ↩