Einheit 17 Die Great Depression, das Goldene Zeitalter und die globale Finanzkrise
Ökonominnen und Ökonomen konnten aus drei Phasen des wirtschaftlichen Abschwungs und der Instabilität, welche den Trend der allgemeinen Verbesserungen des Lebensstandards in den Volkswirtschaften mit hohem Pro-Kopf-BIP seit dem Ende des Ersten Weltkriegs unterbrochen haben, verschiedene Erkenntnisse gewinnen
- In den 100 Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gab es drei ausgeprägte wirtschaftliche Epochen: die Goldenen Zwanziger und die Great Depression, das Goldene Zeitalter des Kapitalismus und die Stagflation sowie die Great Moderation und die darauf folgende Finanzkrise von 2008.
- Das Ende jeder dieser Epochen—der Börsencrash von 1929, der Rückgang der Gewinne und Investitionen in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren, der im Ölpreisschock von 1973 gipfelte, beziehungsweise die Finanzkrise von 2008—war ein Zeichen dafür, dass die Institutionen, die die Wirtschaft bis zu diesem Zeitpunkt kennzeichneten, versagt hatten.
- Die neuen Institutionen, die das Goldene Zeitalter des Kapitalismus kennzeichneten—die Stärkung der Gewerkschaften und die Staatsausgaben für Sozialversicherung—waren eine Antwort auf die durch die Great Depression deutlich gewordenen Probleme der aggregierten Nachfrage und gingen mit einem raschen Produktivitätswachstum, Investitionen und sinkender Ungleichheit einher.
- Dennoch endete das Goldene Zeitalter mit einer Rentabilitäts-, Investitions- und Produktivitätskrise, auf die eine Stagflation folgte.
- Die als Reaktion auf das Ende des Goldenen Zeitalters ergriffenen Maßnahmen sorgten zwar für hohe Gewinne und eine niedrige Inflation, aber nicht für die Wiederherstellung des Investitions- und Produktivitätswachstums der vorangegangenen Epoche und machten die Volkswirtschaften anfällig für schuldengetriebene finanzielle Booms. Einer dieser Booms löste 2008 eine globale Finanzkrise aus.
Am Samstag, dem 7. Februar 2009, rückten vor Sonnenaufgang 3582 Feuerwehrleute im australischen Bundesstaat Victoria aus. Es sollte der Tag sein, der den Menschen in Australien als Schwarzer Samstag in Erinnerung bleibt: der Tag, an dem Buschbrände 400 000 Hektar verwüsteten, 2056 Häuser zerstörten und 173 Menschenleben forderten.
Doch als sich die Feuerwehren an diesem Morgen in Stellung brachten, gab es noch keine Meldungen über Brände. Was alle Feuerwehrleute in Victoria mobilisiert hatte, war der McArthur Forest Fire Danger Index (FFDI), der am Vortag den (bis dahin) kalibrierten Höchstwert von 100 überschritten hatte—ein Wert, der zuvor nur bei den Buschbränden im Januar 1939 erreicht worden war. Wenn der FFDI über 50 liegt, bedeutet dies eine „extreme“ Gefahr. Ein Wert über 100 bedeutet „katastrophale“ Gefahr. Am 6. Februar 2009 hatte der Wert 160 erreicht.
Später gab es Anschuldigungen, Gerichtsverfahren und sogar eine Royal Commission (eine für bestimmte Themen einberufene Expertenkommission), die klären sollte, wer oder was die schlimmste Naturkatastrophe Australiens verursacht hatte. Es gab viele mögliche Ursachen: Blitzeinschläge, Funken von landwirtschaftlichen Maschinen, defekte Stromleitungen oder sogar Brandstiftung.
Der Auslöser für den Schwarzen Samstag war weder ein einziger Funke noch ein Blitzschlag. Jeden Tag entzündeten Funken kleine Buschbrände; allein an diesem Tag meldete die Royal Commission 316 einzelne Gras-, Busch- oder Waldbrände. Die Katastrophe wurde nicht durch einen dieser lokalen Brände ausgelöst, sondern durch Bedingungen, die viele eigentlich leicht einzudämmende Buschbrände in eine noch nie dagewesene Katastrophe verwandelten.
Kleine Auslöser haben manchmal einen großen Effekt. Lawinen sind ein weiteres Beispiel dafür, dass ein kleiner Auslöser große Auswirkungen haben kann. Ähnlich ist es in Stromnetzen: Fällt ein Teil des Stromnetzes aus, kann es zu einer Überlastung anderer Teile kommen, was zu einer Kaskade von Ausfällen und einem Stromausfall führen kann.1
- Great Depression
- Die Phase eines starken Rückgangs von Produktion und Beschäftigung in vielen Ländern in den 1930er Jahren.
Kleine Auslöser mit großen Folgen gibt es auch in der Wirtschaft, zum Beispiel bei der Great Depression der 1930er Jahre und der globalen Finanzkrise von 2008.
Wie wir gesehen haben, sind Rezessionen zwar charakteristisch für kapitalistische Volkswirtschaften, aber sie gehen nur selten in Episoden anhaltender Schrumpfung der Wirtschaft über. Der Grund dafür ist eine Kombination aus den selbstkorrigierenden Mechanismen der Wirtschaft und dem erfolgreichen Eingreifen der politischen Entscheidungsträger:innen. Konkret bedeutet dies:
- Die privaten Haushalte ergreifen vorbeugende Maßnahmen, die Schocks eher dämpfen als verstärken (Einheit 13).
- Regierungen setzen automatische Stabilisatoren ein (Einheit 14).
- Regierungen und Zentralbanken ergreifen Maßnahmen, die bei Schocks eher negative als positive Rückkopplungen erzeugen (Einheiten 14 und 15).
- globale Finanzkrise
- Diese begann 2007 mit dem Zusammenbruch der Immobilienpreise in den USA. Dies führte zu einem Preiseinbruch bei Vermögenswerten, die auf Subprime-Hypotheken basierten. Als Folge stellte sich eine weit verbreiteten Unsicherheit über die Solvenz der Banken in den USA und Europa, die Kredite zum Kauf solcher Vermögenswerte aufgenommen hatten. ein. Die Auswirkungen waren auf der ganzen Welt zu spüren, da der Welthandel drastisch eingeschränkt wurde. Regierungen und Zentralbanken reagierten darauf mit umfangreichen Stabilisierungsmaßnahmen.
- Goldenes Zeitalter (des Kapitalismus)
- Die Periode hohen Produktivitätswachstums, hoher Beschäftigung und niedriger und stabiler Inflation, die sich vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die frühen 1970er Jahre erstreckte.
Aber so wie am Schwarzen Samstag kommt es gelegentlich zu einer großen wirtschaftlichen Katastrophe. In dieser Einheit befassen wir uns mit drei Krisen, die den Wachstumstrend und den steigenden Lebensstandard im letzten Jahrhunder in den Volkswirtschaften mit hohem Pro-Kopf-BIP unterbrochen haben—die Great Depression der 1930er Jahre, das Ende des goldenen Zeitalters des Kapitalismus in den 1970er Jahren und die globale Finanzkrise von 2008.
Die globale Finanzkrise von 2008 hat Haushalte, Unternehmen und Regierungen auf der ganzen Welt überrascht. Ein scheinbar kleines Problem in einem unbedeutenden Teil des Immobilienmarktes in den USA ließ die Immobilienpreise einbrechen, was zu einer Kaskade unbezahlter Schulden auf der ganzen Welt und einem Einbruch der globalen Industrieproduktion und des Welthandels führte.
Ökonominnen und Ökonomen sowie Historiker:innen erinnerten die Ereignisse des Jahres 2008 auf erschreckende Weise an den Beginn der Great Depression im Jahr 1929. Zum ersten Mal sorgten sie sich um die Höhe des wenig bekannten Baltic Dry Index, einem Index für die Verschiffungspreise von Rohstoffen wie Eisen, Kohle und Getreide. Wenn der Welthandel boomt, ist die Nachfrage nach diesen Rohstoffen hoch. Das Angebot an Frachtkapazitäten ist jedoch unelastisch, sodass die Verschiffungspreise steigen und der Index nach oben geht. Im Mai 2008 erreichte der Baltic Dry Index seinen höchsten Stand seit seiner ersten Veröffentlichung im Jahr 1985. Aber auch das Gegenteil ist der Fall (also im Abschwung geht die Nachfragenach Rohstoffen zurück, der Index sinkt): Im Dezember prüften viel mehr Menschen den Index, weil er um 94 % gefallen war. Der Rückgang rührte daher, dass Tausende von Meilen entfernt von den mit Brettern vernagelten Häusern bankrotter ehemaliger Hauseigentümer:innen in Arizona und Kalifornien, wo die Krise ihren Anfang genommen hatte, riesige 100-Millionen-Dollar-Frachter nicht mehr fuhren, weil es keinen Handel für sie zu transportieren gab.
2008 erinnerten sich Ökonominnen und Ökonomen an die Erkenntnisse aus der Great Depression.2 Sie forderten politische Entscheidungsträger:innen weltweit koordinierte Maßnahmen zu ergreifen, um den Zusammenbruch der aggregierten Nachfrage aufzuhalten und das Bankensystem funktionsfähig zu halten.
Aber Ökonominnen und Ökonomen tragen auch einen Teil der Verantwortung für die Politik, die diese Krise begünstigt hat. 30 Jahre lang waren die unregulierten Finanzmärkte und andere Märkte stabil. Einige Ökonominnen und Ökonomen gingen fälschlicherweise davon aus, dass die Finanzmärkte gegen Instabilität immun seien. Die Ereignisse von 2008 zeigen also auch, wie das Versäumnis, aus der Geschichte zu lernen, zur nächsten Krise beiträgt.
- Subprime-Kreditnehmender
- Eine Person mit einer niedrigen Bonität und einem hohen Ausfallrisiko. Siehe auch: Subprime-Hypothek.
- positive Rückkopplung (Prozess)
- Ein Prozess, bei dem eine anfängliche Veränderung einen Prozess in Gang setzt, der die anfängliche Veränderung verstärkt. Siehe auch: negative Rückkopplung (Prozess).
Wie konnte ein kleines Problem auf dem US-Immobilienmarkt die globale Wirtschaft an den Rand einer Katastrophe bringen?
- Das trockene Gestrüpp: In Einheit 18 werden Sie sehen, dass die Globalisierung der internationalen Märkte, gemessen am Umfang der ausländischen Vermögenswerte im Besitz von inländischen Personen, rasch zunahm. Gleichzeitig fand eine Globalisierung des Bankwesens statt. Ein Teil der unregulierten Ausweitung der Darlehensvergabe durch globale Banken endete mit der Finanzierung von Hypothekenaufnahmen für sogenannte Subprime-kreditnehmende Personen in den USA.
- Der Funke: Fallende Immobilienpreise führten dazu, dass Banken mit sehr hohem Leverage und mit einem entsprechend dünnen Polster an Nettovermögen in den USA, Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und anderswo schnell insolvent wurden.
- Das positive Feedback: Angst ging um die Welt und die Kundschaft stornierte ihre Bestellungen. Die aggregierte Nachfrage sank drastisch. Die gute Vernetzung zwischen den globalen Banken und die Möglichkeit massiver Transaktionen in Sekundenschnelle machten übermäßigen Leverage zu einer immer gefährlicheren Quelle der Instabilität.
- Die Fehleinschätzungen der politischen Entscheidungsträger:innen: Mit wenigen Ausnahmen glaubten die meisten politischen Entscheidungsträger:innen sowie die Ökonominnen und Ökonomen, deren Rat sie einholten, immer noch, dass der Finanzsektor in der Lage sei, sich selbst zu regulieren. Die internationale Zentralbank für Zentralbanken—die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel—ließ den Banken einen großen Spielraum bei der Wahl ihres Leverage-Niveaus. Die Banken konnten ihre eigenen Modelle zur Berechnung des Risikos ihrer Vermögenswerte verwenden. Sie konnten die internationalen Regulierungsstandards für Leverage einhalten, indem sie das Risiko ihrer Vermögenswerte aus ökonomischer Sicht zu niedrig ansetzten und riskante Vermögenswerte in sogenannten Schattenbanken parkten, die ihnen gehörten, aber nicht in den Geltungsbereich der Bankenvorschriften fielen. All dies war völlig legal. Viele Ökonominnen und Ökonomen glaubten bis zum Ausbruch der Krise weiterhin, dass wirtschaftliche Instabilität der Vergangenheit angehöre. Es ist, als ob die australischen Feuerwehrleute beobachtet hätten, wie der Forest Fire Danger Index auf 160 stieg, aber nichts unternahmen, weil sie nicht glaubten, dass ein Feuer möglich sei.
Im Jahr 1666 wurde der Bürgermeister von London gerufen, um einen Brand zu inspizieren, der kurz zuvor in der Stadt ausgebrochen war. Er hätte den Brand vielleicht aufhalten können, wenn er den Abriss der umliegenden Häuser erlaubt hätte. Doch er schätzte die Gefahr, die von dem Feuer ausging, als gering ein und fürchtete die Kosten für die Entschädigung der Hauseigentümer:innen. Das Feuer breitete sich aus, und der Große Brand von London zerstörte schließlich den größten Teil der Stadt. Wie der Bürgermeister zögerten auch die politischen Entscheidungsträger:innen des 20. Jahrhunderts, den Finanzsektor stärker zu regulieren, weil dies die Rentabilität des Sektors geschmälert hätte. Sie erkannten nicht die weitaus höheren Kosten, die ihre Fehleinschätzungen bei der Regulierung für die Wirtschaft bedeuten würde.3
Einige der Beteiligten gaben im Nachhinein zu, dass ihr Glaube an die Stabilität der Wirtschaft falsch gewesen war. Alan Greenspan beispielsweise, der zwischen 1987 und 2006 an der Spitze der US-Zentralbank (Federal Reserve) stand, gab diesen Irrtum vor einem Ausschuss der US-Regierung zu.
Wie Ökonominnen und Ökonomen aus Fakten lernen ‚Ich habe einen Fehler gemacht‘
Am 23. Oktober 2008, wenige Wochen nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, gab der ehemalige Vorsitzende der US-Notenbank (Zentralbank der USA) Alan Greenspan zu, dass die sich beschleunigende Finanzkrise ihm ‚einen Fehler‘ in seinem Glauben gezeigt habe, dass freie, wettbewerbsorientierte Märkte die finanzielle Stabilität gewährleisten würden. In einer Anhörung des Ausschusses für Aufsicht und Reform der Regierung des US-Repräsentantenhauses wurde Greenspan vom Vorsitzenden des Ausschusses, dem Kongressabgeordneten Henry Waxman, befragt:
- Waxman
- Wo haben Sie denn einen Fehler gemacht?
- Greenspan
- Ich habe einen Fehler gemacht, als ich annahm, dass das Eigeninteresse von Organisationen, insbesondere von Banken und anderen, am besten in der Lage sei, die eigenen Aktienhabenden und ihr Eigenkapital in den Unternehmen zu schützen … Das Problem ist also, dass etwas, das ein sehr solides Gebäude zu sein schien, und in der Tat eine entscheidende Säule für den Wettbewerb auf dem Markt und für freie Märkte war, zusammengebrochen ist. Und ich glaube, das hat mich, wie gesagt, geschockt. Ich verstehe immer noch nicht ganz, warum es passiert ist, und in dem Maße, in dem ich herausfinde, wo und warum es passiert ist, werde ich natürlich meine Ansichten ändern. Wenn sich die Fakten ändern, werde ich mich ändern.
- Waxman
- Sie waren der Überzeugung, dass [Zitat Greenspan] ‚freie, wettbewerbsfähige Märkte bei weitem die konkurrenzlos beste Art sind, die Wirtschaft zu organisieren. Wir haben es mit Regulierung versucht, keine hat sinnvoll funktioniert.‘ Sie haben die Befugnis, unverantwortliche Darlehensvergaben zu verhindern, die zu der Subprime-Hypotheken-Krise geführt haben. Ihnen wurde von vielen anderen dazu geraten. [Haben Sie] Entscheidungen getroffen, von denen Sie wünschen, dass Sie sie nicht getroffen hätten?
- Greenspan
- Ja, ich habe eine Schwachstelle gefunden …
- Waxman
- Sie haben eine Schwachstelle gefunden?
- Greenspan
- Ich habe eine Schwachstelle in dem Modell gefunden … das sozusagen definiert, wie die Welt funktioniert.
- Waxman
- Mit anderen Worten: Sie haben festgestellt, dass Ihr Weltbild nicht richtig ist, dass es nicht funktioniert.
- Greenspan
- Ganz genau. Das ist genau der Grund, warum ich geschockt war, denn ich hatte 40 Jahre oder mehr mit sehr beachtlichen Beweisen gearbeitet, die zeigten, dass es außergewöhnlich gut funktionierte.
Als sich die Finanzkrise im Sommer und Herbst 2008 entfaltete, diagnostizierten Ökonominnen und Ökonomen in Regierungen, Zentralbanken und Universitäten eine Krise der aggregierten Nachfrage und ein Versagen der Banken. Viele der wichtigsten Berater:innen in dieser Krise waren Ökonominnen und Ökonomen, die sich mit der Great Depression beschäftigt hatten.
Sie wandten die Erkenntnisse an, die sie aus der Great Depression in den USA gewonnen hatten: Senkung der Zinssätze, Bereitstellung von Liquidität für Banken und Haushaltsdefizite. Im November 2008, im Vorfeld des G20-Gipfels in Washington, erklärte der britische Premierminister Gordon Brown gegenüber Reportern: ‚Wir müssen uns über die Bedeutung der Koordination von Geld- und Fiskalpolitik einig sein. Es besteht ein dringender Handlungsbedarf. Wenn wir jetzt handeln, können wir das Wachstum in all unseren Volkswirtschaften ankurbeln. Die Kosten der Untätigkeit werden weitaus höher sein als die Kosten des Handelns.‘
Ein direkter Vergleich zwischen den ersten zehn Monaten der Great Depression und der Finanzkrise 2008 zeigt, dass der Einbruch der Industrieproduktion in der Wirtschaft weltweit ähnlich verlief (vergleiche Januar 1930 und Januar 2009 in Abbildung 17.1a). Aber es waren Erkenntnisse gewonnen worden: 2008 waren die Reaktionen der Geld- und Fiskalpolitik viel umfangreicher und entschiedener als 1930, wie die Abbildungen 17.1b und 17.1c zeigen.
Abbildung 17.1a Die Great Depression und die globale Finanzkrise: Industrielle Produktion.
Miguel Almunia, Agustín Bénétrix, Barry Eichengreen, Kevin H. O’Rourke, und Gisela Rua. 2010. ‘From Great Depression to Great Credit Crisis: Similarities, Differences and Lessons.’ Economic Policy 25 (62): pp. 219–65. Aktualisiert mit dem CPB Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis. 2015. ‘World Trade Monitor.’
Abbildung 17.1b Die Great Depression und die globale Finanzkrise: Geldpolitik.
Wie in Abbildung 17.1a, aktualisiert anhand der Daten der nationalen Zentralbanken.
Abbildung 17.1c Die Great Depression und die globale Finanzkrise: Fiskalpolitik.
Wie in Abbildung 17.1a, aktualisiert anhand des Internationalen Währungsfonds. 2009. World Economic Outlook: January 2009; Internationaler Währungsfond. 2013. ‘IMF Fiscal Monitor April 2013: Fiscal Adjustment in an Uncertain World, April 2013.’ April 16.
17.1 Drei Wirtschaftsepochen
In den letzten 100 Jahren hat sich der durchschnittliche Lebensstandard, gemessen am Pro-Kopf-BIP, in den Volkswirtschaften, die wir häufig als ‚fortgeschritten‘ bezeichnen (was soviel wie ‚reich‘ bedeutet), einschließlich der USA, Westeuropas, Australiens, Kanadas und Neuseelands, versechsfacht. Im gleichen Zeitraum sind die Arbeitsstunden pro Kopf gesunken. Dies ist ein bemerkenswerter wirtschaftlicher Erfolg, der jedoch nicht reibungslos verlaufen ist.
In den Einheiten 1 und 2 wurde beschrieben, wie das schnelle Wachstum begann. In den Abbildungen 13.2 und 13.3 haben wir das stetige Wachstum in der langen Frist von 1921 bis 2020 den Schwankungen des Konjunkturzyklus gegenübergestellt, die alle drei bis fünf Jahre einem Höhepunkt erreichen.
In dieser Einheit werden wir drei verschiedene Epochen untersuchen. Jede beginnt mit einer Periode guter Jahre (die helle Schattierung in Abbildung 17.2), gefolgt von einer Periode schlechter Jahre (die dunkle Schattierung):
- aggregierte Nachfrage
- Die Summe der Komponenten der Ausgaben in einer Volkswirtschaft, die zum BIP addiert werden: Y = C + I + G + X - M. Es ist der Gesamtbetrag der Nachfrage nach (oder der Ausgaben für) Waren und Dienstleistungen, die in der Wirtschaft produziert werden. Siehe auch: Konsum, Investitionen, Staatsausgaben, Exporte, Importe
- Angebotsseite (Gesamtwirtschaft)
- Die Art und Weise, wie Arbeit und Kapital eingesetzt werden, um Waren und Dienstleistungen zu produzieren. Dabei wird das Modell des Arbeitsmarktes verwendet (auch als Modell der Lohnsetzungskurve und der Preissetzungskurve bezeichnet). Siehe auch: Nachfrageseite (Gesamtwirtschaft).
- 1921 bis 1941: Die Krise der Great Depression ist das bestimmende Merkmal der ersten Epoche. Sie inspirierte Keynes Konzept der aggregierten Nachfrage, das heute in der Volkswirtschaftslehre und bei der Politikgestaltung ein Standard ist.
- 1948 bis 1979: Das Goldene Zeitalter erstreckte sich vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1979 und ist nach dem wirtschaftlichen Erfolg der 1950er und 1960er Jahre benannt. Das Goldene Zeitalter endete in den 1970er Jahren mit einer Gewinn- und Produktivitätskrise, und der Schwerpunkt in der Volkswirtschaftslehre und der Politikgestaltung verlagerte sich von der Rolle der aggregierten Nachfrage hin zu angebotsseitigen Problemen, wie der Produktivität und den Entscheidungen von Unternehmen, in Märkte einzutreten oder aus ihnen auszutreten.
- 1979 bis 2016: In der jüngsten Epoche wurde die Welt von der globalen Finanzkrise überrascht. In den vorangegangenen Jahrzenten stabilen Wachstums und scheinbar erfolgreichen makroökonomischen Managements, die als Great Moderation bezeichnet wurden, wurde das Potenzial eines durch Schulden angeheizten Booms vernachlässigt, der verheerende Folgen haben könnte.
- Great Moderation
- Zeitraum mit geringer Volatilität des gesamtwirtschaftlichen Outputs in fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwischen den 1980er Jahren und der Finanzkrise 2008. Der Name wurde von den Wirtschaftswissenschaftlern James Stock und Mark Watson vorgeschlagen und von Ben Bernanke, dem damaligen Vorsitzenden der Federal Reserve (Zentralbank-System der Vereinigten Staaten), populär gemacht.
Abbildung 17.2 Arbeitslosigkeit, Produktivitätswachstum und Ungleichheit in den USA (1914–2015).
United States Bureau of the Census. 2003. Historische Statistik der Vereinigten Staaten: Kolonialzeit bis 1970, Teil 1. Vereinigte Staaten: United States Govt Printing Office; Facundo Alvaredo, Anthony B Atkinson, Thomas Piketty, Emmanuel Saez, und Gabriel Zucman. 2016. ‘The World Wealth and Income Database (WID).’; US Bureau of Labor Statistics; US Bureau of Economic Analysis.
Der Begriff ‚Krise‘ wird routinemäßig auf die erste und die Abschwünge der ersten und letzten der Epochen angwandt, weil sie eine ungewöhnliche, aber wiederkehrende katastrophale Abweichung vom normalen Auf und Ab der Wirtschaft darstellten. In der zweiten Epoche bedeutete das Ende des Goldenen Zeitalters jedoch ebenfalls eine scharfe Abweichung von dem, was normal geworden war. Die drei unglücklichen Überraschungen, die die Epochen beendeten, sind in vielerlei Hinsicht unterschiedlich, aber sie haben ein gemeinsames Merkmal: positive Rückkopplungen verstärkten die Auswirkungen von routinemäßigen Schocks, die unter anderen Umständen gedämpft worden wären.
- Produktivitätswachstum: Ein breites Maß für die Wirtschaftsleistung ist das Wachstum der Stundenproduktivität in den Unternehmen. Das Produktivitätswachstum erreichte seinen Tiefpunkt in der Great Depression, am Ende des Goldenen Zeitalters 1979 und im Zuge der Finanzkrise. Das Goldene Zeitalter des Kapitalismus erhielt seinen Namen aufgrund des außergewöhnlichen Produktivitätswachstums bis zum Ende dieser Epoche. Die gestrichelten blauen Linien zeigen das durchschnittliche Produktivitätswachstum für die einzelnen Teilperioden.
- Arbeitslosigkeit: Hohe Arbeitslosigkeit, in grün dargestellt, dominierte die erste Epoche. Der Erfolg des Goldenen Zeitalters war durch eine niedrige Arbeitslosigkeit und ein hohes Produktivitätswachstum gekennzeichnet. Das Ende des Goldenen Zeitalters führte Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit. In der dritten Epoche war die Arbeitslosigkeit bei jedem neuen Konjunkturzyklus-Tiefpunkt niedriger, bis zur Finanzkrise, als hohe Arbeitslosigkeit auftrat.
- Ungleichheit: Abbildung 17.2 enthält auch Daten zur Ungleichheit in den USA: den Anteil der obersten 1 % der Haushalte gemessen am Nettoeinkommen. Die reichsten 1 % verfügten in den späten 1920er Jahren, kurz vor der Great Depression, über fast ein Fünftel des Einkommens. Ihr Anteil ging dann stetig zurück, bis eine Kehrtwende am Ende des Goldenen Zeitalters den Einkommensanteil der sehr Reichen schließlich wieder auf das Niveau der 1920er Jahre brachte.
In früheren Einheiten haben wir gesehen, dass der technische Fortschritt die kapitalistische Wirtschaft geprägt hat; angetrieben durch Anreize zur Einführung neuer Technologien. Auf der Grundlage erwarteter Gewinne nach Steuern treffen die Unternehmer:innen Investitionsentscheidungen, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Das Produktivitätswachstum spiegelt ihre kollektiven Entscheidungen wider, in neue Maschinen und Anlagen zu investieren, welche Verbesserungen in der Technologie widerspiegeln. Abbildung 17.3 zeigt die Wachstumsrate des Kapitalbestands und die Gewinnrate von Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind, der US-Wirtschaft (vor und nach der Zahlung von Steuern auf Gewinne).
Abbildung 17.3 Obere Abbildung: Wachstum des Kapitalbestands und Gewinnraten für US-amerikanische nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (1927–2015). Untere Abbildung: Effektiver Steuersatz auf den Gewinn für US-amerikanische nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (1929–2015).
Die Daten in Abbildung 17.3 verdeutlichen, dass das Wachstum des Kapitalbestands und die Rentabilität der Unternehmen in der Regel gemeinsam steigen und fallen. Wie wir in Einheit 14 gesehen haben, sind Investitionen eine Funktion der erwarteten Gewinne nach Steuern, und die Erwartungen werden durch die Entwicklung der Rentabilität in der jüngsten Vergangenheit beeinflusst. Wenn Unternehmen eine Investitionsentscheidung getroffen haben, gibt es eine Verzögerung, bevor der neue Kapitalbestand bestellt und installiert wird.
- effektiver Steuersatz auf den Gewinn
- Dieser wird berechnet, indem man die Gewinnrate vor Steuern nimmt, die Gewinnrate nach Steuern abzieht und das Ergebnis durch die Gewinnrate vor Steuern teilt. Dieser Bruch wird in der Regel mit 100 multipliziert und als Prozentsatz angegeben.
Als die Rentabilität nach dem Zusammenbruch des Marktes 1929 und der Bankenkrise 1929–31 wiederhergestellt war, erholten sich die Investitionen und der Kapitalbestand begann wieder zu wachsen. Während des Goldenen Zeitalters waren sowohl die Rentabilität als auch die Investitionen hoch. Ein genauerer Blick auf Abbildung 17.3 ist aufschlussreich. Die Investitionen hängen von der Rentabilität nach Steuern ab, und es ist zu erkennen, dass der Abstand zwischen der Gewinnrate vor Steuern (rot) und nach Steuern (grün) im Goldenen Zeitalter abnahm. Das untere Feld zeigt den effektiven Steuersatz auf Unternehmensgewinne.
Kriege müssen finanziert werden, und die Steuern für Unternehmen stiegen während des Zweiten Weltkriegs, des Koreakriegs und weniger stark im Verlauf des Vietnamkriegs. Der effektive Steuersatz auf den Gewinn sank zwischen den frühen 1950er und den späten 1980er Jahren von 8 % auf 2 %. Dies trug zu einer Stabilisierung der Gewinnrate nach Steuern bei. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren wurden die Steuern auf Gewinne stark gesenkt. Danach schwankte die Gewinnrate vor Steuern ohne einen Trend. Doch trotz der Stabilisierung der Rentabilität in der dritten Epoche ging die Wachstumsrate des Kapitalbestands zurück.
Die Abbildungen 17.2 und 17.3 zeigen, dass es dem bestverdienenden Anteil der US-amerikanischen Bevölkerung am Vorabend der Finanzkrise 2008 finanziell sehr gut ging. Dies führte jedoch nicht zu einer Belebung der Investitionen, und der Kapitalbestand wuchs so langsam wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Der Ausbruch der Finanzkrise fiel auch mit einem Höchststand der Verschuldung des privaten Sektors zusammen (siehe Abbildung 17.4). Die Verschuldung der Unternehmen und privaten Haushalte erreichte einen Nachkriegshöchststand (im Verhältnis zum BIP). Am deutlichsten war der Anstieg der Verschuldung bei den Unternehmen des Finanzsektors, aber auch bei den privaten Haushalten stieg die Verschuldung im Verhältnis zum BIP in den 2000er Jahren stetig an.
Abbildung 17.4 Verschuldung in Prozent des BIP in den USA: Private Haushalte, nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, finanzielle Kapitalgesellschaften und die Regierung (1945–2015).
US Federal Reserve. 2016. ‘Finanzkonten der Vereinigten Staaten, historisch.’ December 10; US Bureau of Economic Analysis.
Abbildung 17.5a gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der einzelnen Perioden der US-Wirtschaft im vergangenen Jahrhundert.
Name der Periode | Jahre | Wichtige Merkmale der US-Wirtschaft |
---|---|---|
1920er | 1921–1929 | Geringe Arbeitslosigkeit Hohes Produktivitätswachstum Zunehmende Ungleichheit |
Great Depression | 1929–1941 | Hohe Arbeitslosigkeit Sinkende Preise Ungewöhnlich niedrige Wachstumsrate des Kapitalbestands der Unternehmen Abnehmende Ungleichheit |
Goldenes Zeitalter | 1948–1973 | Geringe Arbeitslosigkeit Ungewöhnlich hohes Produktivitätswachstum Ungewöhnlich hohe Wachstumsrate des Kapitalbestands Sinkender effektiver Steuersatz auf den Gewinn von Unternehmen Abnehmende Ungleichheit |
Stagflation | 1973–1979 | Hohe Arbeitslosigkeit und Inflation Geringes Produktivitätswachstum Geringere Gewinne |
1980er und die Great Moderation | 1979–2008 | Geringe Arbeitslosigkeit und Inflation Sinkende Wachstumsrate des Kapitalbestands der Unternehmen Stark zunehmende Ungleichheit Steigende Verschuldung von Haushalten und Banken |
Finanzkrise und die Folgejahre | 2008–2015 | Hohe Arbeitslosigkeit Geringe Inflation Zunehmende Ungleichheit |
Abbildung 17.5a Die amerikanische Wirtschaft im Laufe eines Jahrhunderts.
Die drei Epochen des modernen Kapitalismus waren weltweite Phänomene, aber einige Länder erlebten sie anders als die USA. Bis 1921 waren die USA ein Jahrzehnt lang weltweit führend in der Produktivität und 50 Jahre lang die größte Volkswirtschaft der Welt. Die globale Führungsrolle der USA im technologischen Bereich und ihre global agierenden Unternehmen erklären das schnelle Aufholwachstum in Europa und Japan während des Goldenen Zeitalters. Die Krisen, die 1929 und 2008 in den USA begannen, und das goldene Zeitalter umrahmen, wurden zu globalen Krisen. Abbildung 17.5b zeigt wichtige Unterschiede zwischen den USA und anderen Ländern auf.
Name der Periode | Unterschiede zwischen den USA und anderen Ländern |
---|---|
Great Depression | USA: Starker, anhaltender Abschwung des BIP ab 1929 Vereinigtes Königreich: Eine Bankenkrise wurde vermieden, das BIP ging leicht zurück |
Goldenes Zeitalter | USA: Führend in der Technologie Außerhalb der USA: Die Diffusion von Technologien schafft Aufholwachstum und verbessert die Produktivität |
Finanzkrise | USA: Immobilienblase verursacht Bankenkrise Deutschland, nordeuropäische Länder, Japan, Kanada, Australien: Keine Blase erlebt, Finanzkrise weitgehend vermieden |
Internationale Offenheit (alle drei Zeiträume) | In den meisten Ländern wichtiger als in den USA |
Abbildung 17.5b Ein länderübergreifender Vergleich der Great Depression, des Goldenen Zeitalters und der Finanzkrise: Besonderheiten in den USA.
Die drei Epochen des modernen Kapitalismus waren sehr unterschiedlich, wie die Abbildungen 17.5a und 17.5b zeigen. Wir müssen das gesamte Spektrum unseres Wissens nutzen, das wir in den vorangegangenen Einheiten entwickelt haben, um ihre Dynamik zu verstehen und zu erkennen, wie eine Epoche mit der anderen zusammenhängt.
Frage 17.1 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Die folgende Abbildung zeigt die Arbeitslosenquote (linke Achse) und das Produktivitätswachstum (rechte Achse) in den USA zwischen 1914 und 2015.
Welche der folgenden Aussagen ist auf der Grundlage dieser Informationen richtig?
- Die durchschnittlichen Arbeitslosenquoten in den Boom-Jahren der ersten beiden Epochen lagen unter 5 %, während sie im Zeitraum 1979–2008 rund 6 % betrugen.
- Das Produktivitätswachstum ging zu Beginn der Great Depression sehr stark zurück. Es erholte sich jedoch auch stark, sodass das durchschnittliche Produktivitätswachstum in dieser Epoche etwa 2 % betrug, was dem durchschnittlichen Produktivitätswachstum der Wachstumsjahre 1979–2008 sehr ähnlich ist.
- Die durchschnittlichen Arbeitslosenquoten in den Boom-Jahren der ersten beiden Epochen lagen unter 5 %, während die durchschnittlichen Produktivitätswachstumsraten bei 2,2 % beziehungsweise 3,2 % lagen. Im Zeitraum 1979–2008 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote bei rund 6 %, während die durchschnittliche Produktivitätswachstumsrate 2,1 % betrug.
- Die Arbeitslosenquote erreichte Anfang der 1980er Jahre fast 10 % und lag damit über dem Spitzenwert, der während der Finanzkrise erreicht wurde.
Frage 17.2 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Die folgende Abbildung zeigt den Einkommensanteil der einkommensstärksten 1 % der Haushalte gemessen am Einkommen in den USA zwischen 1914 und 2015.
Welche der folgenden Aussagen sind richtig?
- Dies ist nicht wahr. So ging beispielsweise der Teil der obersten 1 % während des Goldenen Zeitalters von 1948–73 kontinuierlich zurück.
- Sowohl in der Great Depression als auch in der Rezession nach der Finanzkrise gab es Jahre des Rückgangs und Jahre des Anstiegs der Ungleichheit.
- Auch in den Boom-Jahren der 1920er Jahre nahm die Ungleichheit zu. Das Goldene Zeitalter zeichnete sich dadurch aus, dass die Ungleichheit während dieses Zeitraums kontinuierlich zurückging.
- Sie erhielten 19 % des Gesamteinkommens.
17.2 Die Great Depression, positive Feedbacks und aggregierte Nachfrage
Der Kapitalismus ist ein dynamisches Wirtschaftssystem, und wie wir in Einheit 13 gesehen haben, kommt es immer wieder zu Booms und Rezessionen, selbst wenn wetterbedingte Schwankungen des Outputs der Landwirtschaft in der Wirtschaft nur von geringer Bedeutung sind. Aber nicht alle Rezessionen sind gleich. In Einheit 14 haben wir gesehen, dass sich 1929 ein Abschwung des Konjunkturzyklus in den USA, der mit anderen Konjunkturzyklen des vorangegangenen Jahrzehnts vergleichbar war, in eine große wirtschaftliche Katastrophe verwandelte—die Great Depression.
Die Geschichte, wie es zur Great Depression kam, ist dramatisch und muss für diejenigen, die sie erlebten, erschreckend gewesen sein. Kleine Auslöser führten zu immer größeren Auswirkungen in einer Abwärtsspirale, wie die kaskadenartigen Ausfälle eines Stromnetzes während eines Stromausfalls. Drei gleichzeitige positive Feedback-Mechanismen brachten die US-amerikanische Wirtschaft in den 1930er Jahren zu Fall:
- Pessimismus bezüglich der Zukunft: Die Auswirkungen des Rückgangs der Investitionen auf die Beschäftigung und des Zusammenbruchs der Märkte von 1929 auf die Zukunftsaussichten verbreiteten Angst unter den Haushalten. Sie bereiteten sich auf das Schlimmste vor, indem sie mehr sparten, was zu einem weiteren Rückgang der Konsumnachfrage führte.
- Zusammenbruch des Bankensystems: Der daraus resultierende Rückgang des Einkommens führte dazu, dass Darlehen nicht zurückgezahlt werden konnten. Bis 1933 gingen fast die Hälfte der Banken in den USA insolvent, und der Zugang zu Darlehen ging zurück. Die Banken, die nicht insolvent gingen, erhöhten die Zinssätze, um sich gegen Risiken abzusichern, was die Unternehmen weiter von Investitionen abhielt und die Ausgaben der Haushalte für Autos, Kühlschränke und andere langlebige Güter einschränkte.
- Deflation: Die Preise fielen, da sich unverkaufte Waren in den Regalen stapelten.
- Deflation
- Ein Rückgang des allgemeinen Preisniveaus. Siehe auch: Inflation.
Deflation beeinflusst die aggregierte Nachfrage auf mehreren Wegen. Der wichtigste Kanal war die Auswirkung der Deflation auf diejenigen, die hohe Schulden hatten. Da die Schulden in nominalen Werten ausgedrückt waren, führte die Deflation zu einem Anstieg ihres realen Wertes. Dieser positive Feedback Kanal war neu, denn in früheren Deflationsphasen war die Verschuldung viel geringer gewesen. Die Haushalte hörten auf, Autos, andere Vermögenswerte und Häuser zu kaufen, und viele Schuldner:innen wurden insolvent, was sowohl für die Darlehensnehmenden als auch für die Banken zu Problemen führte. Ein Fünftel der Eigentümer:innen von Wohnimmobilien sowie der Mietenden waren zahlungsunfähig. Auch Landwirtinnen und Landwirte waren hoch verschuldet. Die Preise für ihre Erzeugnisse fielen, was ihr Einkommen direkt schmälerte und die Schuldenlast in die Höhe trieb. Sie reagierten darauf, indem sie ihre Produktion steigerten, was die Situation durch einen weiteren Preisverfall noch verschlimmerte. Wenn die Preise fallen, verschieben die Menschen auch den Kauf von Gebrauchsgütern, was die aggregierte Nachfrage weiter reduziert.
Nur wenige Menschen verstanden damals diese positiven Feedback-Mechanismen, und die ersten Versuche der US-amerikanischen Regierung, die Abwärtsspirale umzukehren, scheiterten. Das lag zum Teil daran, dass die Regierung von falschen wirtschaftlichen Vorstellungen ausging. Zum anderen war der Anteil der staatlichen Ausgaben für Konsum und Investitionen zu gering, um den starken destabilisierenden Tendenzen im Privatsektor etwas entgegenzusetzen, selbst wenn sie eine ideale Politik verfolgt hätte.
Abbildung 17.6 zeigt den Rückgang der Industrieproduktion, der 1929 begann. Im Jahr 1932 lag sie bei weniger als 60 % des Niveaus von 1929. Es folgte eine Erholung, bis sie 1937 erneut um 20 % zurückging. Die Arbeitslosigkeit blieb bis 1941, dem Jahr, in dem die USA in den Zweiten Weltkrieg eintraten, über 10 %. Die Preise für die Konsumenten sanken von 1929 bis 1933 mit dem BIP und blieben bis Anfang der 1940er Jahre stabil.
Abbildung 17.6 Die Auswirkungen der Great Depression auf die amerikanische Wirtschaft (1928–1941).
United States Bureau of the Census. 2003. Historische Statistik der Vereinigten Staaten: Kolonialzeit bis 1970, Teil 1. Vereinigte Staaten: United States Govt Printing Office; Federal Reserve Bank of St Louis (FRED).
Übung 17.1 Landwirtinnen und Landwirte in der Great Depression
Während der Great Depression ging die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten zurück. Angesichts sinkender Preise für landwirtschaftliche Produkte und einer hohen Verschuldung erhöhten Landwirtinnen und Landwirte ihre Produktion. Die Reaktion der Landwirtinnen und Landwirte mag aus individueller Sicht sinnvoll gewesen sein, aber in ihrer Gesamtheit verschlimmerte sie die Situation. Zeichnen Sie am Beispiel von Landwirtinnen oder Landwirten und unter der Annahme, dass alle (Weizen-)Farmen identisch sind, Diagramme der Kostenkurven einer einzelnen Landwirtin oder eines einzelnen Landwirts und der Angebots- und Nachfragekurven des Wirtschaftszweigs, um diese Situation zu veranschaulichen. Erläutern Sie Ihre Überlegungen.
17.3 Politische Entscheidungsträger:innen in der Great Depression
So wie der Tag des großen Buschfeuers in Australien heute als Schwarzer Samstag bezeichnet wird, ist der Tag, an dem die Great Depression begann, heute als Schwarzer Donnerstag bekannt. Am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929, fiel der Industrial Average des US-amerikanischen Dow Jones bei der Eröffnung um 11 % und leitete damit eine dreijährige Talfahrt des US-Aktienmarktes ein. Abbildung 17.7 zeigt die Auf- und Abschwünge des Konjunkturzyklus von 1924 bis 1941.
Abbildung 17.7 Entwicklung der Komponenten der aggregierten Nachfrage in Auf- und Abschwungphasen (1924 Q3–1941 Q4).
Appendix B in Robert J. Gordon. 1986. The American Business Cycle: Continuity and Change. Chicago, Il: University of Chicago Press.
Der lange Abschwung vom dritten Quartal 1929 bis zum ersten Quartal 1933 wurde durch einen starken Rückgang der Investitionen der privaten Haushalte und der Unternehmen (roter Balken) sowie des Konsums von Verbrauchsgütern (grüner Balken) verursacht. Erinnern wir uns daran, dass wir in Abbildung 14.6 das Multiplikatormodell verwendet haben, um zu beschreiben, wie dieser Schock zu einem Rückgang der aggregierten Nachfrage führte, und in Abbildung 14.8 ein Modell beschrieben haben, wie die Haushalte den Konsum einschränkten, um ihr Zielvermögen wiederherzustellen, um das beobachtete Verhalten der Haushalte und Unternehmen in der Great Depression zu verstehen.
In Einheit 14 haben wir gezeigt, wie die Geld- und Fiskalpolitik Schwankungen verstärken oder dämpfen konnte. In den ersten Jahren der Great Depression verstärkte die Politik der Regierungen den Schock und verlängerte ihn zugleich. Anfänglich änderten sich die Käufe der Regierungen und die Nettoexporte kaum. Noch im April 1932 erklärte Präsident Herbert Hoover dem Kongress, dass eine ‚weitreichende Reduzierung der Staatsausgaben‘ notwendig sei, und sprach sich für einen ausgeglichenen Haushalt aus. Hoover wurde 1932 von Franklin Delano Roosevelt abgelöst, woraufhin sich die Politik der Regierung änderte.
Fiskalpolitik in der Great Depression
Die Fiskalpolitik trug bis Anfang der 1940er Jahre kaum zur Erholung bei. Schätzungen zufolge lag der gesamtwirtschaftliche Output 1931 beispielsweise 20 % unter dem Vollbeschäftigungsniveau, was bedeutet, dass der geringe Haushaltsüberschuss in jenem Jahr angesichts des Rückgangs der Steuereinnahmen in der geschrumpften Wirtschaft einen hohen konjunkturbereinigten Überschuss bedeutet hätte.
Unter Roosevelt wies der Staatsjaisjaöt von 1932 bis 1936 Defizite auf. Als die Wirtschaft 1938–39 in eine Rezession geriet, sank das Defizit von seinem Höchststand von 5,3 % im Jahr 1936 auf 3 % im Jahr 1938. Dies war ein Fehler, der den Abschwung noch verstärkte. Der starke Anstieg der Militärausgaben ab Anfang 1940 (lange vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg Ende 1941) trug zur Erholung bei.
Geldpolitik in der Great Depression
Die US-amerikanische Geldpolitik verlängerte die Great Depression nach heutigem Kenntnisstand. Die Daten zu den Realzinssätzen in Abbildung 17.8 deuten darauf hin, dass die Geldpolitik in der US-amerikanischen Wirtschaft ab 1925 schrumpfend wirkte: Der Realzinssatz stieg an und erreichte 1932 einen Höchststand von 13 %. Als 1929 der Abschwung einsetzte, verstärkte der geldpolitische Kurs den Rückgang der aggregierten Nachfrage, anstatt ihn auszugleichen. Es ist jedoch zu beachten, dass der Nominalzinssatz nach seinem Höchststand im Jahr 1929 sank; der Realzinssatz stieg hingegen zunächst an, weil auch die Preise fielen. Die zinssensitiven Ausgaben für Immobilien und langlebige Gebrauchsgüter gingen drastisch zurück.
Abbildung 17.8 Politische Entscheidungen während der Great Depression: Die USA (1921–1941).
Milton Friedman und Anna Jacobson J. Schwartz. 1982. Monetary Trends in the United States and the United Kingdom, Their Relation to Income, Prices, and Interest Rates, 1867–1975. Chicago, Il: University of Chicago Press; United States Bureau of the Census. 2003. Historische Statistik der Vereinigten Staaten: Kolonialzeit bis 1970, Teil 1. United States: United States Govt Printing Office; Federal Reserve Bank of St Louis (FRED).
Der Goldstandard
- Goldstandard
- Das in der Great Depression aufgegebene System fester Wechselkurse, bei dem der Wert einer Währung in Form von Gold festgelegt wurde, gegen das die Währung eingetauscht werden konnte. Siehe auch: Great Depression.
- Zero Lower Bound
- Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass der Nominalzinssatz nicht negativ sein kann, wodurch der Nominalzinssatz, der von der Zentralbank festgesetzt werden kann, auf Null begrenzt wird. Siehe auch unter: quantitative Lockerung.
Die USA hielten sich zu Beginn der Great Depression noch an den sogenannten Goldstandard. Das bedeutete, dass die US-Behörden versprachen, US-Dollar gegen eine bestimmte Menge Gold einzutauschen (das Versprechen lautete, eine Unze Gold für 20,67 USD zu bezahlen). Nach dem Goldstandard mussten die Behörden Gold zu dem festgelegten Kurs auszahlen. Wenn die Nachfrage nach US-Dollar sank, würde das Gold aus dem Land fließen. Um dies zu verhindern, mussten entweder die handelbaren Güter des Landes wettbewerbsfähiger werden (was die Goldzuflüsse durch höhere Nettoexporte steigerte) oder Gold musste durch Kapitalzuflüsse angezogen werden. Dies konnte entweder durch eine Erhöhung des Nominalzinssatzes oder durch die Beibehaltung eines im Vergleich zu den Zinssätzen in anderen Ländern hohen Zinssatzes geschehen. Um nicht zum Goldabfluss beizutragen, zögerten die politischen Entscheidungsträger:innen, den Zinssatz bis zur Zero Lower Bound zu senken. Damit verhinderten sie, die Geldpolitik zur Bekämpfung der Rezession einzusetzen.
Solange die Löhne nicht rasch sinken, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und den Goldzufluss durch höhere Exporte und geringere Importe anzukurbeln, ist das Festhalten am Goldstandard in einer Rezession destabilisierend, da es den Abschwung verstärkt. Nach dem Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus dem Goldstandard im September 1931 kam es zu einem sehr starken Abfluss von US-amerikanischen Goldreserven. Ein Grund für die Spekulationen gegen den US-Dollar (das heißt Investierende verkauften Dollar gegen Gold) war die Erwartung, dass die USA ebenfalls den Goldstandard aufgeben und den Dollar abwerten würden. In diesem Fall würden diejenigen, die US-Dollar hielten, verlieren.
Eine Veränderung der Erwartungen
Im Jahr 1933 begann Roosevelt mit einem Programm zur Änderung der wirtschaftlichen Politikgestaltung:
- New Deal
- Das 1933 von US-Präsident Franklin Roosevelt ins Leben gerufene Programm für öffentliche Notstandsarbeiten und Hilfsprogramme zur Beschäftigung von Millionen von Menschen. Es schuf die Grundstrukturen für moderne staatliche Sozialprogramme, Arbeitspolitik und Regulierung.
Die Great Depression
Der Zeitraum in den 1930er Jahren, in dem es in vielen Ländern zu einem starken Rückgang des BIP und der Beschäftigung kam.
- Die Länder, die den Goldstandard in den 1930er Jahren verlassen hatten, erholten sich früher.
- In den USA beschleunigte Roosevelts New Deal-Politik die Erholung von der Great Depression, unter anderem durch eine Änderung der Erwartungen.
- Der New Deal: Damit wurden die Staatsausgaben für eine Reihe von Programmen zur Steigerung der aggregierten Nachfrage eingesetzt.
- Die USA verlassen den Goldstandard: Im April 1933 wurde der US-Dollar auf 35 Dollar pro Unze Gold abgewertet, und der Nominalzinssatz wurde bis nahe an den Zero Lower Bound gesenkt (siehe Abbildung 17.8).
- Roosevelt führte auch Reformen des Bankensystems ein: Dies geschah nach Bank Runs im Jahr 1932 und Anfang 1933.
Genauso wichtig wie diese politischen Veränderungen war der Wandel in den Zukunftserwartungen der Menschen. Am 4. März 1933 hatte Roosevelt in seiner Antrittsrede als Präsident der amerikanischen Bevölkerung gesagt, dass: ‚Das einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst—namenloser, unvernünftiger, ungerechtfertigter Terror‘.
Wie wir gesehen haben, waren die Ängste der verbrauchenden und investierenden Personen im Jahr 1929 gerechtfertigt. Doch dank der Politik des New Deals und der ersten Anzeichen eines Aufschwungs, die bereits vor Roosevelts Amtsantritt zu beobachten waren, glaubten Haushalte und Unternehmen, dass die Preise nicht weiter fallen und die Beschäftigung wieder zunehmen würde.
Abbildung 17.9 Die Great Depression und der Aufschwung: Die Haushalte reduzierten den Konsum, um das Zielvermögen während der Depression wiederherzustellen, und erhöhten den Konsum ab 1933.
Abbildung 17.9 fügt dem Modell des Vermögens der Haushalte, das wir in Abbildung 14.8 zum ersten Mal gesehen haben, eine dritte Spalte hinzu. Spalte C zeigt die Perspektive des Haushalts von Ende 1933. Zu diesem Zeitpunkt stiegen gesamtwirtschaftlicher Output und Beschäftigung. Da die Ungewissheit über die Zukunft weitgehend beseitigt war, bewerteten die Haushalte ihr erwartetes Vermögen (einschließlich ihrer erwarteten Einkünfte aus Beschäftigung) neu. Sie erhöhten ihre Konsumausgaben, weil sie keine Notwendigkeit sahen, zusätzliche Ersparnisse zu bilden. In dem Maße, in dem sie nun davon ausgingen, dass ihre Einkommensaussichten und die Preise für Vermögenswerte wieder das Vorkrisenniveau erreichen würden, würde der Konsum wieder steigen. Jeder Anstieg des Vermögens über das angestrebte Vermögensziel hinaus, der auf das erhöhte Sparen in den Jahren der Great Depression zurückzuführen ist (dargestellt durch das Vermögen über dem Ziel in Spalte C), würde dem Konsum nun einen zusätzlichen Schub verleihen.
Der langsame Weg zur Erholung hatte 1933 begonnen. Die Wirtschaft der USA erreichte jedoch erst in der dritten Amtszeit Roosevelts und nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wieder das Beschäftigungsniveau von vor der Great Depression.
Übung 17.2 Vor- und Nachteile fester Wechselkurse
In einem ‘Ökonominnen und Ökonomen in Aktion’ Video erörtert der Ökonom und Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen Systeme fester Wechselkurse wie den Goldstandard in der Great Depression und das Euro-System im Gefolge der Finanzkrise.
- Welche Vor- und Nachteile haben laut dem Video feste Wechselkurse?
- Wie können Länder, die diesen Wechselkurs-Systemen angehören, effektiv auf Schocks in der Wirtschaft reagieren? Welche Merkmale des Euro-Systems erschweren eine wirksame Reaktion?
Frage 17.3 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Franklin Roosevelt wurde 1933 Präsident der USA. In der Zeit seinem Amtsantritt ergab sich folgendes:
- Das Defizit der Regierung stieg 1934 auf 5,6 % des Bruttosozialprodukts.
- Der kurzfristige Nominalzinssatz fiel von 1,7 % im Jahr 1933 auf 0,75 % im Jahr 1935.
- Der Verbraucherpreisindex sank 1933 um 5,2 % und stieg 1934 um 3,5 %.
- Die USA verließen den Goldstandard im April 1933.
- Der New Deal wurde 1933 ins Leben gerufen und beinhaltete Vorschläge zur Erhöhung der Staatsausgaben der Regierung für eine Vielzahl von Programmen und Reformen des Bankensystems.
Welche der folgenden Aussagen zu den Jahren unmittelbar nach Roosevelts Amtsantritt als US-Präsident ist richtig?
- Optimistischere Erwartungen führten zu höheren Ausgaben der Verbrauchenden wie in Abbildung 17.9 dargestellt.
- Die Aufgabe des Goldstandards bedeutete, dass der US-Dollar abgewertet werden konnte (von 20,67 USD auf 35,00 USD pro Unze Gold). Es war nicht mehr notwendig, den Zinssatz hoch zu halten, um den US-Dollar auf dem höheren Kurs zu halten (was weniger US-Dollar pro Unze bedeutet).
- Da der Nominalzinssatz sank und die Inflation nicht mehr negativ, sondern positiv war, fiel der Realzinssatz drastisch (und wurde 1934 negativ).
- Ein höheres Defizit der Regierung bedeutet eine Ausweitung des Haushalts.
17.4 Das Goldene Zeitalter mit hohem Wachstum und niedriger Arbeitslosigkeit
Das Goldene Zeitalter des Kapitalismus
Die Periode hohen Produktivitätswachstums, hoher Beschäftigung und stabiler Inflation, die sich vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis Anfang der 1970er Jahre erstreckte.
- Der Goldstandard wurde durch das flexiblere Bretton Woods System ersetzt.
- Dank des Nachkriegsabkommens teilten sich Unternehmen und Beschäftigte die Vorteile des technischen Fortschritts.
- Das Goldene Zeitalter endete mit einer Periode der Stagflation in den 1970er Jahren.
Die Jahre von 1948 bis 1973 waren in der Geschichte des Kapitalismus bemerkenswert. Abbildung 17.2 zeigt, dass in den USA das Produktivitätswachstum zügiger und die Arbeitslosigkeit niedriger war als in den anderen Perioden. Dieses 25-jährige Goldene Zeitalter des Kapitalismus war jedoch nicht auf die USA beschränkt. Auch Japan, Australien, Kanada, Neuseeland und Länder in Westeuropa erlebten ein Goldenes Zeitalter. Die Arbeitslosenquoten waren historisch niedrig (siehe Abbildung 16.1). Abbildung 17.10 zeigt Daten von 1820 bis 1913 für 13 Länder und für 16 Länder von 1950 bis 1973.
Abbildung 17.10 Das Goldene Zeitalter des Kapitalismus aus historischer Perspektive.
Tabelle 2.1 in Andrew Glyn, Alan Hughes, Alain Lipietz, und Ajit Singh. 1989. ‘The Rise and Fall of the Golden Age’. In The Golden Age of Capitalism: Reinterpreting the Postwar Experience, bearbeitet von Stephen A. Marglin and Juliet Schor. New York, NY: Oxford University Press. Daten von 1820 bis 1913 für 13 Länder und für 16 Länder ab 1950.
Die Wachstumsrate des Pro-Kopf-BIP war im Goldenen Zeitalter mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie in allen anderen Perioden. Anstatt sich alle 50 Jahre zu verdoppeln, verdoppelte sich der Lebensstandard alle 20 Jahre. Die Bedeutung des Sparens und von Investitionen wird im rechten Feld deutlich, wo wir sehen können, dass der Kapitalbestand während des Goldenen Zeitalters fast doppelt so schnell wuchs wie zwischen 1870 und 1913.
Abbildung 17.11 zeigt, wie die westeuropäischen Länder und Japan zwischen 1950 und 1973 bei der Produktivität (fast) zu den USA aufgeschlossen haben. In dieser Abbildung ist das Niveau des BIP pro Arbeitsstunde in den USA durchgängig auf das Niveau von 100 gesetzt, sodass die Abbildung nichts über die Entwicklung der Produktivität der USA selbst aussagt (dafür müssen wir Abbildung 17.2 verwenden). Sie stellt jedoch auf eindrucksvolle Weise die Ausgangssituation der Volkswirtschaften im Vergleich zu den USA unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre Produktivitätsentwicklung in den darauffolgenden Jahren dar. Diese wurde als Aufholwachstum bezeichnet.
- Aufholwachstum
- Der Prozess, durch den viele (aber bei weitem nicht alle) Volkswirtschaften in der Welt die Lücke zwischen den Industrieländern und ihrer eigenen Volkswirtschaft schließen.
Die drei unterlegenen Länder (Deutschland, Italien und Japan) lagen 1950 bei der Produktivität 1950 am weitesten zurück. Japans BIP pro Arbeitsstunde war weniger als ein Fünftel so hoch wie das der USA. Alle diese Volkswirtschaften wuchsen während des Goldenen Zeitalters schneller als die USA: Sie näherten sich dem Produktivitätsniveau der USA an.
Abbildung 17.11 Aufholjagd zur USA im Goldenen Zeitalter und darüber hinaus (1950–2021).
The Conference Board. 2021. ‘Total Economy Database.’
Was war das Geheimnis der Leistungsfähigkeit im Goldenen Zeitalter in den produktivitätsstärksten (USA) und in den aufholenden Ländern?
- Veränderungen in der Wirtschaftspolitik und in der Regulierung: Diese lösten die Probleme der Instabilität, die die Great Depression kennzeichneten.
- Neue institutionelle Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschäftigten: Diese schufen Bedingungen, unter denen es für Unternehmen profitabel war, Innovationen einzuführen. In den USA, der technologieführenden Nation, bedeutete dies neue Technologien, während die aufholenden Länder häufig verbesserte Technologien und Managementmethoden übernahmen, die in den USA bereits im Einsatz waren. Da die Gewerkschaften und die politischen Parteien, die vorrangig die Interessen von Beschäftigten vertraten, nun in einer stärkeren Position waren, um einen Anteil der Beschäftigten an den Produktivitätsgewinnen auszuhandeln, unterstützten sie Innovationen—auch wenn dies die vorübergehende Vernichtung von Arbeitsplätzen bedeutete.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Ökonominnen und Ökonomen und Politiker:innen Erkenntnisse aus der Great Depression gewonnen. Dies wirkte sich auf nationale und internationale politische Entscheidungsträger:innen aus. So wie Roosevelts New Deal ein neues politisches Regime ankündigte und die Erwartungen im privaten Sektor verbesserte, versicherten die Regierungen der Nachkriegszeit, dass die Politik, wenn nötig, zur Stützung der aggregierten Nachfrage eingesetzt werden würde.
Der Anteil der Staatsausgaben an der aggregierten Nachfrage der Nachkriegszeit war in all diesen Ländern größer und wuchs in den 1950er und 1960er Jahren. Abbildung 14.1 zeigt den Rückgang der Schwankungen im gesamtwirtschaftlichen Output nach 1950 und die wesentlich größeren Staatsausgaben in den USA. In Einheit 14 haben wir gesehen, wie eine größere Regierung für eine automatische Stabilisierung der Wirtschaft sorgt. Der moderne Wohlfahrtsstaat wurde in den USA in den 1950er Jahren aufgebaut, und es wurde Arbeitslosengeld eingeführt. Auch dies war Teil der automatischen Stabilisierung.
- Bretton Woods System
- Ein internationales Währungssystem mit festen, aber anpassbaren Wechselkursen, das am Ende des Zweiten Weltkriegs eingeführt wurde. Es ersetzte den Goldstandard, der während der Great Depression aufgegeben wurde.
Angesichts der Kosten, die das Festhalten am Goldstandard während der Great Depression verursachte, war es klar, dass ein neues politisches Regime für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen geschaffen werden musste. Das neue System wurde Bretton Woods System genannt. Es wurde nach dem Skiort in New Hampshire benannt, in dem Vertretende der wichtigsten Volkswirtschaften, darunter auch John Maynard Keynes, ein Regelwerk schufen, das flexibler war als der Goldstandard. Die Wechselkurse waren nicht an den Goldstandard, sondern an den US-Dollar gebunden, und wenn ein Land nicht mehr wettbewerbsfähig war, das heißt wenn ein ‚grundlegendes Ungleichgewicht‘ in der Außenbilanz bestand, waren Abwertungen des Wechselkurses zulässig. Wenn eine Währung wie das britische Pfund abgewertet wurde (wie im November 1967 geschehen), wurde es billiger, Pfund zu kaufen. Dies steigerte die Nachfrage nach britischen Exporten und verringerte die Nachfrage der britischen Bevölkerung nach im Ausland produzierten Waren. Das Bretton Woods System funktionierte während des größten Teils des Goldenen Zeitalters recht gut.
17.5 Unternehmen und Beschäftigte im Goldenen Zeitalter
Hohe Investitionen, schnelles Produktivitätswachstum, steigende Löhne und geringe Arbeitslosigkeit kennzeichneten das Goldene Zeitalter. Wie funktionierte diese positive Verstärkung?
- Die Gewinne nach Steuern in der US-amerikanischen Wirtschaft blieben hoch: Dies hielt vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1960er Jahre an (siehe Abbildung 17.3), und in anderen Volkswirtschaften war die Situation ähnlich.
- Gewinne führten zu Investitionen: Die weit verbreitete Erwartung, dass die hohen Gewinne auch in Zukunft anhalten würden, schuf die Voraussetzungen für anhaltend hohe Investitionen (siehe auch das Modell der Investitionsausgaben in Abschnitt 14.4).
- Hohe Investitionen und kontinuierlicher technischer Fortschritt schufen mehr Arbeitsplätze: Die Arbeitslosigkeit blieb niedrig.
- Die Macht der Beschäftigten: Gewerkschaften und politische Bewegungen, die mit den Beschäftigten verbündet waren, waren stark genug, um dauerhafte Lohnerhöhungen durchzusetzen. Absprachen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen bedeuteten jedoch, dass die Gewerkschaften dazu neigten, integrativ zu handeln (Einheit 16), und unterstützten den Effekt der Gewerkschaftsstimme (Einheit 9), der die Kooperation zwischen Unternehmen und Beschäftigten angesichts der Einführung neuer Technologien förderte.
Folgen Sie den Analyseschritten in Abbildung 17.12, um zu sehen, wie diese vier genannten Punkte zur Erklärung des Goldenen Zeitalters in Verschiebungen der Preissetzungskurve und der Lohnsetzungskurve umgesetzt werden können. Erinnern Sie sich an Einheit 16, dass die Preissetzungskurve den Reallohn anzeigt, der mit den Investitionen der Unternehmen auf einem Niveau vereinbar ist, das die Beschäftigung konstant hält. Das bedeutet, dass ein Reallohn unterhalb der Preissetzungskurve die Unternehmen dazu veranlasst, Investitionen zu tätigen oder zu erhöhen, und dass damit die Beschäftigung steigt.
In den USA war der technische Fortschritt im Goldenen Zeitalter rasant, da die während der Great Depression und des Zweiten Weltkriegs entwickelten Technologien in neue Investitionsgüter einflossen. Die neuen Technologien und neuen Managementtechniken, die in den USA bereits eingesetzt wurden, konnten auch in den aufholenden Volkswirtschaften genutzt werden. In vielen dieser Länder war das Wachstum im Goldenen Zeitalter sogar schneller als an der Technologiegrenze, wie sie von den USA in Abbildung 17.11 definiert wird.
Die Stärke der Gewerkschaften bei der Lohnsetzung und die Verbesserung der Arbeitslosenversicherung in den 50er und 60er Jahren sind in Abbildung 17.12 als Aufwärtsverschiebung der Lohnsetzungskurve dargestellt. Das beobachtete Ergebnis, dass die Löhne bei niedriger Arbeitslosigkeit im Einklang mit der Produktivität steigen, wird durch Punkt B veranschaulicht.
Sowohl Gewerkschaften als auch Regierungen spielten in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Zwischen 1920 und 1933 verloren die Gewerkschaften in den USA zwei Fünftel ihrer Mitglieder. In den 1930er Jahren wurde dieser Rückgang durch Gesetzesänderungen, die die Gewerkschaften betrafen, sowie durch die harte Zeit der Great Depression revidiert: Mitgliedszahlen stiegen wieder. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften während des Zweiten Weltkriegs stärkte die Verhandlungsmacht der Beschäftigten, aber der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder an der Gesamtbeschäftigung erreichte in den frühen 1950er Jahren seinen Höhepunkt. In den folgenden 50 Jahren war ein stetiger Rückgang zu verzeichnen.
- Nachkriegsabkommen
- Eine informelle Vereinbarung (die in den einzelnen Ländern unterschiedliche Formen annimmt) zwischen Unternehmen, Regierungen und Gewerkschaften, die die Voraussetzungen für ein schnelles Wirtschaftswachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften von den späten 1940er bis zu den frühen 1970er Jahren schuf. Die Gewerkschaften akzeptierten die grundlegenden Institutionen des kapitalistischen Wirtschaftssystems und wehrten sich nicht gegen den technologischen Wandel - als Gegenleistung für eine niedrige Arbeitslosigkeit, die Duldung von Gewerkschaften und anderen Rechten sowie einen Anstieg der Realeinkommen, der dem Produktivitätsanstieg entsprach.
Abbildung 17.13 zeigt sowohl das Wachstum des Staatssektors als auch das historisch hohe Niveau der Mitgliedschaft in den Gewerkschaften der USA. Wie wir gesehen haben, spiegelte die Vergrößerung der Regierung teilweise die neuen Ansprüche auf Arbeitslosengeld wider. Im Modell der Lohnsetzungskurve und der Preissetzungskurve verschieben höhere Arbeitslosengelder und stärkere Gewerkschaften die Lohnsetzungskurve nach oben, aber wenn die Gewerkschaften integrativ sind und wenn es einen starken Effekt der Gewerkschaftsstimme gibt, dann wird diese Verschiebung nach oben gebremst.
Abbildung 17.13 Mitgliedschaft in Gewerkschaften und Größe der Regierungen in den USA (1913–2015).
John Joseph Wallis. 2000. ‘American Government Finance in the Long Run: 1790 to 1990’. Journal of Economic Perspectives 14 (1): pp. 61–82; Gerald Mayer. 2004. Trends bei der Gewerkschaftsmitgliedschaft in den Vereinigten Staaten. Washington, DC: Congressional Research Service; US Bureau of Economic Analysis.
Die Gewerkschaften würden tendenziell integrativ vorgehen, das heißt sie würden ihre Verhandlungsmacht nicht voll ausschöpfen (zum Beispiel in Unternehmen oder Betrieben, in denen sie eine sehr starke Position haben). Stattdessen kooperierten sie in einer Wirtschaft, die darauf abzielt, das Lohnwachstum mit der durch die Preissetzungskurve auferlegten Beschränkung in Einklang zu bringen. Im Gegenzug würden die arbeitgebenden Unternehmen ihre Investitionen auf einem Niveau halten, das die Arbeitslosigkeit niedrig hält. Dieses ungeschriebene, aber weithin beobachtete Muster der Aufteilung der Gewinne aus dem technischen Fortschritt zwischen den Beschäftigten und den Unternehmen wird als Nachkriegsabkommen bezeichnet.
Diese Nachkriegsabkommen zwischen den Unternehmen, den Gewerkschaften und den Regierungen, die für ein hohes Produktivitätswachstum, einen hohen Anstieg der Reallöhne und eine niedrige Arbeitslosigkeit sorgten, waren von Land zu Land unterschiedlich. In Skandinavien, Österreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und Westdeutschland wurden die Löhne entweder von einer einzigen Gewerkschaft zentral festgelegt oder zwischen den Gewerkschaften und den Unternehmen koordiniert, was zu Zurückhaltung bei Lohnforderungen führte. In den technologisch fortgeschrittenen Sektoren Frankreichs und Italiens griffen die Regierungen ein, um die Löhne in den dominierenden staatlichen Unternehmen festzulegen, was zu einer Lohnlenkung in der gesamten Wirtschaft führte. Das Ergebnis war ähnlich wie in den Ländern mit zentraler Lohnfestsetzung.
Wo die Kooperation zwischen den Unternehmen und den Gewerkschaften gering war, fiel für das Land das Wachstum im Goldenen Zeitalter schlechter ab. In Abbildung 17.11 ist die relativ schlechte Leistung des Vereinigten Königreichs im Goldenen Zeitalter deutlich zu erkennen. Es begann mit einer höheren Produktivität als die anderen dargestellten großen Länder (das heißt sein Produktivitätsniveau kam 1950 dem der USA am nächsten), wurde aber in den 1960er Jahren von Frankreich, Italien und Westdeutschland überholt.
Das britische System der Arbeitsbeziehungen machte Einigungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen schwierig. Es verband eine sehr starke gewerkschaftliche Macht auf Betriebsebene mit zersplitterten Gewerkschaften, die nicht in der Lage waren, zu kooperieren und gemeinsam wirken. Die Stärke der lokalen Gewerkschaftsvertretungen in einem System mit mehreren Gewerkschaften pro Betrieb führte dazu, dass die Gewerkschaften versuchten, sich bei Lohnverhandlungen gegenseitig zu übertrumpfen, und dass sie sich gegen die Einführung neuer Technologien und neuer Formen der Arbeitsorganisation wehrten.
Die Probleme der britischen Wirtschaft wurden dadurch verschärft, dass die Märkte der britischen Unternehmen in den ehemaligen Kolonien vor Wettbewerb geschützt waren, was den Innovationsdruck schwächte. Im Prozess der schöpferischen Zerstörung schafft der Wettbewerb Anreize für Unternehmen, ihrer Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, und verringert die Zahl der Unternehmen mit geringer Produktivität. Wenn der Wettbewerb schwach ist, werden bestehende Unternehmen und Arbeitsplätze geschützt. Die Unternehmen und die Beschäftigten in diesen Unternehmen teilen sich die Monopolrenten, aber der Kuchen wird insgesamt kleiner, weil der technische Fortschritt langsamer ist.
In den USA und den erfolgreichen Aufholländern gelang es den Nachkriegsabkommen, die Bedingungen für ein Gleichgewicht mit hohen Gewinnen und hohen Investitionen zu schaffen. Sie führten zu einem raschen Produktivitäts- und Reallohnwachstum bei niedriger Arbeitslosigkeit. Die britischen Erfahrungen der 1950er und 1960er Jahre (Abbildung 17.11) machen deutlich, dass dieses Ergebnis nicht automatisch erreicht werden konnte.
Frage 17.4 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.12 beschreibt die Entwicklung von Beschäftigung, Gewinnen und Löhnen in den 1950er bis 1960er Jahren anhand des Arbeitsmarktmodells.
Welche der folgenden Aussagen über diesen Zeitraum ist richtig?
- Anhaltend hohe Gewinne seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs führten zu anhaltend hohen Investitionen und damit zu einem kontinuierlichen technischen Fortschritt.
- Da die Beschäftigten kooperierten, um den Kuchen zu vergrößern, anstatt einen größeren Anteil des Kuchens zu beanspruchen, war der Anstieg der Lohnsetzungskurve bescheiden und ermöglichte hohe Gewinne und Investitionen.
- Das Goldene Zeitalter funktionierte, weil die Beschäftigten genügend Verhandlungsmacht erlangt hatten, um darauf vertrauen zu können, dass sie einen wesentlichen Anteil an den gegenseitigen Gewinnen, die der technische Fortschritt ermöglichte, beanspruchen konnten. Starke Gewerkschaften verstärkten die Wirkung der Gewerkschaftsstimme. Daher kooperierten sie, um den Kuchen zu vergrößern (das Nachkriegsabkommen), was zu einem bescheidenen Anstieg der Lohnsetzungskurve führte.
- Dieser Tugendkreis führte zu einer rasch ansteigenden Preissetzungskurve und einer Lohnsetzungskurve, die mit ihr anstieg, aber nicht schneller.
17.6 Das Ende des Goldenen Zeitalters
- Stagflation
- Anhaltend hohe Inflation in Verbindung mit hoher Arbeitslosigkeit in der Wirtschaft eines Landes.
Die positive Verstärkung des Goldenen Zeitalters begann Ende der 1960er Jahre zu zerbrechen, was zum Teil auf seine eigenen Erfolge zurückzuführen war. Jahrelang niedrige Arbeitslosigkeit überzeugte die Beschäftigten davon, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht verlieren werden. Ihre Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen ließen die Gewinnrate sinken. Die Nachkriegsabkommen und ihr Grundprinzip der Vergrößerung des Kuchens wich einem Streit um die Größe des Stücks, das jede Gruppe bekommen konnte. Damit waren die Weichen für die folgende Periode der kombinierten Inflation und Stagnation gestellt, die als Stagflation bezeichnet wird.
In den späten 1960er Jahren signalisierte die Zunahme der Arbeitskämpfe in den führenden Volkswirtschaften den Zusammenbruch der Nachkriegsabkommen des Goldenen Zeitalters. Abbildung 17.14 zeigt die Anzahl der Streiktage pro 1000 in der Industrie Beschäftigten in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften von 1950 bis 2002. Als die Streikaktivitäten in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt erreichten, stiegen verzögert auch die Löhne im Verhältnis zu an den Aktienkursen rasch an. Die Nachkriegsabkommen, die zur Schaffung des Goldenen Zeitalters beigetragen hatten, brachen zusammen.
Abbildung 17.14 Das Ende des goldenen Zeitalters: Streiks und Löhne im Verhältnis zu den Aktienkursen in fortgeschrittenen Volkswirtschaften (1950–2002).
Andrew Glyn. 2006. Capitalism Unleashed: Finance, Globalization, and Welfare. Oxford: Oxford University Press.
Die Beschäftigten verlangten auch eine Politik der Einkommensumverteilung zugunsten der weniger Wohlhabenden und der Bereitstellung angemessener Sozialleistungen, was es den Regierungen erschwerte, zunehmend Haushaltsüberschüsse zu erzielen. In den USA trugen die zusätzlichen Militärausgaben zur Finanzierung des Vietnamkriegs zur Gesamtnachfrage bei und hielten die Wirtschaft auf einem unhaltbar hohen Beschäftigungsniveau.
Dieser Prozess wird in Abbildung 17.15 durch eine Aufwärtsverschiebung der Lohnsetzungskurve (in Richtung ‚Ende der 1960er/Anfang der 70er Jahre‘) dargestellt. Gleichzeitig verlangsamte sich das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum (siehe Abbildung 17.2 für die US-Daten). Da sich der Abstand zwischen der Technologiegrenze in den USA und in den aufholenden Ländern Westeuropas verringerte, wurde es in den aufholenden Ländern schwieriger, durch Technologietransfer leichte Gewinne zu erzielen (siehe Abbildung 17.11).
1973 gab es den ersten Ölpreisschock. In Abbildung 17.15 trägt dies zur Abwärtsverschiebung der Preissetzungskurve bei (siehe die mit ‚1973–79‘ beschriftete Preissetzungskurve, zurück zu Abbildung 15.11). Höhere Kosten für importiertes Öl verringern den maximalen Reallohn, den die Beschäftigten erhalten können, wenn die Unternehmen ihre Gewinnspanne unverändert lassen wollen.
Was ist passierte in dieser Situation?
Die Löhne stiegen nicht auf das Niveau von Punkt C. Unter dem Einfluss des Aufwärtsdrucks auf die Löhne und des Ölpreisschocks schrumpfte die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit begann zu steigen. Aber selbst ein deutlicher Rückgang der Beschäftigung (ohne dass die Arbeitslosenquote auf 7 % anstieg) konnte die in der Abbildung dargestellte Verhandlungslücke nicht beseitigen. Die Folge war ein Anstieg der Inflationsrate, wie in Abbildung 17.16 zu sehen ist.
Aufgrund der starken Verhandlungsposition der Beschäftigten in den frühen 1970er Jahren in den meisten Volkswirtschaften mit hohem Einkommen traf der Ölpreisschock in erster Linie die Unternehmen und führte zu einer Umverteilung der Einkommen von den Gewinnen zu den Löhnen (Abbildung 17.15). Die Ära der wachstumsfördernden Tarifverhandlungen im Rahmen der Nachkriegsabkommen neigte sich dem Ende zu.
In den USA und den meisten Ländern mit hohem Einkommen waren die Gewerkschaften stark genug, um ihren Anteil am Kuchen auch nach dem Ölpreisanstieg zu verteidigen, und sie taten dies auch. In Bezug auf das Modell bedeutete dies, dass die Löhne über der neuen Preissetzungskurve lagen. Dies schmälerte die Gewinne, sodass die Investitionen zurückgingen und sich das Produktivitätswachstum verlangsamte. Wie vom Modell in Abbildung 17.15 vorhergesagt, war das Ergebnis eine steigende Inflation (Abbildung 17.16), sinkende Gewinne (Abbildung 17.3), schwache Investitionen (Abbildung 17.3) und hohe Arbeitslosigkeit (Abbildung 17.16).
In einer Handvoll Länder mit integrativen und mächtigen Gewerkschaften (wie in Einheit 16 beschrieben) überlebte das Abkommen. In Schweden beispielsweise hielt sich die mächtige zentralisierte Gewerkschaftsbewegung mit ihren Lohnforderungen zurück, um Rentabilität, Investitionen und ein hohes Beschäftigungsniveau zu erhalten (Abbildung 16.1).
Abbildung 17.16 Nach dem Goldenen Zeitalter: Arbeitslosigkeit und Inflation in fortgeschrittenen Volkswirtschaften (1960–2020).
OECD. 2021. ‘OECD Statistiken’.
- Nachfrageseite (Gesamtwirtschaft)
- Die Art und Weise, wie Ausgabenentscheidungen die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen und damit die Beschäftigung und die Produktion erzeugen. Dabei wird das Multiplikatormodell verwendet. Siehe auch: Angebotsseite (Gesamtwirtschaft).
- Angebotsseite (Gesamtwirtschaft)
- Die Art und Weise, wie Arbeit und Kapital eingesetzt werden, um Waren und Dienstleistungen zu produzieren. Dabei wird das Modell des Arbeitsmarktes verwendet (auch als Modell der Lohnsetzungskurve und der Preissetzungskurve bezeichnet). Siehe auch: Nachfrageseite (Gesamtwirtschaft).
Das Ende des Goldenen Zeitalters löste eine neue Wirtschaftskrise aus, die sich stark von der Great Depression unterschied. Der Wirtschaftsabschwung der 1930er Jahre war durch Probleme der Gesamtnachfrage ausgelöst worden, weshalb er als nachfrageseitige Krise bezeichnet wurde. Das Ende des Goldenen Zeitalters wird als angebotseitige Krise bezeichnet, weil Probleme auf der Angebotsseite der Wirtschaft die Gewinnrate, die Investitionsrate und die Wachstumsrate der Produktivität drückten.
Die darauf folgende Phase wurde als Stagflation bezeichnet, weil sie hohe Arbeitslosigkeit und hohe Inflation kombinierte. Wenn das goldene Zeitalter eine ungewöhnliche Zeit war, in der alles auf einmal gut lief, so war die Stagflation eine ungewöhnliche Zeit, in der alles schief lief.
Gemäß dem Modell der Phillipskurve in Einheit 15 steigt die Inflation, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt; dies ist eine Bewegung entlang der Phillipskurve. Abbildung 17.16 fasst die Daten zur Arbeitslosigkeit und Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften von 1960 bis 2020 zusammen.
Abbildung 15.6 zeigt die Kombinationen aus Inflation und Arbeitslosigkeit in den USA für jedes Jahr zwischen 1960 und 2014.
Wie die Phillipskurve vorhersagt, waren Inflation und Arbeitslosigkeit während des größten Teils des Zeitraums negativ korreliert: Bei steigender Arbeitslosigkeit sank die Inflation und umgekehrt. Doch wie wir in Abbildung 15.6 gesehen haben, verschob sich die gesamte Phillipskurve in diesem Zeitraum nach oben, da sich eine Verhandlungslücke auftat und die erwartete Inflation stieg. Sehen Sie sich den schattierten Teil von Abbildung 17.16 an: Inflation und Arbeitslosigkeit stiegen gemeinsam, was diesem Zeitraum seinen Namen gab.
Frage 17.5 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.14 ist eine Grafik der Streiktage pro 1000 Beschäftigte in der Industrie (linke Achse) und der Durchschnittslöhne im Verhältnis zu den Aktienkursen (rechte Achse) in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwischen 1950 und 2002.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Die Daten stützen diese Aussage nicht. Die Daten deuten darauf hin, dass auf die Zunahme der Streikaktivität eine Verteilungsverschiebung von den Gewinnen zu den Löhnen folgte. Sie zeigen nicht, was mit den Reallöhnen oder der Arbeitslosigkeit geschah.
- 500 Streiktage pro 1000 Beschäftigten bedeutet nicht, dass 500 Beschäftigte jeweils einen Tag lang gestreikt haben. Dieselben Daten könnten auch bei einem langen Streik einiger weniger Beschäftigter oder bei einem kürzeren Streik vieler Beschäftigter ermittelt werden.
- Darauf deutet die Tatsache hin, dass die Zahl der Streiktage in den späten 1960er Jahren stark anstieg.
- Der Schock des Ölpreises mag zu einem Rückgang der Aktienkurse beigetragen haben (der Dow Jones Index halbierte sich zwischen November 1972 und September 1974), wodurch sich der Nenner des Verhältnisses zwischen Löhnen und Aktienkursen verringerte. Es kann jedoch nicht behauptet werden, dass er einen Anstieg der Durchschnittslöhne (der Zähler) ausgelöst hat.
Frage 17.6 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.15 beschreibt die Entwicklung der Beschäftigung, der Gewinne und der Löhne in den 1950er bis 1970er Jahren anhand des Arbeitsmarktmodells.
Welche der folgenden Aussagen über diesen Zeitraum ist richtig?
- Die Beschäftigten versuchten zunehmend, durch Streiks in der Industrie die Löhne nach oben zu treiben.
- Der Ölpreisschock trug zusammen mit der Verlangsamung des Produktivitätswachstums zum Absinken der Preissetzungskurve bei. Die Steuersenkung glich dies etwas aus.
- Die Löhne stiegen nicht tatsächlich auf C, sondern die Verhandlungslücke zwischen dem von den Beschäftigten geforderten Lohn (bei C) und dem von den Unternehmen angebotenen Lohn (durch die Preissetzungskurve gegeben) führte zu einer höheren Inflation.
- Die Löhne blieben oberhalb der neuen (niedrigeren) Preissetzungskurve, was zu geringeren Investitionen führte. Das Ergebnis war eine Stagflation mit steigender Inflation, sinkenden Gewinnen, schwachen Investitionen und hoher Arbeitslosigkeit.
Frage 17.7 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.16 ist eine Grafik der Arbeitslosenquote und der Inflation der Verbraucherpreise in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwischen 1960 und 2013.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Diese negative Korrelation brach in den 1970er Jahren zusammen.
- Zwischen 1975 und 1978 ging die Inflationsrate deutlich zurück, während die Arbeitslosenquote weiter anstieg, sodass die beiden Größen in diesem Zeitraum negativ korrelierten.
- Die Verschiebung der Phillipskurve nach oben bedeutet eine höhere Inflationsrate bei jeder Arbeitslosigkeit, was in der Stagflation der Fall war.
- Das Ende der Stagflation Anfang der 1980er Jahre war durch einen raschen Rückgang der Inflationsrate gekennzeichnet. Die Arbeitslosenquote stieg jedoch an, wodurch die negative Korrelation zwischen beiden wiederhergestellt wurde.
17.7 Nach der Stagflation: Die Früchte eines neuen politischen Regimes
Die dritte große Epoche in den letzten 100 Jahren des Kapitalismus begann im Jahr 1979. In allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften konzentrierten sich die politischen Entscheidungsträger:innen auf die Wiederherstellung der Bedingungen für Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Eine Ausweitung der Gesamtnachfrage würde nicht helfen: Was während der Great Depression Teil der Lösung gewesen wäre, war nun Teil des Problems geworden.
In einigen nordeuropäischen und skandinavischen Ländern wurden weiterhin Vereinbarungen zwischen Beschäftigten und Unternehmen getroffen. In anderen Ländern gaben die Unternehmen die Vereinbarungen auf, und die politischen Entscheidungsträger:innen wandten sich anderen institutionellen Regelungen zu, um Investitionsanreize für die Unternehmen wiederherzustellen.
- Angebotspolitik
- Eine Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die darauf abzielen, das Funktionieren der Wirtschaft durch die Steigerung der Produktivität und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie durch die Senkung der Gewinne nach Steuern und der Produktionskosten zu verbessern. Zu den Maßnahmen gehören die Senkung der Gewinnsteuern, die Verschärfung der Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld, die Änderung der Gesetzgebung, um die Entlassung von Beschäftigten zu erleichtern, und die Reform der Wettbewerbspolitik, um Monopolmacht zu verringern. Auch bekannt als: Reformen auf der Angebotsseite.
Die neuen politischen Maßnahmen wurden als Angebotsreformen bezeichnet und zielten darauf ab, die Ursachen der Angebotskrise der 1970er Jahre zu beseitigen. Im Mittelpunkt dieser Politik stand die Notwendigkeit, das Machtgleichgewicht zwischen Unternehmen und Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt und in den Unternehmen zu verschieben. Die damalige Regierungspolitik verfolgte dieses Ziel im Wesentlichen auf zwei Arten:
- Restriktive Geld- und Steuerpolitik: Die Regierungen zeigten, dass sie bereit waren, einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf ein noch nie dagewesenes Niveau zuzulassen, wodurch die Position der Beschäftigten geschwächt und die Konsistenz der Ansprüche an die Produktion pro Beschäftigten als Grundlage für eine bescheidene und stabile Inflation wiederhergestellt wurde.
- Verschiebung der Lohnsetzungskurve nach unten: Wie wir in Einheit 15 gesehen haben, umfasste diese Politik Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung und die Einführung von Gesetzen, um die Macht der Gewerkschaften zu verringern.
Abbildung 17.16 veranschaulicht das neue politische Umfeld. Die Arbeitslosigkeit stieg in den frühen 1980er Jahren rasch von 5 % auf 8 %. Dies war der Preis für die Wiederherstellung der Bedingungen für Gewinne und Investitionen und für die Senkung der Inflation von mehr als 10 % auf 4 %. Die politischen Entscheidungsträger:innen waren bereit, die Gesamtnachfrage zu senken und eine hohe Arbeitslosigkeit zu tolerieren, bis die Inflation zurückging.
Die mit dem ersten Ölpreisschock im Jahr 1973 einsetzende höhere Arbeitslosigkeit hatte zwei Auswirkungen:
- Sie verringerte die Verhandlungslücke in Abbildung 17.15: Dies führte zu einem Rückgang der Inflation (siehe Abbildung 17.16).
- Sie brachte Gewerkschaften und Beschäftigte in die Defensive: Die Kosten für den Verlust des Arbeitsplatzes stiegen, und die Beschäftigten hatten weniger Verhandlungsmacht.
Abbildung 17.17 zeigt die Entwicklung der Produktivität (Output pro Stunde) und der Reallöhne im verarbeitenden Gewerbe in den USA seit Beginn des Goldenen Zeitalters. Für jede Reihe werden Indexzahlen verwendet, um das Wachstum der Reallöhne im Verhältnis zum Output pro Arbeitsstunde zu verdeutlichen. Ein Reallohnwachstum im Einklang mit dem Output pro Stunde ist nicht unvermeidlich. In Einheit 2, Abbildung 2.1, haben wir bei der Betrachtung des Reallohnwachstums in England seit dem 13. Jahrhundert gesehen, dass Institutionen (soziale Bewegungen, Änderungen des Wahlrechts und der Gesetze) eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des Produktivitätswachstums in Reallohnwachstum spielten.
Abbildung 17.17 Das Goldene Zeitalter und seine Nachwirkungen: Reallöhne und Produktion pro beschäftigter Person in der Produktion im verarbeitenden Gewerbe in den USA (1949–2019).
US Bureau of Labor Statistics. Anmerkung: ‚beschäftigte Person in der Produktion‘ schließt Aufsichtspersonal wie Vorarbeiter:innen und Führungskräfte aus.
Die Abbildung zeigt zwei deutluch unterschiedliche Zeiträume:
- Vor 1973: ‚Fair-Shares‘-Verhandlungen bedeuteten, dass Löhne und Produktivität gemeinsam stiegen.
- Nach 1973: Der Produktivitätszuwachs wurde nicht mit den Beschäftigten geteilt. Für Beschäftigte in der Produktion im verarbeitenden Gewerbe änderten sich die Reallöhne in den 40 Jahren nach 1973 kaum.
Mitte der 1990er Jahre wurden die Auswirkungen der neuen angebotsseitigen Politik deutlich. Der Zeitraum von diesem Zeitpunkt bis zur globalen Finanzkrise 2008 wurde als Great Moderation bezeichnet, da die Inflation niedrig und stabil war und die Arbeitslosigkeit sank. Obwohl das Lohnwachstum deutlich hinter dem Produktivitätswachstum zurückblieb, betrachteten die politischen Entscheidungsträger:innen dies nicht mehr als Fehler, sondern als ein Merkmal des neuen Systems. Der dritte Ölpreisschock, der in den 2000er Jahren auftrat, war ein guter Test für das System. Wie wir in Einheit 15 gesehen haben, löste er weniger Störungen aus als die beiden Ölpreisschocks in den 1970er Jahren.
Während das neue System den Vorzug makroökonomischer Stabilität zu haben schien, kam es in Ländern, in denen die Verhandlungsmacht der Beschäftigten am stärksten verringert worden war, wie in den USA und im Vereinigten Königreich, zu einem dramatischen Anstieg der Ungleichheit, wie wir in Abbildung 17.2 gesehen haben.
In praktisch allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften führten die neuen angebotsseitigen Maßnahmen zu einer Umverteilung der Einkommen von den Löhnen zu den Gewinnen. In den USA (Abbildung 17.3) stieg die Gewinnrate nach Steuern zwischen den 1970er Jahren und 2008 immer weiter an. Doch die Investitionen reagierten nur schwach auf die Gewinnanreize, sodass die Wachstumsrate des Kapitalstocks zurückging.
Die neue angebotsseitige Politik konnte das schwer erreichbare Paket aus hoher Beschäftigung, hohen Investitionen und steigenden Löhnen aus dem goldenen Zeitalter nicht wiederherstellen. Das Wachstum der Gewinne, das nicht durch Investitionen in neue Ausrüstungen ausgeglichen wurde, trug auch zur nächsten Krise bei.
Übung 17.3 Die Verhandlungsmacht der Beschäftigten
Angesichts der Great Depression haben die meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg eine Politik verfolgt, die die Verhandlungsmacht der Beschäftigten und der Gewerkschaften gestärkt hat. Im Gegensatz dazu schwächten die nach dem Goldenen Zeitalter gewählten Maßnahmen die Verhandlungsmacht der Beschäftigten.
- Erläutern Sie die Gründe für diese gegensätzlichen Ansätze.
- Diskutieren Sie die mögliche Rolle der schwächeren Verhandlungsmacht der Beschäftigten im Vorfeld der globalen Finanzkrise.
17.8 Vor der Finanzkrise: Haushalte, Banken und der Kreditboom
Hinter der Great Moderation verbargen sich drei Veränderungen, die das Umfeld für die globale Finanzkrise schaffen sollten. Während diese Veränderungen bis zu einem gewissen Grad in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu beobachten waren, spielten die Beteiligten der US-Wirtschaft in der globalen Finanzkrise eine zentrale Rolle, genau wie während der Great Depression:
- finanzielle Deregulierung
- Politiken, die Banken und anderen Institutionen größere Freiheit bei der Art der finanziellen Vermögenswerte, die sie verkaufen können, sowie bei anderen Praktiken einräumen.
- Bankenrettung
- Die Regierung kauft eine Eigenkapitalbeteiligung an einer Bank oder greift auf andere Weise ein, um sie vor dem Konkurs zu bewahren.
- Great Recession
- Die langanhaltende Rezession, die auf die globale Finanzkrise von 2008 folgte.
- Ansteigende Schulden: Die Summe der Schulden des Staates und der Unternehmen, die nicht dem Finanzsektor zugeordnet wurden, hat sich im Verhältnis zum BIP zwischen 1995 und 2008 relativ wenig verändert; die in Abbildung 17.4 gezeigte bergige Form der Gesamtverschuldung in der US-Wirtschaft wurde durch das Wachstum der Schulden der privaten Haushalte und des Finanzsektors verursacht.
- Steigende Immobilienpreise: Der Anstieg der Immobilienpreise war nach 1995 stärker ausgeprägt als davor.
- Zunehmende Ungleichheit: Der langfristige Rückgang der Ungleichheit, der nach der Great Depression begann, kehrte sich nach 1979 um (Abbildung 17.2). Die Beschäftigten wurden nicht mehr an den Produktivitätsgewinnen beteiligt (Abbildung 17.17).
Wie lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Finanzkrise und der Great Moderation sowie dem langfristigen Anstieg von Schulden, Immobilienpreisen und Ungleichheit herstellen? Dabei hilft uns, was wir in den Einheiten 9, 10, 13 und Abschnitt 17.4 gelernt haben. Wir wissen, dass während der Great Moderation, von Mitte der 1990er Jahre bis zum Vorabend der Finanzkrise die Reallöhne der unteren 50 % (der Einkünfte) kaum gestiegen sind. Im Vergleich zu den Verdiensten der oberen 50 % haben sie sogar verloren. Eine Möglichkeit, ihre Konsummöglichkeiten zu verbessern, war die Aufnahme eines Hauskredits. Vor den 1980er Jahren waren die Finanzinstitute in Bezug auf die Art der Kredite und die Zinssätze, die sie verlangen konnten, eingeschränkt. Die Finanzderegulierung führte zu einem aggressiven Wettbewerb um Kundschaft und erleichterte dieser den Zugang zu Krediten.
Die Great Moderation und die globale Finanzkrise
Die Great Moderation war eine Periode geringer Schwankungen der Wirtschaftsleistung zwischen Mitte der 1980er Jahre und 2008. Sie wurde durch die globale Finanzkrise beendet, die durch den Verfall der US-Häuserpreise ab 2007 ausgelöst wurde.
Zu Beginn der Krise verhinderten die Stabilisierungsmaßnahmen der Regierungen und Zentralbanken, insbesondere die Bankenrettungen, eine Wiederholung der Great Depression.
Dennoch folgte ein anhaltender globaler Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion, der im Volksmund als Great Recession bezeichnet wird.
Immobilienbooms und der finanzielle Akzelerator
Wenn Haushalte einen Kredit aufnehmen, um ein Haus zu kaufen, handelt es sich um ein gesichertes oder besichertes Darlehen. Der Hypothekenvertrag sieht vor, dass die Bank das Haus in Besitz nehmen kann, wenn die kreditnehmende Person den Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Sicherheiten spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung eines Hauspreisbooms. Wenn der Hauspreis steigt, weil man beispielsweise von einem weiteren Preisanstieg ausgeht, erhöht sich der Wert der Sicherheiten des Haushalts (siehe das linke Diagramm in Abbildung 17.18). Mit diesen höheren Sicherheiten können die Haushalte ihre Kreditaufnahme erhöhen und sich eine bessere Immobilie leisten. Dies wiederum treibt die Hauspreise weiter in die Höhe und hält die Blase aufrecht, da die Banken auf der Grundlage der höheren Sicherheiten mehr Kredite vergeben. Die erhöhte Kreditaufnahme, die durch den Anstieg des Wertes der Sicherheiten ermöglicht wird, wird für Waren und Dienstleistungen sowie für Wohnraum ausgegeben.
- Leverage Ratio (für Banken oder Haushalte)
- Der Wert der Vermögenswerte geteilt durch den Anteil des Eigenkapitals an diesem Vermögen.
Abbildung 17.18 Der Immobilienmarkt auf dem Weg nach oben und auf dem Weg nach unten.
Angepasst an die Abbildung in Hyun Song Shin. 2009. ‘Discussion of ‘The Leverage Cycle’ by John Geanakoplos’.
Wenn ein Anstieg der Immobilienpreise erwartet wird, ist es für die Haushalte attraktiv, ihre Kreditaufnahme zu erhöhen. Angenommen, ein Haus kostet 200 000 USD und der Haushalt leistet eine Anzahlung von 10 % (USD 20 000). Das bedeutet, dass er einen Kredit von 180 000 USD aufnimmt. Der anfängliche Verschuldungsgrad, in diesem Fall der Wert der Vermögenswerte geteilt durch den Eigenkapitalanteil an dem Haus, beträgt 200/20 = 10. Angenommen, der Preis des Hauses steigt um 10 % auf 220 000 USD. Die Rendite für das Eigenkapital, das der Haushalt in das Haus investiert hat, beträgt 100 % (da der Wert des Eigenkapitalanteils von 20 000 USD auf 40 000 USD gestiegen ist: Er hat sich verdoppelt). Haushalte, die davon überzeugt sind, dass die Immobilienpreise weiter steigen werden, werden ihren Fremdkapitalanteil erhöhen wollen: Auf diese Weise erhalten sie eine höhere Rendite. Der Anstieg der Sicherheiten aufgrund des Preisanstiegs ihres Hauses bedeutet, dass sie ihren Wunsch nach mehr Krediten befriedigen können.
- finanzieller Akzelerator
- Der Mechanismus, durch den die Fähigkeit von Unternehmen und Haushalten zur Kreditaufnahme steigt, wenn der Wert der Sicherheiten, die sie dem Darlehensgeber (häufig eine Bank) verpfändet haben, zunimmt.
Der Mechanismus, durch den ein Anstieg des Wertes von Sicherheiten zu einem Anstieg der Kreditaufnahme und der Ausgaben von Haushalten und Unternehmen führt, wird als finanzieller Akzelerator bezeichnet (siehe Abschnitt 14.3 für die Einzelheiten). Die linke Seite von Abbildung 17.18 zeigt das Ergebnis der Interaktion zwischen der Immobilienblase und ihrer Übertragung auf die Wirtschaft über den finanziellen Akzelerator während eines Booms. Auf der rechten Seite sehen wir, was passiert, wenn die Immobilienpreise fallen. Der Wert der Sicherheiten sinkt und die Ausgaben der Haushalte gehen zurück, was die Immobilienpreise nach unten drückt.
Die Vermögenswerte (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) eines Haushalts können in seiner Bilanz dargestellt werden, und dies kann zur Erklärung der Wechselwirkung zwischen einer Immobilienpreisblase und dem finanziellen Akzelerator verwendet werden. Das Haus steht auf der Aktivseite der Bilanz des Haushalts. Die Hypothek, die er der Bank schuldet, steht auf der Passivseite. Wenn der Marktwert des Hauses unter die Hypothekenschulden fällt, hat der Haushalt ein negatives Nettovermögen. Dieser Zustand wird manchmal als ‚Unterwasserhaushalt‘ bezeichnet. Wenn der Verschuldungsgrad im obigen Beispiel zehn beträgt, führt ein Rückgang des Immobilienpreises um 10 % dazu, dass das Eigenkapital des Haushalts verloren geht. Ein Rückgang von mehr als 10 % würde dazu führen, dass der Haushalt unter Wasser steht.
Wie wir bei den Haushalten in der Great Depression gesehen haben, reagiert ein Haushalt, der durch einen Rückgang des Nettovermögens unter sein Zielvermögen fällt, mit einer Kürzung der Ausgaben. Wenn sich eine Immobilienblase bildet, verstärkt der Anstieg des Wertes der Sicherheiten den Boom, indem er sowohl die Kreditaufnahme als auch die Ausgaben steigert; auf dem Weg nach unten erhöht der Rückgang des Wertes des Hauses die Schulden der Haushalte und die Haushalte reduzieren ihre Ausgaben. Die steigenden Immobilienpreise unmittelbar vor 2008 vermittelten eine ‚falsche‘ Botschaft. Wir wissen aus heutiger Sicht, dass die Ressourcen vor der Krise falsch verteilt wurden, da nach der Krise in den USA und einigen europäischen Ländern Tausende von leer stehenden Immobilien zurückblieben.
Finanzielle Deregulierung und Subprime-Kreditnehmende
In der Boomphase, in der ein Anstieg der Immobilienpreise erwartet wurde, sank das Risiko von Immobilienbaudarlehen für die Banken, die sie gewährten, und infolgedessen vergaben die Banken mehr Kredite. Die Möglichkeiten für arme Menschen, ein Immobilienbaudarlehen aufzunehmen, erweiterten sich, da die Kreditgebenden geringere oder sogar gar keine Einlagen verlangten. Dies ist in Abbildung 17.19 dargestellt. Der finanzielle Akzelerator ist ein Beispiel für eine positive Rückkopplung: Von höheren Sicherheiten zu mehr Krediten und damit zu einem weiteren Anstieg der Immobilienpreise.
Abbildung 17.19 Verschuldung der Haushalte im Verhältnis zum Einkommen und Immobilienpreisen in den USA (1950–2020).
US Federal Reserve. 2016. ‘Finanzkonten der Vereinigten Staaten, historisch’. . December 10; US Bureau of Economic Analysis; Federal Reserve Bank of St Louis (FRED).
Abbildung 17.20 zeigt den Unterschied zwischen dem materiellen Wohlstand eines Haushalts aus dem untersten und dem obersten Fünftel der Haushalte, gemessen an dem Nettovermögen im Jahr 2007. Unter Verwendung der in Abschnitt 14.3 eingeführten und in Abschnitt 17.3 verwendeten Definitionen ist der materielle Wohlstand des Haushalts gleich dem Wert des Hauses (der definitionsgemäß der Summe der ausstehenden Schulden und des Eigenkapitals des Haushalts entspricht) abzüglich der Hypothekenschulden und zuzüglich des Finanzvermögens (abzüglich der nicht-immobilienbezogenen Schulden).
Abbildung 17.20 Vermögen und Schulden der privaten Haushalte in den USA: Ärmstes und reichstes Quintil nach Nettovermögen (2007).
Angepasst an Abbildung 2.1 in Atif Mian und Amir Sufi. 2014. House of Debt: How They (and You) Caused the Great Recession, and How We Can Prevent It from Happening Again. Chicago, Il: The University of Chicago Press.
Der linke Balken stellt die ärmsten 20 % der Haushalte dar. Der rechte Balken stellt die reichsten 20 % dar. Die Daten sind so dargestellt, dass wir die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten (Schulden) der beiden Gruppen vergleichen können. In jedem Fall wird das Gesamtvermögen beziehungsweise die Summe aus Schulden und Nettovermögen zu 100 % gleichgesetzt. Das bedeutet, dass wir die absolute Höhe des Vermögens oder der Schulden der beiden Gruppen nicht vergleichen können, aber die Daten lassen uns klar erkennen, welche Art von Vermögen (Wohnen oder Finanzen) jeder Haushaltstyp besitzt und wie hoch die Schulden jedes Typs im Verhältnis zum Vermögen sind. Dies sagt viel darüber aus, wie sich ein Rückgang der Immobilienpreise auf das Ausgabeverhalten der einzelnen Gruppen auswirken würde.
Die ärmsteen 20 % der Haushalte, dargestellt im linken Balken sind kreditnehmende Haushale. Diese Haushalte können normalerweise nur dann Kredite aufnehmen, wenn sie ein Haus als Sicherheit besitzen Sie verfügen über ein geringes Finanzvermögen, wie die Größe des grünen Rechtecks zeigt. Diese Haushalte haben viel mehr Schulden als Eigenkapital an ihren Häusern und sind anfällig für einen Rückgang der Immobilienpreise.
Reiche Haushalte verfügen über ein großes Vermögen, hauptsächlich in Form von Finanzvermögen: Bank- und Geldmarkteinlagen, Staats- und Unternehmensanleihen sowie Aktien. Sie haben auch wenig Schulden. Dies sind die Sparerhaushalte der Einheit 10.
Finanzielle Deregulierung und Verschuldung der Banken
- Derivat
- Ein Finanzinstrument in Form eines handelbaren Vertrags, dessen Wert auf der Wertentwicklung von zugrunde liegenden Vermögenswerten wie Aktien, Anleihen oder Immobilien beruht. Siehe auch: Collateralized Debt Obligation.
- Collateralized Debt Obligation (CDO)
- Ein strukturiertes Finanzinstrument (ein Derivat), das aus einer Anleihe oder einem Schuldschein besteht, die durch einen Pool von Vermögenswerten mit festem Einkommen unterlegt sind. Der Wertverfall von Instrumenten dieser Art, die durch Subprime-Hypotheken gesichert waren, war ein wichtiger Faktor in der globalen Finanzkrise 2007-2008.
- hypothekarisch gesicherte Wertpapiere (HGW)
- Ein finanzielles Vermögen, bei dem Hypotheken als Sicherheiten dienen. Die Anleger:innen erhalten Zahlungen, die sich aus den Zinsen und dem Kapital der zugrunde liegenden Hypotheken ergeben. Siehe auch: Sicherheiten.
Im Rahmen des deregulierten Finanzsystems haben die Banken ihre Kreditaufnahme erhöht:
- Um mehr Kredite für den Immobilienbau zu vergeben
- Um mehr Kredite für langlebige Gebrauchsgüter wie Autos und Einrichtungsgegenstände zu vergeben
- Um mehr Finanzanlagen zu kaufen, die auf Bündeln von Immobilienbaudarlehen basieren
Die Kombination aus der Great Moderation, den steigenden Immobilienpreisen und der Entwicklung neuer, scheinbar weniger riskanter Finanzanlagen wie den Derivaten namens kollateralisierte Schuldverschreibung (KSV, engl. collateralized debt obligations, CDO), die auf Bündeln von Immobilienbaudarlehen namens hypothekengesicherten Wertpapiere (HGW) basierten, machten es für Banken rentabel, sich stärker zu verschulden.
Abbildung 17.21 zeigt die Verschuldung von US-Investmentbanken und allen britischen Banken.
Abbildung 17.21 Verschuldungsgrad von Banken im Vereinigten Königreich und in den USA (1960–2018).
US Federal Reserve. 2021. ‘Finanzkonten der Vereinigten Staaten, historisch.’ December 10; Bank of England. 2012. Financial Stability Report, Issue 31.
In den USA lag die Leverage Ratio der Investmentbanken Ende der 1970er Jahre zwischen 12 und 14 und stieg in den frühen 1990er Jahren auf über 30. Sie erreichte 1996 einen Wert von 40 und erreichte kurz vor der Finanzkrise mit 43 ihren Höhepunkt. Im Gegensatz dazu blieb der Verschuldungsgrad der britischen Durchschnittsbank bis zum Jahr 2000 auf einem Niveau von etwa 20. Danach stieg der Verschuldungsgrad sehr schnell an und erreichte 2007 einen Spitzenwert von 48. In den 2000er Jahren nahmen britische und europäische Banken, darunter auch so genannte Schattenbanken, verstärkt Kredite auf, um KSV und andere Finanzaktiva zu kaufen, die ihren Ursprung im US-Immobilienmarkt hatten.
Die Verschuldung stieg aufgrund der Deregulierung der Finanzmärkte und des Geschäftsmodells der Banken. Aber warum waren die Sparenden bereit, dem zunehmend fremdfinanzierten Finanzsystem und indirekt auch dem hoch fremdfinanzierten privaten Haushalten weiterhin Kredite zu gewähren?
- Ratingagentur
- Ein Unternehmen, das Informationen sammelt, um die Kreditwürdigkeit von Einzelpersonen, Unternehmen oder Ländern zu berechnen, und das daraus resultierende Rating gegen eine Gebühr verkauft.
- Subprime-Hypothek
- Eine Hypothek, die an eine Person mit hohem Risiko vergeben wird, zum Beispiel an eine Person mit einer Vorgeschichte von Konkursen und verspäteten Rückzahlungen. Siehe auch: Subprime-Kreditnehmender.
Unternehmen, die Ratingagenturen genannt werden (die großen drei sind Fitch Ratings, Moody’s und Standard & Poor’s), bewerten das Risiko von Finanzprodukten. Ein Teil ihrer Aufgabe besteht darin, Beweise zu liefern, um Kreditgebenden zu versichern, dass ihre Investitionen sicher sind. Nach fast 20 Jahren der Great Moderation schienen Wirtschaftskrisen der Vergangenheit anzugehören, und so vergaben diese Unternehmen die höchsten Ratings (das heißt das geringste Risiko) für viele der aus Subprime-Hypotheken entstandenen Vermögenswerte.
Die Subprime-Immobilienkrise von 2007
Die Verflechtung der Verschuldung armer Haushalte in den USA und der globalen Banken führte dazu, dass die Auswirkungen der Zahlungsausfälle von Hauseigentümer:innen im Jahr 2006 nicht mehr auf die lokale oder sogar nationale Wirtschaft beschränkt werden konnten. Die Krise, die durch Probleme der Subprime-kreditnehmenden Personen in den USA ausgelöst wurde, griff auf andere Länder über. Am 9. August 2007 wurden die Märkte aufgeschreckt, als die französische Bank BNP Paribas die Rücknahme von drei Investitionen stoppte, weil sie Finanzprodukte, die auf US-Hypotheken basierten, nicht ‚fair‘ bewerten konnte—sie wusste einfach nicht, wie viel sie wert waren.
Die Rezession, die 2008–09 über die Welt hereinbrach, war die schlimmste Schrumpfung der globalen Wirtschaft seit der Great Depression. Anders als die Buschbrände im Südosten Australiens im Jahr 2009 kam die Finanzkrise für die Welt überraschend. Die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger:innen waren nicht darauf vorbereitet. Sie entdeckten zu spät, dass eine lange Phase der Ruhe auf den Märkten eine Krise wahrscheinlicher machen könnte.
Dieses Argument hatte der Ökonom Hyman Minsky schon lange vor der Great Moderation vorgebracht. Minsky entwickelte diese Ideen während seiner Zeit als Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of California Berkeley, sodass er dabei vielleicht sogar an Brände gedacht hat. Im Norden Mexikos lassen die für die Brandbekämpfung zuständigen Behörden kleine Brände zu, sodass sich das trockene Unterholz nicht ansammelt. Größere Brände treten häufiger jenseits der US-Grenze in Kalifornien auf, wo kleine Brände schnell gelöscht werden.
1982 schrieb Minsky Can ‚It‘ Happen Again? über die Art und Weise, wie ruhige Bedingungen Unternehmen dazu bringen, riskantere Methoden zur Finanzierung ihrer Investitionen zu wählen.4 Seine Warnung blieb ungehört. Die ruhigen Bedingungen der Great Moderation führten nicht zu erhöhter Wachsamkeit, sondern zu Nachlässigkeit bei Regulierungsbehörden und Ökonominnen und Ökonomen. Wie Minsky vorausgesagt hatte, war es das zunehmend riskante Verhalten der Banken, das die Voraussetzungen für die Krise schuf.
Große Ökonominnen und Ökonomen Hyman Minsky
Hyman Minsky (1919–1996) war ein amerikanischer Ökonom, der eine Finanztheorie des Konjunkturzyklus entwickelt hat. Seine Ideen haben seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 sowohl in der Wissenschaft als auch in der Banken- und Finanzwelt wieder an Aufmerksamkeit gewonnen.
Minsky vertrat die Auffassung, dass makroökonomische Schwankungen nicht richtig verstanden werden können, ohne die Art und Weise zu berücksichtigen, wie Investitionen der Unternehmen finanziert werden. Zu einer Zeit, als die meisten Ökonominnen und Ökonomen Unternehmen als Standort einer Produktionsfunktion betrachteten, konzentrierte sich Minsky stattdessen auf die Vermögenswerte und Schulden in der Bilanz des Unternehmens. Von den Vermögenswerten, einschließlich Anlagen und Ausrüstungen, aber auch von weniger materiellen Vermögenswerten wie Patenten, Urheberrechten und Marken, wird erwartet, dass sie einen weit in die Zukunft reichenden Einkommensstrom erzeugen. Die Schulden umfassen die Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber seinen Gläubiger:innen und implizieren einen Strom von Zahlungen, die zu verschiedenen Zeitpunkten fällig werden.
Neue Investitionen des Unternehmens erweitern seine Fähigkeit, Waren und Dienstleistungen zu produzieren, und verändern damit die erwarteten Einnahmenströme des Unternehmens. Wird die Investition durch Schulden finanziert, verändert sie auch die finanziellen Verpflichtungen des Unternehmens zu künftigen Zeitpunkten. Bei der Entscheidung über die Finanzierung seiner Investitionen steht das Unternehmen vor einer Wahl:
- Aufnahme langfristiger Schulden: Es geht davon aus, dass die Einnahmen ausreichen werden, um die Verpflichtungen zu jedem Zeitpunkt zu decken.
- Aufnahme kurzfristiger Schulden: Diese Schulden müssen zurückgezahlt werden, bevor die erwarteten Einnahmen zur Verfügung stehen. Es entsteht die Notwendigkeit einer weiteren Darlehensaufnahme, um die Schulden am Ende dieser Laufzeit zurückzuzahlen.
Im Allgemeinen ist eine langfristige Darlehensaufnahme teurer, da die darlehensgebenden Personen oder Organisationen einen höheren Zinssatz verlangen. Eine kurzfristige Darlehensaufnahme ist jedoch riskant, da das Unternehmen möglicherweise nicht in der Lage ist, die Schulden bei Fälligkeit zu refinanzieren. Selbst wenn es sich refinanzieren kann, kann es gezwungen sein, eine Darlehensaufnahme zu hohen Zinsen vorzunehmen, wenn die Verfügbarkeit von Krediten eingeschränkt ist.
- Absicherungsfinanzierung
- Finanzierung, die von Unternehmen genutzt wird, um vertragliche Zahlungsverpflichtungen aus dem Cashflow zu erfüllen. Der Begriff wurde von Hyman Minsky in seiner Hypothese der finanziellen Instabilität geprägt. Siehe auch: Spekulationsfinanzierung.
- Spekulationsfinanzierung
- Eine Strategie, die von Unternehmen angewandt wird, um Zahlungsverpflichtungen für Verbindlichkeiten mit Hilfe des Cashflows zu erfüllen, obwohl das Unternehmen das Kapital auf diese Weise nicht zurückzahlen kann. Unternehmen, die sich in dieser Lage befinden, müssen ihre Verbindlichkeiten verlängern, indem sie in der Regel neue Schuldtitel ausgeben, um die Verpflichtungen aus fällig werdenden Schuldtiteln zu erfüllen. Der Begriff wurde von Hyman Minsky in seiner Finanzinstabilitätshypothese geprägt. Siehe auch: Absicherungsfinanzierung.
Unternehmen, die sich für die sicherere, aber teurere Option entschieden, das heißt für den Abgleich von Einnahmen und Schuldverpflichtungen, betrieben laut Minsky Absicherungsfinanzierung. Diejenigen, die die günstige, aber riskantere Option wählten, nämlich kurzfristige Darlehensaufnahmen zur Finanzierung langfristiger Investitionen, betrieben Spekulationsfinanzierung.
Ein Schlüsselelement von Minskys Theorie betraf die Art und Weise, in der sich die Verteilung der Finanzpraktiken in der Wirtschaft im Laufe der Zeit veränderte. Solang die Bedingungen auf den Finanzmärkten relativ ruhig blieben, sodass es leicht war, kurzfristige Schulden zu verlängern, würden die Unternehmen mit den aggressivsten Finanzpraktiken auf Kosten der umsichtigeren Unternehmen florieren. Die aggressivsten Unternehmen würden nicht nur schneller wachsen, sie würden auch nachahmende Unternehmen anziehen, und die Verteilung der Finanzpraktiken in der Wirtschaft würde zunehmend spekulativer werden. Die Nachfrage nach der Refinanzierung kurzfristiger Schulden würde steigen und damit die Anfälligkeit des Finanzsystems zunehmen: Eine schwerwiegende Störung des Finanzmarktes mit einer Schrumpfung der Kreditvergabe oder einem sprunghaften Anstieg der kurzfristigen Zinssätze würde immer wahrscheinlicher.
Nach Minskys Ansicht führt dieser Prozess unweigerlich zu einer Krise, denn solang eine Krise abgewendet wird, breiten sich die aggressivsten Finanzpraktiken aus und die finanzielle Anfälligkeit nimmt weiter zu. Wenn es schließlich zu einer Krise kommt, werden die aggressivsten Unternehmen überproportional leiden und die umsichtigen Unternehmen werden prosperieren. Die starke Verschiebung in der Gesamtverteilung der Finanzpraktiken verringert die Fragilität und schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Prozess von neuem beginnt. In Minskys Worten:
Stabilität—selbst bei einer Expansion—ist insofern destabilisierend, als sich eine abenteuerlichere Finanzierung von Investitionen für die führenden Unternehmen auszahlt und andere folgen. (John Maynard Keynes, 1975)
Mit anderen Worten: Eine Periode wie die Great Moderation legt die Saat für die nächste Finanzkrise.
Im Jahr 2007 erklärte Charles Prince, Chef der Citigroup, gegenüber der Financial Times, wie schwierig es ist, während eines Booms einer ‚abenteuerlichen Finanzierung‘ zu widerstehen. ‚Solange die Musik spielt, muss man aufstehen und tanzen‘, sagte er im Juli, als die globale Wirtschaft auf eine Krise zusteuerte, die so tief sein sollte wie seit der Great Depression nicht mehr: ‚Wir tanzen immer noch‘.
Übung 17.4 Das Vermögen der Haushalte als Bilanz
Stellen Sie die Informationen in Abbildung 17.20 in Form einer Bilanz dar, und zwar für einen Haushalt aus dem untersten und einen aus dem obersten Quintil des Nettovermögens (verwenden Sie die Bilanzen in den Abbildungen 10.16 und 10.17 als Orientierung). Nehmen Sie an, dass die Summe der Vermögenswerte und Schulden für den ärmeren Haushalt 200 000 USD und für den reicheren Haushalt 600 000 USD beträgt, dass beide Haushalte über gewisse Ersparnisse verfügen und dass die Vermögenswerte nicht abgeschrieben werden.
Überlegen Sie, wie hoch der Anteil der Hypotheken an den Schulden dieser Haushalte sein könnte. Betrachten Sie nun die relativen Auswirkungen eines Rückgangs der Immobilienpreise auf die Haushalte.
- Definieren Sie negatives Eigenkapital als eine Situation, in der der Marktwert eines Hauses geringer ist als die darauf lastenden Schulden. Berechnen Sie in Ihrer Beispielbilanz für den ärmeren Haushalt den Rückgang der Immobilienpreise, der diesen Haushalt in ein negatives Eigenkapital drängen würde.
- Wenn die Immobilienpreise gerade so weit sinken, dass der Haushalt negatives Eigenkapital aufweist, wäre er dann insolvent? Erläutern Sie.
Frage 17.8 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.19 zeigt die Verschuldung der Haushalte im Verhältnis zum Einkommen und die Hauspreise in den USA zwischen 1950 und 2014. Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Nicht der reale Wert, sondern das Verhältnis zum Haushaltseinkommen hat sich in den letzten 35 Jahren mehr als verdoppelt.
- Es gibt ein positives Feedback in beide Richtungen (der finanzielle Akzelerator). So fördern höhere Hauspreise nicht nur eine höhere Verschuldung durch steigende Sicherheiten, sondern höhere Schulden führen auch zu höheren Preisen durch eine höhere Nachfrage.
- Ein Verhältnis von Schulden zu Einkommen von über 100 bedeutet nicht unbedingt, dass der Haushalt bankrott ist. In einem Umfeld niedriger Zinssätze kann ein solch hoher Schuldenstand noch aufrechterhalten werden. Ein Haushalt ist bankrott, wenn seine Schulden höher sind als sein Vermögen, nicht sein Einkommen.
- Ein Teil des Anstiegs der Haushaltsverschuldung in den USA wurde als Hypothekenvergabe an Haushalte vergeben, die sich die Rückzahlung nicht wirklich leisten konnten.
Frage 17.9 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.21 ist das Diagramm des Leverage der Banken im Vereinigten Königreich und in den USA zwischen 1960 und 2014.
Die Leverage Ratio ist definiert als das Verhältnis der gesamten Vermögenswerte der Banken zu ihrem Eigenkapital. Welche der folgenden Aussagen sind richtig?
- 2,5 % Eigenkapital bedeutet, dass die gesamten Vermögenswerte dem 40-fachen Wert des Eigenkapitals entsprechen.
- Eine Verdoppelung des Leverage bedeutet nicht, dass sich der Wert der Vermögenswerte verdoppelt hat. Der Leverage kann sich auch bei konstantem Wert der Vermögenswerte verdoppeln, wenn das Eigenkapital halbiert wird.
- Wenn die Vermögenswerte um 4 % fallen, verlieren sie ein Fünfundzwanzigstel ihres Wertes, was genau dem Wert des Eigenkapitals entspricht. Dies würde ein Nettovermögen von Null bedeuten, sodass die Bank einfach insolvent wäre.
- Die Banken des Vereinigten Königreichs haben ihre Darlehensaufnahme nicht erhöht, um Kredite direkt an die Immobilienkaufenden zu vergeben, sondern um CSV und andere finanzielle Vermögenswerte zu kaufen, die ihren Ursprung im US-amerikanischen Wohnungsmarkt haben.
17.9 Modellierung von Immobilienblasen
In Einheit 11 (Abschnitt 11.8) haben wir die Konzepte der stabilen und instabilen Gleichgewichte eingeführt. Hier entwickeln wir diese Konzepte weiter. Wir werden zeigen, dass ein Markt wie der Immobilienmarkt ein stabiles Gleichgewicht bei einem niedrigen Preis und ein anderes stabiles Gleichgewicht bei einem hohen Preisniveau haben kann. Dazwischen liegt ein instabiles Gleichgewicht. Dieses wird durch eine S-förmige Preisdynamikkurve (PDK) dargestellt.
Abbildung 17.22 gibt die Diagramme aus den Abbildungen 11.18 und 11.19 wieder. Das linke Feld zeigt, was bei einem instabilen Gleichgewicht geschieht. Ab dem Preis P₀ führt ein Preisanstieg weg vom Gleichgewicht, weil er als Zeichen für einen weiteren Preisanstieg interpretiert wird, was die Nachfrage nach Häusern erhöht, da die Menschen mehr von dem Vermögenswert nachfragen, von dem sie glauben, dass er an Wert gewinnen wird. Wenn bei dem Preis P₀ etwas eintritt, das den Preis senkt, würde ein ähnlicher Prozess den Preis sogar noch weiter nach unten treiben, da die Menschen dies als Signal verstehen würden, dass der Wert von Häusern sinkt, und daher weniger zum Kauf bereit wären.
- negative Rückkopplung (Prozess)
- Ein Prozess, bei dem eine anfängliche Veränderung einen Prozess in Gang setzt, der die anfängliche Veränderung dämpft. Siehe auch: positive Rückkopplung (Prozess).
- positive Rückkopplung (Prozess)
- Ein Prozess, bei dem eine anfängliche Veränderung einen Prozess in Gang setzt, der die anfängliche Veränderung verstärkt. Siehe auch: negative Rückkopplung (Prozess).
Das rechte Feld zeigt, wie ein stabiles Gleichgewicht aussieht, bei dem die anfänglichen Preisänderungen durch eine sogenannte negative Rückkopplung eher gedämpft als verstärkt werden. Hier führt ein Preisanstieg zu einem Rückgang der Nachfrage nach Häusern, was den Preis drückt. Schließlich kehrt der Preis auf das Ausgangsniveau zurück. Dies ist ein stabiles Gleichgewicht.
Der Prozess, der dazu führt, dass sich ein Markt an einen kleinen Schock anpasst, indem er zu seinem vorherigen Gleichgewicht zurückkehrt, wird als negative Rückkopplung bezeichnet, weil die anfängliche Preisänderung weitere Preisänderungen (Rückkopplungen) verursacht, die in die entgegengesetzte Richtung (negativ) der anfänglichen Änderung gehen. Eine positive Rückkopplung ist ein Prozess, bei dem eine anfängliche Änderung zu weiteren Änderungen in der gleichen Richtung (positiv) führt.
Abbildung 17.22 Instabile und stabile Gleichgewichte auf dem Immobilienmarkt.
Um zu sehen, wie ein Markt zwei Gleichgewichte haben kann und wie die Bewegung von einem zum anderen eine Preisblase oder einen Preissturz darstellen kann, können wir die stabilen und instabilen Gleichgewichte in den beiden Feldern von Abbildung 17.22 mit der in Abbildung 17.23 dargestellten S-förmigen Abbildung kombinieren. Beachten Sie, dass die PDK bei A eine Steigung von mehr als 45 Grad aufweist (wie im linken Feld in Abbildung 17.22). Der Punkt A ist also ein instabiles Gleichgewicht, und der Preis wird nicht an diesem Punkt bleiben, wenn er durch einen noch so kleinen Preisanstieg oder -rückgang gestört wird: Positive Rückkopplungen werden den Preis aus dem Gleichgewicht bringen. Es kommt zu einer Preisblase, wenn der Preis bei A steigt, und zu einem Absturz, wenn der Preis sinkt.
Beachten Sie, dass die PDK an den Punkten C und B flacher ist als die 45-Grad-Linie. Für diese Punkte wird daher im rechten Feld von Abbildung 17.22 erklärt, was passiert, wenn sich der Markt an einem dieser Punkte befindet und sich der Preis nach oben oder unten verschiebt. Aufgrund der negativen Rückkopplung wird der anfängliche Schock gedämpft, und der Preis kehrt zum Gleichgewicht zurück.
Punkt A wird als Kipppunkt bezeichnet. Bei einem Preis oberhalb von A steigen die Preise kontinuierlich bis zum Punkt B; bei einem Preis unterhalb von A sinken die Preise kontinuierlich bis zum Punkt C. Am Kipppunkt A wechselt die Richtung der Preisänderung von steigend zu fallend.
Kipppunkt
Ein instabiles Gleichgewicht an der Grenze zwischen zwei Bereichen, das durch unterschiedliche Bewegungen einer Variablen gekennzeichnet ist. Nimmt die Variable auf der einen Seite des Kipppunkts einen Wert an, bewegt sie sich in die eine Richtung, auf der anderen in die andere Richtung. Ein Kipppunkt ist wie ein Bergrücken, der zwei Täler voneinander trennt. Beispielsweise fließt das Wasser, das auf der einen Seite des Bergrückens fällt, in die eine Richtung zu einem Binnensee, während das Wasser, das auf der anderen Seite (sogar sehr nahe am Bergrücken) fällt, in die andere Richtung zum Meer fließt. Im Falle der Immobilienblase steigen die Preise ab einem bestimmten Preis (dem Kipppunktpreis) und bilden eine Blase, während sie unterhalb dieses Preises fallen (Bust).
Abbildung 17.23 Instabile und stabile Gleichgewichte auf dem Immobilienmarkt: Die S-förmige PDK.
Denken Sie daran, dass die Immobilienpreise in B hoch, aber stabil sind. Sie werden von Jahr zu Jahr unverändert auf dem hohen Niveau bleiben. Selbst wenn es Ausschläge nach oben oder unten gibt, wissen wir, dass der Preis wieder auf sein Niveau bei B zurückkehren wird.
Nehmen wir nun aber an, dass bei dem hohen Preis (Punkt B) einige Leute ‚kalte Füße‘ bekommen. Sie sind der Meinung, dass die Preise angesichts der grundlegenden Erschwinglichkeit von Häusern (Nachfrageseite) und des Angebots an Häusern viel zu hoch sind. ‚Diese hohen Preise können niemals von Dauer sein‘, sagen sie zu sich selbst. Sie beginnen zu glauben, dass die Immobilienpreise fallen werden: ‚Es ist an der Zeit zu verkaufen, damit ich, wenn die Preise fallen, ein besseres Haus für das gleiche Geld bekommen kann‘. Eigentümer:innen mit einer Hypothek machen sich Sorgen, dass sie bei sinkenden Preisen ein negatives Eigenkapital in ihrem Haus haben könnten, das heißt eine Situation, in der der Marktwert des Hauses geringer ist als die Hypothek, die sie der Bank schulden.
Diese Menschen werden glauben, dass die Immobilienpreise in der nächsten Periode niedriger sein werden als in B angegeben. Dies wird in Abbildung 17.24 durch eine Abwärtsverschiebung der S-förmigen Preisdynamikkurve in Richtung des dunkleren B dargestellt. Wenn mehr Menschen zu der Ansicht gelangen, dass die Preise fallen werden, und ihre Häuser verkaufen, verschiebt sich die S-förmige Kurve nach unten und die Preise fallen entlang des gestrichelten Pfeils von B nach Z.
Sobald sich die Stimmung auf dem Immobilienmarkt so weit verändert hat, dass die S-förmige Kurve (jetzt dunkelblau) unterhalb der 45-Grad-Linie liegt, gibt es keinen Kipppunkt mehr. Der Markt bricht zusammen; die Preise fallen von Z nach K. Dieses Modell hilft, die Befürchtung zu erklären, dass auf eine Blase im Immobilienmarkt ein verheerender Crash folgen kann. Beachten Sie, dass der finanzielle Akzelerator einer der Gründe ist, warum diese Zusammenbrüche so groß sein können und warum die Preise im neuen Gleichgewicht so weit unter den Preisen im alten Gleichgewicht liegen konnten.
Übung 17.5 Unterschiede zwischen Gleichgewicht und Stabilität
Erläutern Sie in eigenen Worten und mit Beispielen den Unterschied zwischen den Begriffen Gleichgewicht und Stabilität.
Frage 17.10 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.24 zeigt einige S-förmige Preisdynamikkurven für den Immobilienmarkt.
Welche der folgenden Aussagen ist auf der Grundlage dieser Abbildung richtig?
- An diesen Punkten wird sich der Preis der nächsten Periode in Richtung eines stabilen Gleichgewichts bewegen, und zwar in die entgegengesetzte Richtung des anfänglichen Schocks.
- Punkt Z ist ein instabiles Gleichgewicht, aber Punkt K ist ein stabiles Gleichgewicht.
- Eine positive Rückkopplung könnte dazu führen, dass die Immobilienpreise sinken, zum Beispiel würde ein negativer Schock am Punkt A dazu führen, dass die Immobilienpreise bis zum Schnittpunkt zwischen der blassblauen PDK und der 45-Grad-Linie sinken.
- Optimismus würde zu höheren Preisen für beide stabilen Gleichgewichte führen (das Gegenteil von dem, was die Abbildung zeigt).
17.10 Die Finanzkrise und die Great Recession
Der Anstieg der Immobilienpreise in den USA in den 2000er Jahren wurde durch das Verhalten der kreditgebenden Banken angetrieben, die durch die Politik ermutigt wurden, Darlehen an ärmere Haushalte zu vergeben. Sie waren in der Lage, diese Subprime-Darlehen zu finanzieren, indem sie sie in Finanzderivate verpackten, die Banken und Institutionen auf der ganzen Welt eifrig kauften. Steigende Immobilienpreise schufen den Glauben, dass die Preise weiter steigen würden, was die Nachfragekurve für Immobilien weiter nach rechts verschob, da die Haushalte Zugang zu Darlehen erhielten, die auf Sicherheiten für Immobilien basierten.
Folgen Sie den Analyseschritten in Abbildung 17.25, um zu sehen, wie sich der Immobilienpreiszyklus von seinem Höchststand Mitte 2006 nach unten bewegte. Die Abbildung veranschaulicht, wie ein anfänglicher leichter Preisrückgang zu einem weiteren Einbruch der Nachfrage führte, als die Menschen zu glauben begannen, dass die Immobilienpreise weiter fallen würden. Diese Änderung der Überzeugungen führte zu der in Abbildung 17.24 dargestellten Abwärtsverschiebung der PDK, wodurch ein neuer, niedrigerer Gleichgewichtswert für Immobilienpreise entstand.
In Abbildung 17.26 sehen Sie den Beitrag der Komponenten des BIP zum Wachstum in den 18 Monaten vor der Krise in der US-Wirtschaft, dann in den fünf Quartalen der Rezession ab Anfang 2008, gefolgt von der Erholungsphase bis Ende 2010. Der Rückgang der Wohninvestitionen (der rote Balken) war das wichtigste Merkmal der Anfangsphase. In dieser Phase waren sie die einzige Wachstumsbremse. Dies war die Folge des Rückgangs der Immobilienpreise, der Ende 2006 einsetzte. Während der Rezession kam es zu einem weiteren Rückgang der Investitionen in Wohnimmobilien. Ein Rückgang der Investitionen in Nicht-Wohnimmobilien und des Konsums kamen hinzu.
Abbildung 17.26 Aggregierte Nachfrage und die Finanzkrise in den USA (2006 Q2–2010 Q4).
Wie in der Great Depression war der Rückgang des Konsums nicht nur auf den Multiplikator-Effekt zurückzuführen. Die Haushalte haben nicht nur keine neuen Häuser mehr gekauft, sondern auch ihre Ausgaben für langlebige Gebrauchsgüter gekürzt. Der Mechanismus der finanziellen Akzelerator trägt dazu bei, die Übertragung der fallenden Immobilienpreise durch den Wertverlust der Sicherheiten auf die aggregierte Nachfrage zu erklären. Die Kürzungen bei den Ausgaben für neue Wohnimmobilien und langlebige Gebrauchsgüter konzentrierten sich auf die ärmeren Haushalte, die Subprime-Hypotheken aufgenommen hatten. Der Zeitpunkt des Nachfrageeinbruchs steht im Einklang mit der zentralen Rolle, die Immobilien und Schulden in der Finanzkrise gespielt haben. Auch bei den Investitionen war ein Rückgang zu verzeichnen. Aufträge für neue Anlagen wurden storniert und Fabriken geschlossen. Beschäftigte wurden entlassen, und die Schaffung von Arbeitsplätzen brach ein.
Wir können das Muster der aggregierten Nachfrage in Abbildung 17.26 mit den Entscheidungen der Haushalte verknüpfen, indem wir ein ähnliches Diagramm wie das für die Great Depression entwickelte verwenden. Dies ist Abbildung 17.27. Die beiden Abbildungen zeigen dieselben Entwicklungen aus verschiedenen Blickwinkeln: Abbildung 17.27 ist die Sicht eines einzelnen Haushalts auf die sich entfaltende Krise, während Abbildung 17.26 den gleichen Prozess aus der Perspektive der gesamten Wirtschaft darstellt.
Die Spalte A in Abbildung 17.27 zeigt die Situation in den 1980er Jahren. Die 1990er bis Mitte der 2000er Jahre waren, wie wir gesehen haben, eine Zeit schnell steigender Hauspreise. Spalte B zeigt die Situation bis 2006. In der Abbildung ist der Hauspreis die Summe aus dem blauen Feld für das Eigenkapital und dem roten Feld für die Schulden (die Hypotheken). Durch den Anstieg der Hauspreise erhöhte sich das Eigenkapital und die Haushalte schätzten ihr Vermögen höher ein, da sie mit einem weiteren Anstieg der Hauspreise rechneten. Eine Folge davon war, dass sie ihr Zielvermögen nach oben korrigierten. Das Zielvermögen wuchs jedoch nicht so stark wie das wahrgenommene Vermögen, sodass sie auch mehr Darlehensaufnahmen tätigten, um mehr konsumieren zu können. Dies führte dazu, dass nicht nur das Eigenkapital, sondern auch die Schulden stiegen. Die höhere Verschuldung der privaten Haushalte ist an dem größeren Schuldenrechteck in Spalte B zu erkennen.
Ab 2006 begannen die Immobilienpreise in den USA zu fallen. Die Sichtweise der Haushalte in den Jahren 2008 und 2009 ist in Spalte C dargestellt. Die steigende Arbeitslosigkeit führte zu einer Neubewertung der erwarteten künftigen Einkünfte aus einer Beschäftigung nach unten. Das Nettovermögen der Haushalte schrumpfte, wie in Spalte C zu sehen ist. Beachten Sie, dass sich die Größe des Schuldenrechtecks zwischen den Spalten B und C nicht verändert hat. Die kombinierte Wirkung des Rückgangs der Haus- und Vermögenspreise, der in den Boom-Jahren aufgenommenen höheren Schulden und der niedrigeren erwarteten Einkünfte hatte zur Folge, dass das Vermögen unter das Zielvermögen sank. Infolgedessen reduzierten die Haushalte ihren Konsum und erhöhten ihre Ersparnisse. Dies wird in Spalte C durch den Doppelpfeil mit der Aufschrift ‚Vermögen unter dem Zielwert führt zu einer Erhöhung der Ersparnisse‘ dargestellt.
Der in Abbildung 17.27 dargestellte Haushalt hat nach dem Rückgang der Haus- und Vermögenspreise in der Krise immer noch ein positives Nettovermögen. Dies wird durch die Summe der roten, blauen und grünen Rechtecke in Spalte C dargestellt. Das Verhalten der Haushalte, deren Nettovermögen nach dem Rückgang der Immobilienpreise negativ wurde, war jedoch ein wichtiges Merkmal der Great Recession, die auf die Finanzkrise in den USA folgte. Um dies in einem Diagramm wie Abbildung 17.27 darzustellen, würde das Schuldenrechteck in das Feld mit der Bezeichnung ‚erwartete zukünftige Einkünfte aus Beschäftigung‘ rutschen und die blauen, grünen und orangefarbenen Rechtecke auslöschen, das Gesamtvermögen verringern und die Lücke zwischen erwartetem und Zielvermögen vergrößern. Es ist leicht zu erkennen, wie die Haushalte des untersten Vermögensquintils in Abbildung 17.20 in den Jahren 2008 und 2009 unter Wasser gerieten. In den USA waren 2011 23 % der Immobilien mit einer Hypothek weniger wert als ebendiese Hypothek. Haushalte in dieser Lage schränkten den Konsum ein, während sie ihre Schulden abzahlten, um ihre finanzielle Lage wiederherzustellen.
Übung 17.6 Die Krise und der Multiplikator
Zeigen Sie die Merkmale der Krise von 2008 im Multiplikator-Diagramm, indem Sie Abbildung 14.6 für die Great Depression als Modell verwenden. Verwenden Sie bei Ihrer Antwort die Konzepte der Konsumfunktion, der Immobilienblase, des finanziellen Akzelerators und des positiven Feedbacks.
Wie können Sie die Rolle der höheren marginalen Konsumquote der Haushalte im untersten Quintil in Ihrer Analyse darstellen? Beziehen Sie sich auf Abbildung 17.20 und nehmen Sie an, dass die Wirtschaft geschlossen ist (das heißt keine Importe und keine Exporte hat).
Frage 17.11 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Abbildung 17.26 zeigt die aggregierte Nachfrage in den USA zwischen 2006 Q2 und 2010 Q4.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
- Es kann nicht behauptet werden, dass der Rückgang der Investitionen der Haushalte die einzige Ursache der Krise war. Dieser Rückgang war selbst eine Folge des Verfalls der Immobilienpreise, der 2006 einsetzte.
- Die Investitionen trugen am stärksten zur Krise bei, wie die orangefarbene Säule in der Krisenzeit zeigt.
- Der Konsum und die Investitionen der Regierung wurden erhöht, um der Schrumpfung der Wirtschaft während der Rezession entgegenzuwirken, doch wurden sie seither zurückgefahren.
- In der Erholungsphase nahm der Konsum der privaten Haushalte zu, aber die Investitionen stiegen nicht an.
17.11 Die Rolle der Banken in der Krise
Immobilienpreise und Solvenz der Banken
Die Finanzkrise war eine Bankenkrise—und sie war global, wie die BNP Paribas im August 2007 bewies, als sie die Anleiheinhaber:innen eines ihrer Investmentfonds nicht auszahlen wollte. Die Banken befanden sich in Schwierigkeiten, weil sie einen hohen Leverage-Wert erreicht hatten und anfällig für einen Wertverlust der finanziellen Vermögenswerte waren, die sie in ihren Bilanzen angehäuft hatten (siehe Abbildung 17.21 für den Leverage-Wert der Banken in den USA und Großbritannien). Die Werte der finanziellen Vermögenswerte basierten wiederum auf den Immobilienpreisen.
Bei einem Verhältnis von Nettovermögen zu Vermögenswerten von 4 %, wie im Beispiel der Bank in Abbildung 11.14, führt ein Wertverlust ihrer Vermögenswerte, der diesen Wert übersteigt, zur Insolvenz einer Bank. In vielen Ländern sind die Immobilienpreise während der jüngsten Finanzkrise um weit mehr als 4 % gefallen. In Irland, Spanien und den USA lagen die Indizes für den Rückgang der Immobilienpreise zwischen Höchststand und Tiefpunkt bei 50,3 %, 31,6 % beziehungsweise 34,6 %. Dies führte zu einem Solvenzproblem für die Banken. Genau wie bei den Haushalten, die unter Wasser standen, drohte auch bei den Banken das Nettovermögen vernichtet zu werden. Für einen Haushalt ist es relativ einfach zu berechnen, ob dies der Fall ist, aber nicht für eine Bank.
Im Gegensatz zu einem Haus waren die undurchsichtigen Vermögenswerte in der Bilanz einer Bank (oder die oft dazu bestimmt waren, nicht in die Bilanz aufgenommen zu werden), mit Abkürzungen wie CDO, CDS, CLO und sogar CDO², schwer zu bewerten. Dadurch war es schwierig zu beurteilen, welche Banken in Schwierigkeiten waren.
Liquidität der Banken und die Kreditkrise
- Liquiditätsrisiko
- Das Risiko, dass ein Vermögenswert nicht schnell genug in Bargeld umgetauscht werden kann, um einen finanziellen Verlust zu verhindern.
Die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Banken führten zu einem weiteren Problem im Finanzsystem—dem Liquiditätsrisiko, das wir in Einheit 10 vorgestellt haben. Ein charakteristisches Merkmal von Banken ist die Diskrepanz zwischen kurzfristigen Schulden, die sie den Kapitalanlegenden schulden, und langfristigen Vermögenswerten, bei denen es sich um Darlehen handelt, die an die Bank zurückgezahlt werden. Folglich sind die Banken auf den Geldmarkt angewiesen, auf dem sich die Banken gegenseitig kurzfristig Geld leihen beziehungsweise verleihen, um sich zu finanzieren, wenn sie kurzfristige Liquidität benötigen. Das Funktionieren des Geldmarkts hängt jedoch davon ab, dass Darlehensnehmende und Darlehensgebende Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit derjenigen haben, mit denen sie handeln. Der erwartete Gewinn eines Darlehens ergibt sich aus dem Zinssatz multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, dass die darlehensnehmende Person nicht ausfällt:
Da man also befürchtete, dass die Darlehensnehmenden mit größerer Wahrscheinlichkeit ihren Verpflichtungen nicht nachkommen würden, vergab man Darlehen nur zu hohen Zinssätzen. In vielen Fällen weigerten sich die Banken oder andere auf den Geldmarkt tätige Unternehmen einfach, überhaupt Darlehen zu vergeben. Die Zeitungen nannten dies die ‚Kreditklemme‘.
In Einheit 10 haben wir gelernt, dass der Zinssatz auf dem Geldmarkt eng an den von der Zentralbank festgelegten Leitzins gebunden ist. Bei der Kreditklemme brach diese Beziehung zusammen. Die Darlehensaufnahme auf dem Geldmarkt zwischen Banken wurde sehr viel teurer und behinderte die Fähigkeit der Zentralbanken, die Wirtschaft zu stabilisieren. Selbst als die Zentralbanken die Zinssätze auf Werte nahe dem Zero Lower Bound senkten, hielt die Angst vor einem Zahlungsausfall der Banken die Zinssätze auf den Märkten hoch. Dies führte zu hohen Zinsen für Hypotheken: Hohe Zinssätze am Geldmarkt erhöhten die Finanzierungskosten der Banken, wie in Einheit 10 erläutert.
Fire Sales: Ein Prozess mit positivem Feedback
- Fire Sale
- Der Verkauf einer Sache zu einem sehr niedrigen Preis, weil die verkaufende Person oder das verkaufende Unternehmen dringend Geld braucht.
Der Zwangsverkauf von Vermögenswerten, der informell als Fire Sale bezeichnet wird, ist ein Prozess mit positivem Feedback. In der Finanzkrise ist der Fire Sale ein externer Effekt sowohl für den Immobilienmarkt als auch für die Märkte für finanzielle Vermögenswerte, und beide haben die Solvenz der Banken beeinträchtigt.
Im Fall des Immobilienmarktes ist dies leicht zu veranschaulichen. Stellen Sie sich einen Haushalt vor, der unter Wasser steht und ein Darlehen für ein Haus nicht zurückzahlen kann. Seine Schulden übersteigen den Marktwert des Hauses. Der Haushalt steht unter Druck, das Haus schnell zu verkaufen, um so viel wie möglich von der Hypothek abzubezahlen, damit er keine weiteren Zinszahlungen leisten muss. Wenn der Markt für Wohneigentum zusammenbricht, müssen sie möglicherweise einen drastisch reduzierten Preis für das Haus akzeptieren (was für sie immer noch besser sein kann, als weiterhin Zinsen für die gesamte Hypothek zu zahlen). Dies ist ein Marktversagen, da der Fire Sale einen externen Effekt hat, der anderen Eigentümer:innen derselben Art von Vermögenswerten Kosten (einen Preisrückgang) auferlegt.
In der Finanzkrise sahen sich sowohl Banken als auch Haushalte mit massiven Wertverlusten ihrer Vermögenswerte konfrontiert und standen unter dem Druck, diese zu reduzierten Preisen zu verkaufen, um ihre Schulden zurückzuzahlen (zum Beispiel an Kapitalanlegende, die ihre Einlagen zurückhaben wollten). Da viele Banken gleichzeitig verzweifelt versuchten, ihre Vermögenswerte zu verkaufen, stürzten die Preise für diese Vermögenswerte ab. Dies wiederum gefährdete die Solvenz von Banken und anderen Institutionen im Rahmen einer positiven Feedback-Schleife weiter.
Regierungen retten Banken
In allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften scheiterten Banken und wurden von den Regierenden gerettet. Um mehr darüber zu erfahren, wie dies geschah, und um mehr Hintergrundinformationen über das Versagen des Finanzsystems während der Krise zu erhalten, empfehlen wir die Lektüre von The Baseline Scenario.
In Einheit 10 haben wir die Tatsache hervorgehoben, dass die Banken nicht alle Kosten eines Konkurses tragen. Die Eigentümer:innen der Banken wissen, dass andere (Steuerpflichtige oder andere Banken) einen Teil der Kosten für die Risikobereitschaft der Banken tragen werden. Daher gehen die Banken mehr Risiken ein, als sie eingehen würden, wenn sie alle Kosten ihres Handelns selbst tragen würden. Die übermäßige Risikobereitschaft der Banken ist ein negativer externer Effekt, der zu einem Marktversagen führt. Es entsteht durch das Prinzipal-Agenten-Problem zwischen der Regierung (dem Prinzipal) und der Bank (dem Agenten). Die politischen Entscheidungsträger:innen sind der Prinzipal, weil sie ein direktes Interesse an einer gesunden Wirtschaft hat (und dafür verantwortlich gemacht wird) und die Kosten der Bankenrettung als Folge der übermäßigen Risikobereitschaft der Banken tragen muss. Regierungen können kein vollständiges Regelwerk aufstellen, das die Interessen der Banken mit denen der Regierung oder der Steuerpflichtigen in Einklang bringen würde.
Banken werden gerettet, weil sich der Ausfall einer Bank vom Ausfall eines typischen Unternehmens oder Haushalts in einer kapitalistischen Wirtschaft unterscheidet. Banken spielen eine zentrale Rolle im Zahlungssystem der Wirtschaft und bei der Vergabe von Krediten an Haushalte und Unternehmen. Ketten von Vermögenswerten und Schulden verbinden die Banken, und diese Ketten hatten sich in den Jahren vor der Krise über die ganze Welt ausgedehnt.
Die Verflechtung der Banken untereinander wurde in der Kreditkrise deutlich, als die Liquidität auf den Märkten versiegte, weil jede Bank an der Zahlungsfähigkeit der anderen Banken zweifelte. Das Ereignis, das am engsten mit der Finanzkrise in Verbindung gebracht wird, der Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008, zeigte, wie sehr die Banken miteinander verflochten waren (und sind). Dies war nicht der Beginn der Krise—wir haben gesehen, dass der Rückgang der aggregierten Nachfrage in den USA bereits 2006 mit den Problemen auf dem Immobilienmarkt begann—, aber es signalisierte ihre Eskalation auf nationaler und globaler Ebene.
So ist das Bankensystem, wie ein Stromnetz, ein Netzwerk. Der Ausfall eines der Elemente in diesem Netzwerk—sei es ein Haushalt oder eine andere Bank—erzeugt Druck auf alle anderen Elemente im Netzwerk. Genau wie in einem Stromnetz kann der Prozess in einem Bankensystem eine Kaskade von Folgeausfällen auslösen, wie es zwischen 2006 und 2008 der Fall war.
In unserem ‚Ökonominnen und Ökonomen in Aktion‘ Video erklärt Joseph Stiglitz, einer der wenigen Ökonominnen und Ökonomen, die im Vorfeld der Finanzkrise wiederholt vor den Risiken des Finanzsystems gewarnt haben, die Kombination aus Anreizen, externen Effekten und positiven Feedback-Prozessen, die zu dieser Kaskade von Finanzversagen geführt hat.
Übung 17.7 Wie konventionelle Weisheiten über Märkte zur globalen Finanzkrise beigetragen haben
Im ‚Ökonominnen und Ökonomen in Aktion‘ Video von Joseph Stiglitz erklärt er, dass die Finanzkrise ein Marktversagen war. Schauen Sie sich das Video an und denken Sie über diese Fragen nach:
- Welche Annahmen wurden vor der Krise über die Finanzmärkte getroffen, und welche Annahme war besonders problematisch?
- Welche Rolle spielten die Anreize für die Banken bei der jüngsten Finanzkrise?
Übung 17.8 Verhalten in der Finanzkrise
‚The Crisis of Credit Visualized‘ ist eine animierte Erklärung des Verhaltens von Haushalten und Banken in der Finanzkrise.
- Verwenden Sie die in dieser Einheit besprochenen Modelle, um die im Video erzählte Geschichte zu erklären.
- Gibt es Teile des Videos, die Sie nicht mit den Modellen und Konzepten aus dieser Einheit erklären können?
Frage 17.12 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)
Welche der folgenden Aussagen zu Fire Sales auf dem Wohnungsmarkt sind richtig?
- Dies ist die Definition eines „Unterwasserhaushalts“.
- Ein Fire Sale liegt vor, wenn ein Vermögenswert in aller Eile zu einem niedrigen Preis verkauft wird, um einen Konkurs oder eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Auf einem normalen Immobilienmarkt könnte ein Haushalt, der die Hypothek nicht zurückzahlen kann (zum Beispiel aufgrund von Arbeitsplatzverlust), zu einem normalen Preis verkaufen.
- Eine Externalität ist ein unbeabsichtigter Effekt auf Parteien, die nicht an der Transaktion beteiligt sind. Die Möglichkeit, dass die kaufinteressierten Personen von günstigeren Preisen profitieren, ist keine Externalität, da sie an der Transaktion beteiligt sind.
- Es handelt sich um eine negative Externalität, da Eigentümer:innen ähnlicher Vermögenswerte nicht an dieser Transaktion beteiligt sind.
17.12 Aus Krisen lernen
Die Ökonominnen und Ökonomen lernten in der Great Depression die Bedeutung der aggregierten Nachfrage kennen. Aber das gab ihnen ein unangemessenes Vertrauen, dass eine Kombination aus Fiskalpolitik und Geldpolitik die Arbeitslosigkeit auf lange Frist praktisch beseitigen würde. In Abschnitt 17.6 haben wir gesehen, dass diese Politik an ihre Grenzen stieß, als das Goldene Zeitalter zusammenbrach und sich der Konflikt zwischen den Beschäftigten und den arbeitgebenden Unternehmen in einer steigenden Inflation niederschlug.
Die Dominanz der vorherrschenden keynesianischen, auf die aggregierte Nachfrage ausgerichteten Sichtweise trägt dazu bei, dass die meisten Ökonominnen und Ökonomen den angebotsseitigen Charakter des ersten Ölpreisschocks von 1973 nicht erkannten. Abbildung 17.28 veranschaulicht diesen politischen Fehler für die USA. Die Verdoppelung des Ölpreises (in realen Werten) wird durch den Anstieg des Index von 5 auf 10 in der Abbildung im Jahr 1973 angezeigt. Aus Einheit 15 und dieser Einheit wissen wir, dass die Verkleinerung des wirtschaftlichen Kuchens durch einen Schock bei den Rohstoffpreisen den Interessenkonflikt um seine Aufteilung verschärft, und so stieg die Inflation 1974 auf über 10 %. Die politischen Entscheidungsträger:innen konzentrierten sich jedoch auf die Auswirkungen des Ölpreisschocks, der die aggregierte Nachfrage verringerte und die Arbeitslosigkeit erhöhte. Sie reagierten darauf mit einer Lockerung der Geldpolitik (siehe die sinkenden Nominal- und Realzinssätze). Die Fiskalpolitik wurde nicht gestrafft.
Abbildung 17.28 Politische Entscheidungen am Ende des Goldenen Zeitalters: Die USA (1960–79).
Federal Reserve Bank of St Louis (FRED); Congressional Budget Office; US Bureau of Labor Statistics.
Eine andere Reaktion folgte auf den zweiten Schock im Jahr 1979. Der Schwerpunkt wurde darauf gelegt, die Inflation zu senken und die erwarteten Gewinne wiederherzustellen. Anstatt zu versuchen, die aggregierte Nachfrage zu stützen, konzentrierten sich die politischen Entscheidungsträger:innen auf den durch den Schock verursachten Aufwärtsdruck auf die Inflation. Die Geld- und Fiskalpolitik wurde auf die Kontrolle der Inflation ausgerichtet, wie sie ein Jahrzehnt zuvor von Milton Friedman befürwortet worden war; die Regierungen waren bereit, einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zuzulassen, um die Inflation zu senken.
Im Sinne des Arbeitsmarktmodells erkannten die politischen Entscheidungsträger:innen nun, dass der Ölpreisschock die inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote ansteigen ließ, was sie dazu veranlasste, angebotsseitige Maßnahmen zur Schwächung der Gewerkschaften (um die Lohnsetzungskurve nach unten zu verschieben) und zur Verstärkung des Wettbewerbs in monopolisierten Industrien wie der Telekommunikation (um die Preissetzungskurve nach oben zu verschieben) zu ergreifen. Diese Politik stand in engem Zusammenhang mit Premierministerin Margaret Thatcher im Vereinigten Königreich und Präsident Ronald Reagan in den USA.
Indem sie die Deregulierung von den Arbeits- und Gütermärkten auf das Finanzsystem ausdehnten, schufen die politischen Entscheidungsträger:innen nach 1979 die Bedingungen, unter denen sich die Finanzpraktiken, die zur globalen Finanzkrise führten, ausbreiten konnten. Hyman Minsky hatte bereits 1982 davor gewarnt, wie dies unter ruhigen makroökonomischen Bedingungen geschehen könnte.
Einige hatten Minskys Gedanken schon lange vor der Krise aufgegriffen. So erklärte Sir Andrew Crockett, Manager bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, im September 2000 den Bankenaufsehern:
Die gängige Meinung ist, dass das Risiko in Rezessionen steigt und in Booms sinkt. Im Gegensatz dazu könnte es hilfreicher sein, sich vorzustellen, dass das Risiko in Aufschwungphasen zunimmt, wenn sich finanzielle Ungleichgewichte aufbauen, und in Rezessionen abnimmt.5
In der Tabelle in Abbildung 17.29 fassen wir die Erkenntnisse für Ökonominnen und Ökonomen aus den einzelnen Epochen zusammen.
Epoche | Daten | Herkömmliche Weisheit | Wirtschaftliche Ergebnisse | Was Ökonominnen und Ökonomen gelernt haben | Bedeutende Ökonomen |
---|---|---|---|---|---|
1920er und die Great Depression | 1921–1941 | Märkte sind selbstregulierend, effizient und gewährleisten die volle Nutzung der Ressourcen. | Zusammenbruch der aggregierten Nachfrage, hohe und anhaltende Arbeitslosigkeit. | Instabilität ist ein immanentes Merkmal der aggregierten Wirtschaft, und die aggregierte Nachfrage kann durch die Politik der Regierungen stabilisiert werden. | Keynes |
Das Goldene Zeitalter des Kapitalismus und dessen Untergang | 1945–1979 | Die Regierung kann ein Beschäftigungsziel umsetzen, indem sie einen Punkt auf der Phillipskurve festlegt. | Ende der 60er Jahre Rückgang der Gewinne, der Investitionen und des Produktivitätswachstums. Der Trade-Off der stabilen Phillipskurve verschwindet. |
Bei gegebenen Institutionen kann die Notwendigkeit, Gewinne, Investitionen und Produktivitätswachstum aufrechtzuerhalten, die Fähigkeit einer Regierung einschränken, durch eine Politik der aggregierten Nachfrage eine dauerhaft niedrige Arbeitslosigkeit zu erreichen. | Friedman |
Von der Stagnation zur Finanzkrise | 1979–2016 | Die Instabilität wurde aus der kapitalistischen Dynamik herausgenommen; die minimal regulierten Märkte funktionieren gut. | Zusammenbruch des Finanz- und Immobilienmarktes 2008. | Schuldengetriebene Finanz- und Immobilienblasen können mit einer niedrigen und stabilen Inflation koexistieren und werden eine Wirtschaft destabilisieren, wenn es keine angemessenen Regelungen gibt. | Minsky |
Abbildung 17.29 Von der Wirtschaft lernen: Was Ökonominnen und Ökonomen in den drei Epochen gelernt haben.
Wir können drei Schlussfolgerungen ziehen:
- Die Ökonominnen und Ökonomen haben aus den Erfolgen und Misserfolgen der drei Epochen gelernt: Auch wenn der Lernprozess langsam war, ist die heutige Volkswirtschaftslehre das Ergebnis dieses Prozesses.
- Zunächst erfolgreiche Politiken in jeder Epoche haben positive Feedback-Prozesse, die zu nachfolgenden Krisen beigetragen haben, nicht verhindern können: Jede Epoche war zunächst erfolgreich, weil die angenommenen Politiken und Institutionen die Mängel der vorherigen Epoche behoben haben. Doch dann wurden politische Entscheidungsträger:innen sowie Ökonominnen und Ökonomen überrascht, als sich positive in negative Rückkopplungen verwandelten.
- Keine Denkschule hat politische Ratschläge, die in jeder Epoche gut gewesen wären: Der Wert konkurrierender Ansätze und Erkenntnisse ind er Ökonomie hängt von der jeweiligen Situation ab. Sowohl die Ideen von Friedman als auch von Keynes waren für die Erkenntnisse der Ökonominnen und Ökonomen von wesentlicher Bedeutung.
Als Deutschland 1914 zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Frankreich einmarschierte, wurde der französische Soldat André Maginot bei dem Angriff verwundet. Als er später Kriegsminister wurde, war er entschlossen, eine uneinnehmbare Verteidigungslinie zu errichten, die wir als Maginot-Linie kennen, für den Fall, dass deutsche Soldaten erneut versuchen sollten, in Frankreich einzumarschieren.
Doch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs griff Deutschland mit Panzern und motorisierten Truppentransportern zum Blitzkrieg an. Die Deutschen durchbrachen die Maginot-Linie nicht, sie umgingen sie einfach.
Ökonominnen und Ökonomen versuchen heute, den Fehler von Maginot zu vermeiden. Ein sorgfältiges Studium der Volkswirtschaftslehre des vergangenen Jahrhunderts wird uns helfen, nicht einfach den ‚letzten Krieg‘ zu führen, sondern uns auf die neuen Schwierigkeiten vorzubereiten, die sich ergeben werden.
Übung 17.9 Bankenregulierungen können zu Finanzkrisen beitragen
In einem Video von ‚Ökonominnen und Ökonomen in Aktion‘ erklärt die Ökonomin Anat Admati die Probleme bei der Regulierung des Bankensystems.
- Erläutern Sie am Beispiel der Immobilienpreise die Vor- und Nachteile von Leverage.
- Was ist laut dem Video der Hauptunterschied zwischen Banken und anderen Unternehmen, und warum ist dies gefährlich für das Bankensystem?
- Welche Faktoren tragen zur Anfälligkeit und zum Risiko des Bankensystems bei, und wie können wir künftige Finanzkrisen verhindern?
Übung 17.10 Hoovers ausgeglichener Haushalt
Am 4. April 1932, als sich die Wirtschaft der USA in einer Abwärtsspirale befand, schrieb Präsident Hoover an den US-Kongress und sprach sich für einen ausgeglichenen Haushalt und Kürzungen der Staatsausgaben aus.
Lesen Sie Hoovers Brief und schreiben Sie eine Kritik dazu, wobei Sie die Konzepte der Volkswirtschaftslehre aus den Einheiten 13 bis 17 verwenden.
- Sparparadoxon
- Wenn ein Einzelner weniger konsumiert, steigen seine Ersparnisse; wenn aber alle weniger konsumieren, kann das Ergebnis eher eine geringere als eine höhere Ersparnis sein. Der Versuch, das Sparen zu erhöhen, wird vereitelt, wenn eine Erhöhung der Sparquote nicht durch eine Erhöhung der Investitionen (oder einer anderen Quelle der aggregierten Nachfrage wie den Staatsausgaben für Waren und Dienstleistungen) ausgeglichen wird. Das Ergebnis ist ein Rückgang der aggregierten Nachfrage und einen niedrigeren gesamtwirtschaftlichen Output, so dass das tatsächliche Sparniveau nicht ansteigt.
- Sparpolitik
- Eine Politik, bei der eine Regierung versucht, ihre Haushaltslage in einer Rezession zu verbessern, indem sie ihr Sparen erhöht. Siehe auch: Sparparadoxon.
Übung 17.11 Sparpolitik
In Einheit 14 haben wir das Paradoxon der Sparsamkeit eingeführt und die Anwendung der Sparpolitik in vielen Ländern untersucht, bevor sich deren Wirtschaft von der Rezession nach der Krise 2008 erholt hatte.
Wurden die Erkenntnisse aus der Great Depression vergessen, als die Sparpolitik eingeführt wurde? Eine Analyse von Barry Eichengreen und Kevin O’Rourke wird Ihnen helfen, diese Frage zu beantworten.
17.13 Schlussfolgerung
Vor 100 Jahren glaubten Ökonominnen und Ökonomen, dass die private Wirtschaft sich immer zuverlässig selbst korrigiert. Heute wissen sie, dass Regierungen ihre Fähigkeit zur Selbstkorrektur durch automatische Stabilisatoren wie die Arbeitslosenversicherung erheblich steigern können. Sie wissen auch, dass staatliche Maßnahmen, wie zum Beispiel Finanzregulierungen, wichtig sind, um die Wahrscheinlichkeit von Finanzkrisen zu verringern—und wenn es zu Krisen kommt, ist es Aufgabe der Politik, den Finanzsektor und die Wirtschaft zu retten.
Die Ökonominnen und Ökonomen haben aus der Great Depression gelernt, wie wichtig die aggregierte Nachfrage und positive Feedback Prozesse sind. Als Reaktion darauf wurden nach dem Zweiten Weltkrieg neue politische Systeme und Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene entwickelt. Sie basierten auf Vereinbarungen zwischen Beschäftigten und Unternehmen in einem Umfeld schnellen Produktivitätswachstums und führten in vielen Ländern zu einem Goldenen Zeitalter des geteilten Wohlstands.
Dieses System brach angesichts des nachlassenden Produktivitätswachstums und des ersten Schocks durch den Ölpreis zusammen. Die makroökonomische Stabilität in der Great Moderation wurde um den Preis einer zunehmenden Ungleichheit in vielen Ländern wiederhergestellt. Sowohl die Stabilität selbst als auch die zunehmende Ungleichheit legten den Grundstein für die nächste Krise, indem sie zu einem Anstieg der Verschuldung des privaten Sektors führten, der in die globale Finanzkrise mündete. Die Unterstützung des Finanzsektors durch die Regierungen und die aggregierte Nachfrage verhinderten eine weitere Great Depression, wenn auch keine längere Rezession.
Die rasche Einführung dieser Maßnahmen in vielen Ländern war in hohem Maße das Ergebnis der Erkenntnisse, die Ökonominnen und Ökonomen seit der Great Depression über die Bedeutung der aggregierten Nachfrage gewonnen hatten. Die Ökonominnen und Ökonomen lernen weiterhin, wie die Wirtschaft insgesamt funktioniert, und befassen sich mit kritischen Fragen wie den Ursachen für die Instabilität der Finanz- und Immobilienmärkte und den Bestimmungsfaktoren der Investitionen. Ein besseres Verständnis in diesen und anderen Bereichen der Volkswirtschaftslehre wird zu einer fundierteren öffentlichen Debatte über politische Maßnahmen beitragen, die eine nachhaltige und sichere Verbesserung des Lebensstandards für alle gewährleisten.
In Einheit 17 eingeführte Konzepte
Bevor Sie fortfahren, sollten Sie diese Definitionen wiederholen:
17.14 Quellen
- Ball, Philip. 2002. ‘Blackouts Inherent in Power Grid’. Nature News. Aktualisiert am 8. November 2002.
- Ball, Philip. 2004. ‘Power Blackouts Likely’. Nature News. 20. January 2004.
- Carlin, Wendy und David Soskice. 2015. Macroeconomics: Institutions, Instability, and the Financial System. Oxford: Oxford University Press. Chapters 6 and 7.
- Crockett, Andrew. 2000. ‘Marrying the Micro- and Macro-Prudential Dimensions of Financial Stability’. Speech to International Conference of Banking Supervisors, Basel, 20–21 September.
- Eichengreen, Barry, und Kevin O’Rourke. 2010. ‘What Do the New Data Tell Us?’. VoxEU.org. Aktualisiert am 8. März 2010.
- Mian, Atif, Amir Sufi, und Francesco Trebbi. 2013. ‘The Political Economy of the Subprime Mortgage Credit Expansion’. Quarterly Journal of Political Science 8: pp. 373–408.
- Minsky, Hyman P. 1975. John Maynard Keynes. New York, NY: McGraw-Hill.
- Minsky, Hyman P. 1982. Can ‘It’ Happen Again? Essays on Instability and Finance. Armonk, NY: M. E. Sharpe.
- Reinhart, Carmen M., und Kenneth S. Rogoff. 2009. This Time Is Different: Eight Centuries of Financial Folly. Princeton, NJ: Princeton University Press.
- Shin, Hyun Song. 2009. ‘Discussion of “The Leverage Cycle” by John Geanakoplos’. Discussion prepared for the 2009 NBER Macro Annual.
- Webb, Baumslag, und Robert Read. 2017. How Should Regulators deal with Uncertainty? Insights from the Precautionary Principle. Bank Underground.
- Wiggins, Rosalind, Thomas Piontek, und Andrew Metrick. 2014. ‘The Lehman Brothers Bankruptcy A: Overview’. Yale Program on Financial Stability Case Study 2014-3A-V1.
-
Philip Ball. 2002. ‘Blackouts Inherent in Power Grid.’. Nature News. Aktualisiert am 8. November 2002.
Philip Ball. 2004. ‘Power Blackouts Likely.’ Nature News. Aktualisiert am 20. Januar 2004. ↩
-
Für eine Liste von Booms, Bankenpleiten und -krisen siehe Tabelle 8, Kapitel 10 von: Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff. 2009. This Time Is Different: Eight Centuries of Financial Folly. Princeton, NJ: Princeton University Press. ↩
-
Baumslag Webb und Rupert Read. 2017. ‘How Should Regulators deal with Uncertainty? Insights from the Precautionary Principle’. Bank Underground. ↩
-
Hyman P. Minsky. 1982. Can ‚It‘ Happen Again? Essays on Instability and Finance. Armonk, NY: M. E. Sharpe. ↩
-
Andrew Crockett. 2000. ‘Marrying the Micro- and Macro-Prudential Dimensions of Financial Stability’. Rede vor der Internationalen Konferenz der Bankenaufsichtsbehörden, Basel, 20–21. September. ↩